VwGH 94/19/0932

VwGH94/19/093227.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des W in N, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. November 1992, Zl. 4.338.905/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein südafrikanischer Staatsangehöriger, reiste am 24. Jänner 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27. Jänner 1992, ihm Asyl zu gewähren. Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 31. März 1992 gab er im wesentlichen folgendes an:

Er gehöre seit 1989 der Organisation ANC (African National Congress) an, welche Nelson Mandela unterstütze. Sein Vater sei Chef einer Druckerei gewesen und er habe diesem geholfen. Sie hätten zusammen die Zeitung "Weekly Mirror" herausgegeben. Vor der Ersten-Maifeier hätten sie Plakate herausgebracht, die überall ausgehängt worden seien und die sie gegen die Inkathapartei gerichtet hätten. Als sich die Gruppe um den Beschwerdeführer getroffen habe, seien Angehörige der Inkatha dazwischengetreten und es sei zu einer Straßenschlacht gekommen. Bei dieser Ausschreitung sei auch die Polizei gekommen, die in die Menge geschossen habe, wobei auch sein Vater getötet worden sei. Er sei in die Druckerei geflüchtet und habe die restlichen Transparente und Plakate verbrannt. Anschließend habe er sich in seine Wohnung begeben. Am 2. Mai sei die Polizei gekommen und habe ihn dort verhaftet. Er sei für eineinhalb Jahre ins Gefängnis in Cape Town gekommen. Er habe sich dann krank gestellt und sei ins Spital überstellt worden, von wo er mit Hilfe eines Bekannten geflüchtet sei. Da man ihm vorwerfe, daß er gegen die Regierung agieren würde, sei er ins Gefängnis gekommen. Würde er zurückkehren, würde er auch wieder eingesperrt werden.

Noch vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides brachte eine Gruppe Asylwerber, unter ihnen auch der Beschwerdeführer, bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich folgende Eingabe ein:

"Wir möchten festhalten, daß den am 31. März 1992 und 4. April 1992 vernommenen oben angeführten Flüchtlingen, nach Beendigung der Vernehmung nicht wie gemäß § 11 des Asylgesetzes vorgesehen, das Protokoll nochmals in ihre Landessprache übersetzt wurde; nach übereinstimmender Aussage wurde ihnen sogar diese Übersetzung auch auf ihre Bitte hin verweigert, mit dem Hinweis, dies werde immer so gehandhabt und man möge den Beamten vertrauen. Wir sind der Meinung, daß jedem Asylwerber das Recht zusteht, ein Dokument, von dessen Genauigkeit vielleicht sein weiteres Asylverfahren abhängt, wie dies ja auch im Gesetz vorgesehen ist, in seine Landessprache übersetzt zu bekommen, bevor er dieses unterzeichnet. Wir ersuchen Sie daher, die Tatsache, daß dies in den Fällen der oben genannten Asylwerber unterlassen wurde, in Form eines Aktenvermerkes festzuhalten."

Obwohl diese Anschuldigung von dem vernehmenden Beamten und der Dolmetscherin als "absurd" bezeichnet und mit Vehemenz zurückgewiesen wurde, wurde vom Beschwerdeführer am 11. April 1992 eine von ihm verfaßte "Korrektur" zu seiner Niederschrift angebracht, wonach er bei seiner Aussage nicht von einer "Straßenschlacht" gesprochen habe, sondern davon, daß Inkatha-Mitglieder auf das Gebäude, in dem das Treffen stattgefunden habe, Steine geworfen hätten, in das Haus eingedrungen seien und eine Rauferei begonnen hätten. Die Polizei sei gekommen, die Menschen seien aus dem Gebäude auf die Straße gelaufen und die Polizei habe in die Menge geschossen. Eine weitere Korrektur betraf die näheren Umstände seines Einreiseversuches in die BRD (Flughafen Frankfurt), wo die Angabe in der Niederschrift, er habe dort ein Papier unterschreiben müssen, falsch sei. Richtig sei vielmehr, daß man ihn hätte dazu bewegen wollen, er diese Unterschrift jedoch verweigert habe. Dieses Dokument habe nämlich besagt, daß er zur Kenntnis nehme, daß ihm die Einreise nach Deutschland verweigert würde. Es sei auch nicht protokolliert worden, daß man ihn angewiesen habe, das Gebäude im Flughafenbereich nicht zu verlassen, da seine Abschiebung vorbereitet worden sei. Weiters sei nicht richtig, daß er seine Reisetasche mit dem Paß im Flughafengebäude zurückgelassen habe, richtig sei vielmehr, daß ihm der Reisepaß am Flughafen von der vernehmenden Beamtin abgenommen worden sei.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die Ausfertigung des Bescheides samt dessen Begründung bestehe nur aus einem Formblatt, in das lediglich sein Name eingefügt worden sei. Die Entscheidungsgründe seien zur Gänze vorgefertigter Text und gingen in keiner Weise auf die Umstände des konkreten Falles ein. Damit habe die Behörde erster Instanz ihre Begründungspflicht verletzt, es handle sich hier nur um eine Scheinbegründung. Beweisführung und Tatsachenfeststellungen fehlten; es sei nicht einmal der Versuch unternommen worden, eine Begründung darzulegen, weswegen seinen Angaben kein Glauben geschenkt hätte werden können. Die Rückübersetzung der Niederschrift in englischer Sprache sei ihm verweigert worden. Er habe die in deutsch abgefaßte Niederschrift unterschreiben müssen ohne deren genauen Inhalt zu kennen.

Zu den von ihm geltend gemachten Fluchtgründen gab er im wesentlichen an, sein Problem habe am 30. April 1990 begonnen, als er ein Plakat für den 1. Mai gedruckt habe. Das Schlagwort auf dem Plakat gegen die Zulu-Inkatha und die SADF (South Africa Defense Forces) hätte friedlichen Zwecken gedient: "SADF soll aufhören, uns nach dem Leben zu trachten und Zulu-Inkatha soll aufhören, unschuldige Menschen zu töten". Darunter hätten sich auch Bilder von getöteten Kindern und von Angriffen auf Menschen befunden. Als die Gruppe um den Beschwerdeführer die Plakate abends angebracht hätte, sei sie verfolgt und es seien zwei von ihnen verhaftet worden. Trotzdem hätte das Treffen am 1. Mai in einem öffentlichen Gebäude begonnen. Es sei dann allerdings eine Gruppe von 100 Inkatha-Anhängern gekommen und habe Steine durch die Fenster geworfen, wodurch die Versammlung gezwungen gewesen sei, die Halle zu verlassen. Einige Mitglieder hätten sich selbst verteidigt, der Beschwerdeführer und einige Druckereiarbeiter seien entkommen und in die Druckerei gelaufen, wo die restlichen Plakate verbrannt worden seien. Erst in Österreich habe er erfahren, daß sich das Feuer ausgebreitet und zwei Druckereimaschinen vernichtet habe. Am darauffolgenden Morgen sei der Beschwerdeführer mit der Begründung verhaftet worden, an den Unruhen vom Vortag teilgenommen zu haben. Im Gefängnis sei er davon informiert worden, daß der Vater des Beschwerdeführers während des Tumultes von der Inkatha getötet worden sei. Die Gefängniswärter hätten auch immer wieder Gründe gefunden, ihn zu schlagen. Als zwei Männer zur Vernehmung geführt worden seien, sei nur mehr einer zurückgekommen. Es hätte keinen Kontakt zur Außenwelt, keinen Anwalt, keine Aussicht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren gegeben und er habe nicht gewußt, wie lange er eingesperrt bleiben würde. Er habe im Gefängnis auch keinen Arzt und keine Medikamente erhalten. Nach ca. 11 Monaten sei er krank geworden, im Dezember 1991 sei er deshalb in das weniger streng bewachte Gefängnisspital gekommen, von wo er am 15. Jänner 1992 entkommen sei. Die Zulu-Inkatha-Bewegung bekämpfe seit einigen Jahren den ANC mit heimlicher Unterstützung von Teilen der weißen Regierung, um zu verhindern, daß Nelson Mandela Präsident werde. Würde der Beschwerdeführer nach Südafrika zurückkehren, müßte er wieder in das Gefängnis oder habe den Tod zu erwarten, weil ihm Agitation gegen die Regierung vorgeworfen würde. Außerdem bekäme er kein ordentliches Gerichtsverfahren und müßte befürchten, von Todesschwadronen oder Inkatha-Anhängern ermordet zu werden, Gewalttaten, die von der weißen Regierung unterstützt würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Die belangte Behörde führte nach Wiedergabe der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers und seiner Berufungsausführungen sowie nach Darstellung der Rechtslage im wesentlichen aus, aus der Begründung des Bescheides erster Instanz gehe eindeutig hervor, daß die Behörde allein seine Angaben über die Fluchtgründe ihrem Bescheid zugrundegelegt habe, damit sei aber auch klar, auf welchen Tatsachen die rechtlichen Überlegungen der Behörde beruhten. Die gewiß knappe Begründung entspreche dennoch der Bestimmung des § 60 AVG.

Hinsichtlich des Vorwurfes, es sei die Rückübersetzung der Niederschrift in die englische Sprache verweigert worden, sei darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer selbst mit seiner Unterschrift bestätigt habe, daß er die Niederschrift in englischer Sprache zur Kenntnis genommen und nichts mehr hinzuzufügen hätte. Darüber hinaus habe er einen handschriftlichen Vermerk verfaßt, wonach er mit der Niederschrift einverstanden sei und auch im Augenblick nichts hinzuzufügen hätte. In Anbetracht dessen erscheine seine spätere Behauptung, die Niederschrift sei ihm nicht übersetzt worden und fehlerhaft, nicht glaubhaft.

Aus dem Berufungsvorbringen sowie den angeschlossenen Zeitungsberichten sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer bei dem von ihm beschriebenen Tumult am 1. Mai 1990 Plakate verbrannt habe und dadurch offensichtlich fahrlässig einen größeren Brand verursacht habe. Er habe sich damit einer, auch in anderen Ländern allgemein strafbaren Handlung verdächtig gemacht. Insoweit könne nicht gesagt werden, daß seine Verhaftung wegen seiner Mitgliedschaft zum ANC und seiner politischen Gesinnung erfolgt sei, dies umso weniger, als es ja auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen sei. Auch hier bestehe daher ein Verdacht einer allgemeinen strafbaren Handlung in Form einer allfälligen Teilnahme an gewalttätigen Ausschreitungen. Im Hinblick darauf, daß die Probleme des Beschwerdeführers offensichtlich erst mit den Vorfällen am 1. Mai 1992 () begonnen hätten, sei der Schluß naheliegend, daß seine Verhaftung am 2. Mai 1992 () wegen des Verdachtes einer allgemein strafbaren Handlung im Zusammenhang mit dem Tumult vom Vortag erfolgt sei, dies aber nicht im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 asylrechtlich relevant sein könne. Ebensowenig erscheine glaubhaft, daß er im Falle seiner Rückkehr eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung durch die Inkatha-Bewegung zu befürchten hätte. Immerhin sei er vor dem 1. Jänner 1990 derartigen Verfolgungen nicht ausgesetzt gewesen, es habe sich bei dem Angriff von Inkatha-Anhängern im Zusammenhang mit dem Treffen am 1. Mai nicht um eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Aktion gehandelt. Auch die Beschreibung der allgemeinen Situation in Südafrika, insbesondere der ANC-Anhänger, reiche zur Glaubhaftmachung eines Asylgrundes nicht aus, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Asylwerber zur Glaubhaftmachung der behaupteten Verfolgungshandlung konkrete gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft machen müsse. Im übrigen wäre auch der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben gewesen, da der Beschwerdeführer am 20. Jänner 1992 in Frankfurt eingereist und sich bis zu seiner Einreise nach Österreich am 24. Jänner 1992 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe. Er sei damit bereits in einem Staat gewesen, in dem er keiner Verfolgung mehr ausgesetzt gewesen sei und nicht hätte befürchten müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe wieder abgeschoben zu werden. Die Schilderung des Ablaufes der Ereignisse in Deutschland lasse entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht den Schluß zu, daß man ihn tatsächlich habe abschieben wollen, sonst wäre er wohl nicht vom Flughafen an einen Ort gebracht worden, den er dann anscheinend ohne größere Schwierigkeiten hätte verlassen können, sondern er wäre weiterhin am Frankfurter Flughafen festgehalten bzw. in Schubhaft genommen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Asylgesetz ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß die Voraussetzungen des Artikels 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 idF BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und das bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Artikel 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die belangte Behörde stellte sich nun im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des von ihr als glaubhaft angenommenen Sachverhaltes auf den Standpunkt, die Inhaftierung des Beschwerdeführers sei wegen des Verdachtes einer allgemein strafbaren Handlung im Zusammenhang mit den Tumulten am 1. Mai 1990 erfolgt, derartige Strafvorwürfe - auch wenn sie letztlich zu Unrecht erhoben worden seien, seien aber asylrechtlich nicht relevant. Die belangte Behörde übersieht dabei, daß der von ihr beschriebene Tumult zwischen Inkatha-Anhängern und der ANC-Gruppe, der sich der Beschwerdeführer angeschlossen hatte, bereits am 1. Mai 1990 stattgefunden hatte und daß der Beschwerdeführer - auch unter Zugrundelegung seiner in diesem Punkte offenkundig unvollständig gebliebenen Erstangaben - erst ÜBER EINEINHALB JAHRE SPÄTER, nämlich im Jänner 1992 durch Flucht aus der Haft entkam. Die von der belangten Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung wiedergegebenen diesbezüglichen Daten sind teils aktenwidrig, teils in sich widersprüchlich.

Darüber hinaus wäre die belangte Behörde im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz verhalten gewesen, die noch im erstinstanzlichen Verfahren sowie auch in der Berufung gerügte Mangelhaftigkeit der Protokollierung der Erstangaben des Beschwerdeführers einer Überprüfung zu unterziehen bzw. im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. In diesem Sinne hätte die belangte Behörde sich auch mit dem in der Berufung enthaltenen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen gehabt, während seiner langandauernden Haft weder Kontakt zur Außenwelt noch zu einem Rechtsanwalt noch eine Aussicht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren gehabt zu haben. Damit macht aber der Beschwerdeführer einen asylrechtlich relevanten Tatbestand geltend, der Anlaß für die belangte Behörde hätte sein müssen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Furcht, er werde wieder inhaftiert bzw. getötet werden, als begründet anzusehen ist.

Der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfolgungshandlungen seien nicht genügend konkret als gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen erkennbar gewesen, kann im Hinblick auf die von ihm behaupteten Gesamtumstände und seine lange Inhaftierung nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die behaupteten Verfolgungshandlungen konkret als individuell gegen den Asylwerber selbst gerichtet glaubhaft zu machen sind, doch kann bei Beurteilung der Frage einer Verfolgungsgefahr die allgemeine Lage im Heimatland des Asylwerbers sehr wohl auch Rückschlüsse auf seine konkrete Situation zulassen. Hierauf wäre von der belangten Behörde näher einzugehen gewesen.

Hilfsweise stützte die belangte Behörde die Nichtgewährung von Asyl auch auf den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 1991 mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei infolge seines Aufenthaltes vom 20. bis 24. Jänner 1992 in Frankfurt, BRD, in einem Drittstaat, nämlich der Bundesrepublik Deutschland, vor Verfolgung sicher gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a. hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0340) genügt für die Annahme der Verfolgungssicherheit, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte (vgl. RV 270, Blg. Nr. 18 GP zu § 2 Abs. 2 Z 3 Asylgesetz 1991). Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht darauf an, wie lange sich der Beschwerdeführer im "sicheren Drittstaat" aufgehalten hat, welche Absichten er dabei verfolgt hat und ob sein Aufenthalt den dortigen Behörden bekannt und von diesen geduldet war. Das Kriterium der Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 verlangt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht, daß dem Asylwerber in dem anderen Staat tatsächlich Asyl gewährt werde.

Voraussetzung für die Annahme einer Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat ist jedoch die tatsächlich erfolgte Einreise in diesen Drittstaat. Anläßlich seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer hiezu aber an, er sei einen Tag am Flughafen festgehalten worden, da er abgeschoben werden sollte. Man hätte ihn dann an einen anderen Ort gebracht, von wo er weggegangen und nach Österreich gekommen sei. In seiner Korrektur zu der mit ihm aufgenommenen Niederschrift rügte er auch das Fehlen des Satzes, das ihm zur Unterschrift vorgelegte Dokument hätte besagt, daß er zur Kenntnis nehme, daß ihm die Einreise nach Deutschland verweigert würde; weiters fehle auch der Satz, daß man ihn angewiesen hätte, das Gebäude im Flughafenbereich nicht zu verlassen, da seine Abschiebung vorbereitet werde. Dieses Vorbringen gehört jedoch - ebenso wie das Ergebnis der Erstbefragung - zu den "Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens erster Instanz" im Sinne des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991, sodaß die belangte Behörde das Fehlen der Auseinandersetzung mit dem Vorbringen, dem Beschwerdeführer sei bereits die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verweigert worden, als offenkundigen Verfahrensmangel hätte werten und eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens hätte anordnen müssen.

Da der Sachverhalt in den aufgezeigten entscheidungswesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

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