VwGH 95/19/0785

VwGH95/19/078526.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1. der CB,

2. der EB und 3. der FB, sämtliche vertreten durch die Mutter NB, diese vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 12. Juli 1995,

  1. 1. Zl. 109.795/6-III/11/95, 2. Zl. 109.795/5-III/11/95, und
  2. 3. Zl. 109.795/7-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §56;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §56;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 12. Juli 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerinnen seien nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und wollten ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern. Die Beschwerdeführerinnen seien seit 20. September 1994 aufrecht in Wien gemeldet. Da die beantragte Aufenthaltsbewilligung somit zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen solle, sei der Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht, die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.

Die Beschwerdeführerinnen bekämpfen diese Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Zutreffend rügen die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Berufungsbehörde. Die erstinstanzliche Behörde hat die Anträge der Beschwerdeführerinnen gemäß § 9 Abs. 3 a.F. AufG abgewiesen. Die belangte Behörde hat demgegenüber den Versagungsgrund nach § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies dem Beschwerdeführer vorzuhalten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 336, wiedergegebene Judikatur).

Die Beschwerdeführerinnen erstatteten in ihren Beschwerden das - demnach nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterliegende - Vorbringen, sie seien wohl im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Besitze von Touristensichtvermerken gewesen, hätten ihren Inlandsaufenthalt jedoch zum Zwecke der Antragstellung vom Ausland aus unterbrochen und (nach einer zwischenzeitig erfolgten Wiedereinreise unter Benützung dieser Sichtvermerke) das Bundesgebiet mit dem (vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgten) Ablauf derselben wieder verlassen.

Dieses Vorbringen zeigt in geeigneter Weise die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes unter anderem zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen soll. Aus der Verwendung des Wortes "soll" in § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist nicht abzuleiten, daß diese Tatbestandsvoraussetzung im Zeitpunkt der Antragstellung zu prüfen ist. Vielmehr wird der in Rede stehende Sichtvermerksversagungsgrund dann verwirklicht, wenn sich der Fremde in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt - also im Zeitpunkt der Bescheiderlassung - im Anschluß an eine mit Touristensichtvermerk erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0032). Aus diesen Überlegungen wäre bei Zutreffen der oben wiedergegebenen Behauptungen der Beschwerdeführerinnen der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht verwirklicht.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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