VwGH 95/19/1037

VwGH95/19/103721.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der S in H, vertreten durch Dr. G in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 1995, Zl. 109.017/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom 19. Oktober 1993 auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung eingeleitete aufenthaltsbehördliche Verfahren wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 28. Oktober 1994 gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin ausgesetzt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 1995 wurde die dagegen erhobene Berufung gemäß § 38 AVG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, ein Aufenthaltsverbot sei unter die Sichtvermerksversagungstatbestände des § 10 Abs. 1 Fremdengesetz (FrG) zu subsumieren, weshalb im gegenständlichen Verfahren eine Vorfrage vorliege, welche für die Entscheidungsfindung der Behörde von erheblicher Bedeutung sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, welcher deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde mit Beschluß vom 19. September 1995, B 1382/95, auf Antrag der Beschwerdeführerin gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In der mit dem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verbundenen Beschwerdeergänzung macht die Beschwerdeführerin geltend, sie erachte sich dadurch in ihrem Recht, daß ihr Aufenthalt in Österreich verlängert werde, verletzt, daß die belangte Behörde das ihr im § 38 AVG eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt habe, weshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt werde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) lautet:

"(1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 1 FrG lautet:

"(1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

  1. 1. gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht, es sei denn, daß die Voraussetzungen für eine Wiedereinreisebewilligung (§ 23) vorliegen;
  2. 2. ..."

§ 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lautet:

"§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 96/19/2437), hat die Aufenthaltsbehörde gemäß § 5 Abs. 1 AufG nur zu beurteilen, ob beim Fremden ein Sichtvermerksversagungsgrund (hier im Sinne eines rechtskräftigen - und daher die belangte Behörde bindenden - Aufenthaltsverbotes) vorliegt, nicht aber, ob die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 18 FrG vorliegen.

Im vorliegenden aufenthaltsbehördlichen Verfahren bildet daher die Frage, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 FrG rechtfertige oder nicht, keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Die Aufenthaltsbehörde hat lediglich zu prüfen, ob ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG vorliegt. Diese Frage nach dem rechtskräftigen Bestehen eines Aufenthaltsverbotes wiederum ist keine Frage, welche von einer anderen Verwaltungsbehörde (hier der Fremdenpolizeibehörde) als Hauptfrage im Sinne des § 38 AVG zu entscheiden wäre.

Im Beschwerdefall stellt jedoch die Frage, ob ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gegen die Beschwerdeführerin bestehe oder nicht, eine Tatbestandsvoraussetzung für eine allfällige Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG dar (vgl. etwa auch den in Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 475, als Beispiel für Tatbestandswirkungen angeführten § 15 Staatsbürgerschaftsgesetz).

Da die belangte Behörde dies verkannte und somit zu Unrecht das Verfahren aussetzte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ersatz der Umsatzsteuer ist mit dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes abgegolten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314, u.a.). Stempelgebühren, die im verfassungsgerichtlichen Verfahren beizubringen waren, sind im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu ersetzen (vgl. den hg. Beschluß vom 17. März 1986, Zl. 86/08/0002). Dazu zählen hier auch jene, die für den Abtretungsantrag aufgelaufen sind.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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