Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Juli 1993 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig befunden, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen Berufene im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG der F-Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft als Arbeitgeber mit Sitz in W am 3. Dezember 1992 auf der Baustelle in W, L-Gasse 9-11, vier im Spruch namentlich genannte Ausländer mit dem Abbau eines Gerüstes beschäftigt worden seien, obwohl der genannten Gesellschaft für diese Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch diesen Ausländern eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 240.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Wochen) und ein Kostenbeitrag von S 24.000,-- verhängt.
In der dagegen (durch den Rechtsanwalt Dr. S als Vertreter der Beschwerdeführerin) erhobenen Berufung vom 12. August 1993 bestritt die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung u.a. mit der Begründung, daß die inkriminierten Tätigkeiten in einem nach dem AuslBG nicht bewilligungspflichtigen Volontärsverhältnis erfolgt seien. Zum Nachweis ihres Vorbringens stützte sich die Beschwerdeführerin u. a. auch auf ihre Vernehmung.
Die belangte Behörde ordnete (am 9. August 1994) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 1994 und die Ladung der Beschwerdeführerin zu dieser Verhandlung zu Handen des Rechtsanwaltes (Dr. S) an. Der für die Beschwerdeführerin bestimmte Ladungsbescheid wurde dem Rechtsanwalt Dr. S am 8. November 1994 zugestellt.
Am 24. November 1994 langte der genannte Ladungsbescheid im Original gemeinsam mit einem Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. S bei der belangten Behörde ein. Dieses mit 22. November 1994 datierte Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"In vorbezeichneter Angelegenheit wurde mir der Ladungsbescheid zugestellt.
Ich darf jedoch darauf hinweisen, daß das zu Frau C (erkennbar gemeint: W) R bestandene Vollmachtsverhältnis aufgekündigt wurde und ich dies mit Schriftsatz vom 15.12.1993 in allen anhängigen Verfahren bekanntgegeben habe.
Ich darf daher festhalten, daß in der vorgenannten Angelegenheit kein aufrechtes Vollmachtsverhältnis mehr besteht und darf Ihnen in der Anlage die mir zugestellte Ladung retournieren."
Die belangte Behörde führte in weiterer Folge am 15. Dezember 1994 die mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin durch, wobei in dieser Verhandlung die Verlesung des Akteninhaltes und von Zeugeneinvernahmen aus einem anderen bei der belangten Behörde anhängig gewesenen Verfahren, die Einvernahme der Zeugen MB und WK sowie die mündliche Verkündung des Berufungsbescheides erfolgten.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 1995 wurde der Berufung "keine Folge gegeben" und das angefochtene Straferkenntnis (offenbar gemeint: im Umfang des Schuldausspruches) mit der Maßgabe bestätigt, daß die verletzten Rechtsvorschriften § 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG und § 9 Abs. 1 VStG zu lauten haben. Im Straf- und Kostenausspruch wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis jedoch dahingehend abgeändert, daß gemäß dem dritten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG vier Geldstrafen von je S 30.000,-- (vier Ersatzfreiheitsstrafen je zehn Tage) und ein auf S 12.000,-- verminderter Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verhängt wurden.
Zur Begründung der Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, der Ladungsbescheid sei der Beschwerdeführerin zu Handen ihres ausgewiesenen Rechtsvertreters (Dr. S) nachweislich zugestellt worden. Die mit dem Schriftsatz vom 22. November 1994 mitgeteilte Aufkündigung des Vollmachtsverhältnisses "in allen anhängigen Verfahren, angeblich mit Schriftsatz vom 15. Dezember 1993", sei zum gegenständlichen Verfahren nicht eingelangt. Die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter seien zur mündlichen Berufungsverhandlung unentschuldigt nicht erschienen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen. In dieser Gegenschrift wurde unter anderem vorgebracht, die belangte Behörde habe davon auszugehen gehabt, daß der bisherige Rechtsvertreter in Erfüllung seiner auch nach der Vollmachtskündigung noch bestehenden Pflichten der Beschwerdeführerin den Ladungstermin mitgeteilt habe. Zur Wirksamkeit des Widerrufs einer Vollmacht gehöre auch, daß dies der Behörde mitgeteilt werde. Die Behauptung des bisherigen Rechtsvertreters, daß die Aufkündigung des Vollmachtsverhältnisses in allen anhängigen Verfahren bekanntgegeben worden sei, habe der Aktenlage widersprochen, da ein solches Schreiben vom 15. Dezember 1993 nicht aktenkundig sei. Die Beschwerdeführerin habe offenbar bei ihrer Mitteilung der Vollmachtskündigung, falls eine solche erfolgt sei, sich einer unklaren Ausdrucksweise bedient und nicht klargestellt, auf welche konkreten Verfahren sie sich beziehe. Die hieraus resultierenden nachteiligen Folgen müsse sich die Beschwerdeführerin zurechnen lassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf "Nichtbestrafung mangels Begehung einer Verwaltungsübertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, auf Abhaltung eines gesetzmäßigen Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, insbesondere in ihrem Recht auf Parteiengehör, auf Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes zur Bescheiderlassung sowie allenfalls in ihrem Recht auf schuld- und tatbestandsangemessene Strafausmessung" verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, die belangte Behörde habe es bewußt in Kauf genommen, das Beweisverfahren ohne ihre Anhörung und Mitwirkung durchzuführen. Zu einer ordnungsgemäßen Ladung gehöre (auch) die Einhaltung des § 19 AVG. Im vorliegenden Fall sei die Ladung (vom früheren Vertreter der Beschwerdeführerin) jedoch zurückgestellt worden. Dies sei aber umso bedenklicher, als sie auch im erstinstanzlichen Verfahren nicht einvernommen worden sei. Da nach der Aktenlage erkennbar gewesen sei, daß ihr der Ladungsbescheid nicht zugekommen sei, wäre die belangte Behörde daher verpflichtet gewesen, die Ladung neuerlich zu ihren Handen zuzustellen. Die belangte Behörde habe es daher bewußt in Kauf genommen, daß sie ihre (im einzelnen dargelegten) Verteidigungsrechte nicht habe ausüben können.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden. § 51e Abs. 2 und Abs. 3 VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 regeln jene Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung entfallen kann.
Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert es weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist.
Im Beschwerdefall ist zunächst unbestritten, daß eine Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bestanden hat, zumal ein Ausnahmefall, der den Entfall dieser Verhandlung zugelassen hätte, nicht vorgelegen ist.
Ob die Zustellung des (für die Beschwerdeführerin bestimmten) Ladungsbescheides vom 17. Oktober 1994 an den Rechtsanwalt Dr. S Rechtswirkungen für die Beschwerdeführerin zeitigte und diese demnach ordnungsgemäß geladen wurde (§ 51f Abs. 2 VStG), hängt von der Untersuchung des Vollmachtsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und dem genannten Rechtsanwalt ab.
Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich gemäß § 10 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (vgl. §§ 1002 ff ABGB) zu beurteilen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, wird die Kündigung der Vollmacht eines Parteienvertreters der Behörde gegenüber, bei welcher der Vertreter eingeschritten ist, erst wirksam, wenn sie ihr mitgeteilt wird (vgl. die hg. Beschlüsse vom 6. April 1951, Slg. N.F. Nr. 2027/A, und vom 29. Juni 1994, Zl. 94/03/0098, sowie das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1993, Zl. 93/09/0398).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde (erkennbar) die Auffassung vertreten, die Vollmachtskündigung mit dem Schriftsatz vom 15. Dezember 1993 habe das Vollmachtsverhältnis (gegenüber der Behörde) nicht zum Erlöschen gebracht, weil der genannte Schriftsatz nicht zum gegenständlichen Verfahren eingelangt sei. In ihrer Gegenschrift hat die belangte Behörde die Tatsache, daß mit dem Schriftsatz vom 15. Dezember 1993 die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses "in allen anhängigen Verfahren" erfolgte, zwar nicht bezweifelt, sich aber darauf berufen, daß ein solches Schreiben im gegenständlichen Verfahren nicht aktenkundig sei.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist zudem aus zwischen denselben Parteien des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens früher anhängig gewesenen Beschwerdeverfahren (zu Zl. 94/09/0186 und zu Zl. 94/09/0168) bekannt geworden, daß der in Rede stehende Schriftsatz über die Vollmachtskündigung beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (belangte Behörde) am 21. Dezember 1993 eingelangt ist.
Aufgrund dieser (unbestrittenen und amtsbekannten) Tatsache, daß die Vollmachtskündigung dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (belangte Behörde) im Dezember 1993 mitgeteilt wurde, kann der Auffassung der belangten Behörde nicht gefolgt werden, daß diese Mitteilung deshalb unwirksam wäre, weil der Schriftsatz "zum gegenständlichen Verfahren nicht eingelangt ist". Für die Wirksamkeit der Vollmachtskündigung hat nämlich das (unbestrittenermaßen erfolgte) Einlangen bei der Behörde (hier: Unabhängiger Verwaltungssenat Wien) genügt. Daß die (zusätzliche) Anführung der einzelnen (bei der belangten Behörde) anhängigen Verfahren ratsam oder nützlich gewesen wäre, sei zugestanden, vermag aber an der Wirksamkeit der Vollmachtskündigung "in allen anhängigen Verfahren" der Beschwerdeführerin nichts zu ändern. Die (als ein nur behördeninterner Vorgang zu betrachtende) Behandlung und Zuordnung dieser Mitteilung der Vollmachtskündigung "in allen anhängigen Verfahren" der Beschwerdeführerin oblag der (belangten) Behörde.
Die Vollmachtskündigung mit dem Schriftsatz vom 15. Dezember 1993 war daher der belangten Behörde gegenüber (auch) in dem der vorliegenden Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren wirksam.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß die an den Rechtsanwalt Dr. S vorgenommene Zustellung des (für die Beschwerdeführerin bestimmten) Ladungsbescheides vom 17. Oktober 1994 unwirksam und solcherart der Beschwerdeführerin nicht zuzurechnen war.
Der Beschwerdeführerin kann bei dieser Sachlage aber nicht vorgeworfen werden, sie sei der Verhandlung am 15. Dezember 1994 UNENTSCHULDIGT fern geblieben. Die belangte Behörde war somit nicht berechtigt, im Beschwerdefall nach § 51f Abs. 2 VStG vorzugehen.
Dieser Verfahrensmangel, der für die Beschwerdeführerin den Verlust ihrer in der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Verteidigungsrechte bewirkte bzw. eine Mitwirkung der Beschwerdeführerin an der Sachaufklärung (insbesondere die für ihren Standpunkt sprechenden Fakten vorzubringen und zu Beweisergebnissen Stellung zu nehmen) hinderte, kann im Hinblick auf das Vorliegen strittiger Tatfragen jedenfalls nicht als unwesentlich qualifiziert werden, da die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften (insbesondere §§ 51e, 51f, 51i VStG) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war sohin schon aus den dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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