Normen
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer - ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation" - wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 16. Juli 1985 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt. Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1995 wurde jedoch in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Oktober 1993 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt, daß hinsichtlich des Beschwerdeführers der in Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei.
Mehrere Zeugen, die um vertrauliche Behandlung ersucht hätten, weil sie sich vor "Repressalien" des Beschwerdeführers fürchteten, hätten angegeben, daß sich der Beschwerdeführer in den Jahren 1992 und 1993 mehrmals im Kosovo (das ist die nähere Heimat des Beschwerdeführers) aufgehalten und von den dortigen Behörden Dokumente besorgt habe. Bei der Besorgung dieser Dokumente (eines nationalen und eines internationalen Führerscheines) sei ihm sein bei der Polizei in P tätiger Schwager behilflich gewesen. Angesichts des bisherigen gewalttätigen Verhaltens des Beschwerdeführers, der wegen schwerer Nötigung und gefährlicher Drohung vorbestraft sei und sich nunmehr wieder wegen Verdachtes der Nötigung in Untersuchungshaft befinde, sei von einer "Gegenüberstellung" mit den Zeugen Abstand genommen worden. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit gehabt, zum Vorwurf, er sei in seine Heimat zurückgekehrt, Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde erachte seine Aussage im Rahmen der freien Beweiswürdigung als nicht glaubwürdig.
Der Beschwerdeführer habe sich somit mehrmals in sein Heimatland begeben und sogar den Kontakt zu dortigen Behörden gesucht. Der Tatbestand der Unterschutzstellung sei somit erfüllt, wobei es dafür auf die Kontaktaufnahme mit den Heimatbehörden gar nicht ankomme.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Rückreise in den Heimatstaat erfülle den Tatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, wendet, ist ihm die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach auch die Rückkehr in den "Verfolgerstaat" den Tatbestand einer "Unterschutzstellung" im Sinne der genannten Norm erfüllt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/01/0912).
Die Erstbehörde hat die Feststellung, der Beschwerdeführer sei (mehrmals) in den Kosovo zurückgereist, auf die Aussage der Zeugin N gestützt, welche aussagte, im Juli 1993 Zeuge eines Gespräches gewesen zu sein, in dessen Verlauf die Freundin ihres Bruders angegeben habe, der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit einem weiteren Landsmann im Kosovo gewesen.
Soweit die belangte Behörde, die kein (weiteres) Ermittlungsverfahren durchführte, die Feststellung der mehrmaligen Rückreise des Beschwerdeführers in den Kosovo auf die Aussage "mehrerer Zeugen, die um vertrauliche Behandlung ersucht haben", stützte, hat sie dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör eingeräumt. Das Parteiengehör wurde dem Beschwerdeführer (von der Erstbehörde) lediglich zur Aussage der Zeugin N eingeräumt. Da diese Zeugin lediglich im Zuge eines Gespräches dritter Personen erfahren hat, daß sich der Beschwerdeführer im Kosovo befunden haben soll, ist ihre Aussage für sich allein nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, die gegenteilige Aussage des Beschwerdeführers - ohne Heranziehung weiterer Indizien - in schlüssiger Weise zu widerlegen.
Soweit die belangte Behörde - ebenso wie die Erstbehörde - die Feststellung der Rückreise des Beschwerdeführers in den Kosovo auf die Innehabung der dort ausgestellten Führerscheine stützte, wurde dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren Parteiengehör eingeräumt. Er führte in seiner Stellungnahme dazu aus, die Führerscheine seien ihm von seinem bei der Polizeidirektion in P als Oberinspektor tätigen (namentlich genannten) Schwager zugesandt worden. Zum Beweis dafür berief er sich auf die Vernehmung dieses Schwagers. Die belangte Behörde hat - ebenso wie die Erstbehörde - diesem Vorbringen keinen Glauben geschenkt, ohne den beantragten Beweis aufzunehmen.
Da die beantragte Zeugenvernehmung objektiv geeignet ist, einen Beweis für das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe die Führerscheine zugesandt erhalten, zu liefern, hätte die belangte Behörde die - negative - Beurteilung der Beweiskraft dieses Beweismittels erst nach dessen Aufnahme durchführen dürfen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 310, E 72 ff zu § 45 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich der vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeuge im Ausland befindet. Die Behörde hätte zumindest den Versuch unternehmen müssen, mit dem Zeugen in Verbindung zu treten, wobei zur möglichen Vorgangsweise in derartigen Fällen insbesondere auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091, Slg. 13.451/A, verwiesen wird.
Die von der belangten Behörde im Nachhang zu den Verwaltungsakten vorgelegte Niederschrift über die (weitere) Vernehmung der Zeugin N am 20. Jänner 1997 sowie die von der Zeugin bei dieser Gelegenheit vorgelegten Photos konnten nicht berücksichtigt werden, weil der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides abzustellen hat.
Da diese aufgezeigten Verfahrensmängel bereits im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren aufgetreten sind, kann unerörtert bleiben, ob die Bestimmung des § 20 Asylgesetz 1991 auch auf Verfahren nach § 5 Abs. 1 leg. cit. anwendbar ist.
Die belangte Behörde hat - anders als die Erstbehörde - die Feststellung über die Rückreise des Beschwerdeführers in seine Heimat nicht auch darauf gestützt, daß sich dieser in den Jahren 1992 und 1993 jeweils einen Ersatz-Reisepaß von der Vertretungsbehörde der "Bundesrepublik Jugoslawien" habe ausstellen lassen. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.
Unabhängig vom Vorliegen der aufgezeigten Mängel wäre der Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet, wenn der Tatbestand der "Unterschutzstellung" bereits durch die - vom Beschwerdeführer nicht bestrittene - Ausstellung von Führerscheinen durch die Behörden seines Heimatstaates - auch bei Übersendung der Dokumente nach Österreich - erfüllt wäre. Dies ist jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Fall. Anders als die Ausstellung eines Reisepasses (vgl. dazu aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/19/0032, m. w.N.) stellt nämlich die Ausstellung eines Führerscheines keine Schutzgewährung durch den Heimatstaat dar. Die Ausstellung eines Führerscheines kommt nicht grundsätzlich nur an eigene Staatsbürger in Betracht. Sie hat den Zweck, die Berechtigung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges zu dokumentieren. Der einen Führerschein ausstellende Staat übernimmt damit keine Schutzgewährung, insbesondere keine Verpflichtungen gegenüber den vom Inhaber dieses Dokuments bereisten Staaten.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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