VwGH 95/01/0072

VwGH95/01/00726.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Z in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Februar 1995, Zl. Stb-35.883/5-1995/Sch, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Februar 1995 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 21. Oktober 1993 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (unter gleichzeitiger Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau und seine fünf minderjährigen Kinder) "gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 in Vb. mit § 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 i.d.F. BGBl. Nr. 505/1994" (in der Folge: StbG) abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 26. Juli 1993 wegen Vergehens der Körperverletzung, begangen an seiner Tochter A dadurch, daß er sie (der Aktenlage nach am 8. Juni 1993) durch Schläge mit einem Holzstück, welche eine Schädelprellung, eine Rißquetschwunde am Scheitelbein sowie Prellungen am linken Ellbogen und an der rechten Hand zur Folge gehabt hätten, vorsätzlich am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt habe, nach § 83 Abs. 2 StGB zu einer bestimmten Geldstrafe verurteilt worden sei. In der "zum vorgenannten Strafverfahren" vom Gendarmerieposten Sierning aufgenommenen Niederschrift vom 9. Juni 1993 habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er zu solchen Strafmaßnahmen auf Grund seines Glaubens (als Moslem) verpflichtet sei und auch in Zukunft derartige Handlungen setzen würde.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß die Ablehnung des Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer sowohl im § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG als auch im § 11 StbG begründet sei. So setze die bejahende Einstellung zur Republik Österreich zweifellos die Beachtung so grundlegender Rechtsnormen, wie sie die strafrechtlichen Bestimmungen zum Schutze der körperlichen Integrität seien, voraus. Die Mißhandlung eines Minderjährigen, wie sie vom Beschwerdeführer gesetzt und für die er rechtskräftig verurteilt worden sei, stelle ein Verhalten dar, das sich in eklatanter Weise gegen die durch die österreichische Rechtsordnung geschützten Werte richte, weshalb die bejahende Einstellung des Beschwerdeführers zur Republik Österreich zu verneinen sei. Aber auch aus der Sicht des allgemeinen Wohles und des öffentlichen Interesses sei die Haltung des Beschwerdeführers zu verurteilen, zumal ein öffentliches Interesse an der prinzipiellen Wahrung des Grundsatzes körperlicher Unversehrtheit als gegeben anzusehen sei. Die Verletzung eines Minderjährigen, auch in Ausübung eines vermeintlich in strenger Gläubigkeit begründeten Züchtigungsrechtes, sei in keiner Weise vertretbar. Da das bisherige Verhalten und Charakterbild des Beschwerdeführers keine Gewähr dafür biete, daß er sich in Zukunft in die österreichische Rechtsordnung einfüge, erfülle er "die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 i.Vb. mit § 11 StbG" nicht. Der Beschwerdeführer sei am 25. November 1994 nachweislich von der belangten Behörde vom obigen Sachverhalt in Kenntnis gesetzt und ihm gemäß § 45 Abs. 3 AVG die Möglichkeit eingeräumt worden, dazu Stellung zu nehmen. Dazu habe er niederschriftlich erklärt, daß die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei und er daher seinen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft weiterhin aufrecht erhalte. Der Beschwerdeführer habe durch diese Aussage die Vorhaltungen, daß er "die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG" nicht erfülle, nicht entkräften können; im Gegenteil beweise er dadurch, daß er trotz des langjährigen Wohnsitzes in Österreich (der Aktenlage nach seit 1973) nicht bereit sei, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Beide Kriterien sind auf Grund des Gesamtverhaltens des Bewerbers und nicht bloß eines bestimmten Verhaltens zu beurteilen, aus dem in die Zukunft reichende Schlußfolgerungen gezogen werden können. Die in der genannten Bestimmung geforderte positive Einstellung zur Republik Österreich bezieht sich auf die politische Gesinnung des Bewerbers und soll insbesondere gewährleisten, daß nicht Personen mit antidemokratischer Einstellung in den österreichischen Staatsverband aufgenommen werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann somit nur bejaht werden, wenn vom Gesamtverhalten des Bewerbers her auf keine grundsätzlich negative Einstellung zur Republik Österreich bzw. zu deren grundlegenden Institutionen geschlossen werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, Zl. 93/01/0852, und die dort angeführte Judikatur). Die belangte Behörde ist - ob zu Recht oder zu Unrecht, kann dahingestellt bleiben - nicht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines (von ihr gar nicht geprüften) Gesamtverhaltens keine Gewähr dafür biete, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle (vgl. hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzung u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/1339, mit weiteren Judikaturhinweisen), und sie betont in der Gegenschrift in Erwiderung auf das Beschwerdevorbringen ausdrücklich, daß sie "keinerlei Abwägungen über das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers, sondern lediglich Feststellungen getroffen hat, die sich aus dem ihr zur Beurteilung vorliegenden Sachverhalt ableiten lassen". Die bloße Annahme, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei, beruht aber mangels Feststellung eines entsprechenden Sachverhaltes im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage auf einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde.

Die belangte Behörde ist auch insofern einem Rechtsirrtum unterlegen, als sie zwar das Vorliegen einer der zwingenden Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG verneint, dessenungeachtet aber auch eine Ermessensentscheidung gemäß § 11 leg. cit. - obwohl eine solche demnach nicht mehr in Betracht gekommen wäre (vgl. außer dem bereits zitierten Erkenntnis zur Zl. 93/01/1339 beispielsweise noch jenes vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1012) - getroffen hat. Dadurch wurde der Beschwerdeführer noch nicht in seinen Rechten verletzt, weil bei richtiger rechtlicher Beurteilung auf dem Boden der Begründung des angefochtenen Bescheides - wie gesagt - der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer kein Verleihungshindernis entgegensteht und die Abweisung seines Verleihungsansuchens dann, wenn die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten (und nunmehr auch auszuübenden) Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hätte (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1994, Zl. 93/01/0615, und vom 21. September 1994, Zl. 93/01/1530), ebenfalls gerechtfertigt gewesen wäre. Allerdings war die von der belangten Behörde vorzunehmende Ermessensübung - ohne daß darauf näher eingegangen werden müßte - jedenfalls unzureichend, weil sie sich hiebei gemäß § 11 StbG auch von Rücksichten auf das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen hatte und darauf Bedacht nehmende Erwägungen seitens der belangten Behörde in ihre Entscheidung überhaupt nicht eingeflossen sind, sodaß diesbezüglich dem Verwaltungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG nicht möglich erscheint.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß noch eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen (mit dem eine Verletzung des § 39 a AVG geltend gemacht wird) erforderlich gewesen wäre.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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