Normen
ABGB §947;
AnfO;
B-VG Art7 Abs1;
SHG Wr 1973 §26 Abs1 Z2 idF 1993/050;
SHGNov Wr 05te 1993 Art2;
VwRallg;
ABGB §947;
AnfO;
B-VG Art7 Abs1;
SHG Wr 1973 §26 Abs1 Z2 idF 1993/050;
SHGNov Wr 05te 1993 Art2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Verlassenschaft nach F Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 14. Dezember 1994 trug der Magistrat der Stadt Wien, MA 47, F gemäß §§ 8, 11, 15 und 26 Abs. 1 Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) auf, dem Land Wien als Sozialhilfeträger die für ihren Aufenthalt in einem Pflegeheim der Caritas in der Zeit vom 4. Oktober 1991 bis 30. Juni 1994 aufgewendeten Kosten in der Höhe von S 876.828,25 zu ersetzen (wozu F schon mit einem nach Erhebung der Vorstellung außer Kraft getretenen Mandatsbescheid vom 12. Juli 1994 verpflichtet worden war). Begründend wurde, abgesehen von einer Aufschlüsselung des Ersatzbetrages, im wesentlichen ausgeführt, F habe mit Schenkungsvertrag vom 29. Mai 1991 ihren Hälfteanteil an einer Liegenschaft in das Eigentum ihrer Tochter übertragen. Laut "Schätzungsgutachten" der Magistratsabteilung 40 repräsentiere die Liegenschaftshälfte einen Verkehrswert von mehr als 1 Million Schilling und die einverleibten Pfandrechte seien mit 30. September 1994 "als getilgt anzusehen", weshalb die Ersatzforderung im Verkehrswert der Liegenschaftshälfte volle Deckung finde. Gemäß § 26 Abs. 1 WSHG sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von F gegen den Bescheid vom 14. Dezember 1994 erhobene Berufung ab.
Gegen diesen Bescheid erhob F am 5. Mai 1995 die vorliegende Beschwerde.
Am 11. Juli 1995 verstarb F. Der Beschwerdevertreter erklärte mit Schriftsatz vom 8. Jänner 1996, daß und weshalb das Interesse an einer Entscheidung über die Beschwerde nach wie vor bestehe.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg wird auf das Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0117, verwiesen, in dem sich der Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Ersatzes von Sozialhilfeaufwand für die Zeit vom 29. Dezember 1989 bis 4. Oktober 1991 (und auf der Grundlage des WSHG in der Fassung vor der 5. Novelle, LGBl. für Wien Nr. 50/1993) bereits mit den Auswirkungen des früheren Liegenschaftseigentums von F und der von der belangten Behörde damals als nichtig angesehenen Schenkung auseinanderzusetzen hatte.
Der nunmehr angefochtene Bescheid beruht nicht auf der Annahme, der Schenkungsvertrag vom 29. Mai 1991 sei nichtig gewesen und der Liegenschaftsanteil weiterhin im Vermögen von F gestanden. Die Entscheidung stützt sich vielmehr auf die am 23. September 1993 in Kraft getretene Neufassung des § 26 Abs. 1 WSHG, nach dessen Z. 2 der Empfänger der Hilfe zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten nun auch verpflichtet ist, "wenn er innerhalb der letzten drei Jahre vor der Zeit der Hilfeleistung, weiters während der Hilfeleistung oder innerhalb von drei Jahren nach ihrer Beendigung durch Rechtshandlungen oder diesbezüglich wirksame Unterlassungen, wie etwa die Unterlassung des Antrittes einer Erbschaft, die Mittellosigkeit selbst verursacht hat". Diese Voraussetzung erachtet die belangte Behörde dadurch, daß F mit Vertrag vom 29. Mai 1991 ihre Liegenschaftshälfte an ihre Tochter verschenkte, als erfüllt.
§ 26 Abs. 1 Z. 2 WSHG in der von der belangten Behörde angewendeten Fassung wurde als Teil der 5. Novelle zum WSHG, LGBl. für Wien Nr. 50/1993, am 22. September 1993 kundgemacht. Gemäß Art. II der Novelle trat diese mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Die Anordnung einer Rückwirkung iS einer Anwendung von Regelungsinhalten der Novelle auf Sachverhalte, die schon vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht wurden, enthält die Novelle nicht. In seiner Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle enthielt § 26 WSHG keinen der jetzigen Z. 2 des ersten Absatzes entsprechenden Ersatztatbestand.
Eine Bestimmung, mit der Personen OHNE "hinreichendes Einkommen oder Vermögen" zu Ersatzleistungen verpflichtet werden, wenn sie "die Mittellosigkeit selbst verursacht" haben, findet ihre sachliche Rechtfertigung nur in der Anknüpfung an das Verhalten, von dem der Gesetzgeber meint, daß es eine derartige - auch die Möglichkeit des Zugriffs auf künftiges Einkommen und Vermögen perpetuierende - Rechtsfolge zumutbar macht, und dessen Verhinderung die Vorschrift dient. Die Auferlegung der Ersatzpflicht wird dadurch zwar nicht zur Strafe im technischen Sinn, trägt aber doch Sanktionscharakter und verfolgt einen verhaltenssteuernden Zweck, der in bezug auf "Rechtshandlungen oder ... Unterlassungen" in der Vergangenheit nicht mehr erreicht werden kann. Dem Gesetzgeber kann daher nicht unterstellt werden, er knüpfe in § 26 Abs. 1 Z. 2 WSHG auch an Rechtshandlungen und Unterlassungen an, die schon vor dem Inkrafttreten dieser Regelung gesetzt wurden (vgl. das Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 95/08/0172, einen Zuschlag zu zurückzuforderndem Karenzurlaubsgeld betreffend; allgemein zu den Kriterien für die Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs von Verwaltungsvorschriften die zusammenfassende Darstellung der Judikatur in dem Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177).
Da im vorliegenden Fall der Schenkungsvertrag, durch den F ihre "Mittellosigkeit selbst verursacht" haben soll, schon 1991 abgeschlossen und durchgeführt wurde, läßt sich auf diese "Rechtshandlung" kein Ersatzanspruch gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 WSHG idF der am 23. September 1993 in Kraft getretenen
5. Novelle gründen.
Die belangte Behörde hat im Spruch ihrer Entscheidung zwar "§ 26 Abs. 1" WSHG (ohne Anführung einer Ziffer) zitiert, den Ersatzanspruch in der Bescheidbegründung aber darauf gestützt, daß F ihre Mittellosigkeit selbst verursacht habe. Der zusätzliche Hinweis, ihr stünde der Zinsenanspruch nach § 947 ABGB (vgl. dazu das Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/08/0190) zur Verfügung, "um die Rückersatzforderung zumindest teilweise zahlen zu können", und dem Land Wien als Sozialhilfeträger "und Rückersatzberechtigtem" stehe "die Möglichkeit offen, gemäß der Bestimmungen der Anfechtungsordnung die Schenkung anzufechten", setzen den Ersatzanspruch schon voraus und können nicht als (unzureichender) Versuch seiner hilfsweisen Ableitung aus § 26 Abs. 1 Z. 1 WSHG verstanden werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz in der verzeichneten Höhe gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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