VwGH 94/18/0181

VwGH94/18/018129.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Oktober 1993, Zl. SD 490/93, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs3 impl;
AVG §45 Abs3 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. Oktober 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, vom 27. Jänner 1993 auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß gegen den Beschwerdeführer im Jahre 1986 im Grunde des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b des Fremdenpolizeigesetzes ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen worden sei. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe sich im wesentlichen darauf gegründet, daß der Beschwerdeführer neben einigen Übertretungen, darunter nach dem Fremdenpolizeigesetz, wegen Einbruchdiebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Monaten verurteilt worden war. Bei diesem Aufenthaltsverbot sei darauf Bedacht genommen worden, daß der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1979 in Österreich aufhältig sei und hier auch seine Ehegattin und seine Tochter lebten.

In den folgenden Jahren seien dem Beschwerdeführer (nach einer Verurteilung zu einer Zusatzstrafe wegen Hehlerei im Jahre 1987) Vollstreckungsaufschübe gewährt worden. Er sei in den Jahren 1988, 1989 und 1991 insgesamt sechsmal wegen unerlaubten Aufenthaltes nach dem Fremdenpolizeigesetz bestraft worden und halte sich seit dem Jahre 1990 unerlaubt in Österreich auf. Im Jahre 1989 sei er wegen Betruges und im Jahre 1991 wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verurteilt worden.

Die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien nicht weggefallen. Der Beschwerdeführer habe neuerlich strafbare Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, so etwa einen Betrug und eine Sachbeschädigung, als auch eine andere gerichtliche Straftat (Körperverletzung), aber auch eine ganze Anzahl von gleichartigen Übertretungen gegen das Fremdenpolizeigesetz begangen. Es seien dies Delikte, die auch nach den Bestimmungen des § 18 FrG die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllten. Das Aufenthaltsverbot sei außerdem auch schon seinerzeit unter Berücksichtigung der nunmehr zur Begründung des Antrages auf seine Aufhebung ins Treffen geführten familiären Situation und unter Bedachtnahme auf Art. 8 MRK erlassen worden. Selbst in Ansehung der §§ 19 und 20 FrG erscheine die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Schutz der Rechte Dritter, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes wögen schwerer als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab (Beschluß vom 28. Februar 1994, B 1766/93).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein relevanter Eingriff im Sinn des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1993, Zl. 93/18/0389).

Entscheidend ist, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben. Bei einer Entscheidung nach § 26 FrG ist auch auf die nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0004).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes erfolgten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen, meint aber, daß keine zwingenden Gründe für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes vorlägen. Er habe sich seit diesen Verurteilungen wieder wohlverhalten. Im Ergebnis liege ein positiver Gesinnungswandel vor, dies insbesondere deshalb, weil er tatsächlich einer geregelten Beschäftigung nachgehe. Daß er sechsmal wegen unerlaubten Aufenthaltes bestraft worden sei, zeige keinesfalls einen negativen Gesinnungswandel auf; vielmehr werde dadurch einzig und allein zum Ausdruck gebracht, daß er gewillt sei, sein Familien- und Privatleben weiter zu führen.

Dem kann nicht beigepflichtet werden. Es begegnet nämlich die Auffassung der belangten Behörde, daß die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, jedenfalls nicht weggefallen seien, keinem rechtlichen Einwand. Die belangte Behörde hat auch zutreffend erkannt, daß die den Verurteilungen im Jahre 1989 (Betrug) und im Jahre 1991 (Sachbeschädigung) zugrunde gelegenen Straftaten auf der gleichen schädlichen Neigung, nämlich der Mißachtung fremden Eigentums, beruhen wie die der Verurteilung wegen Einbruchsdiebstahles zugrundegelegenen. Diese rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen erfüllen somit den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG und die rechtskräftigen Bestrafungen wegen unerlaubten Aufenthaltes den der Z. 2 leg. cit.; diese Tatsachen rechtfertigen die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden maßgeblichen Interessen haben dadurch eine wesentliche Verstärkung erfahren.

Die belangte Behörde hat - ausgehend von der Annahme, es sei ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG zu bejahen - ausgesprochen, daß sie die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes für dringend geboten erachte. Dem kann deswegen nicht entgegengetreten werden, weil das Weiterbestehen des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig ist. In den erfolgten Verurteilungen wegen des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung, der Sachbeschädigung und des Betruges sowie den wiederholten Bestrafungen wegen des unerlaubten Aufenthaltes in Österreich zeigt sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes ist auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zu bejahen. Die private und familiäre Interessenlage des Beschwerdeführers hat sich entgegen der Auffassung der belangten Behörde allerdings insoweit zu seinen Gunsten geändert, als nunmehr zwei Kinder des Beschwerdeführers in Österreich leben. Die Beurteilung durch die belangte Behörde, daß die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht schwerer wögen als die dagegen sprechenden öffentlichen Interessen, begegnet dennoch keinen Bedenken. Durch die gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen des Beschwerdeführers seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes hat sich nämlich die Lage der maßgeblichen öffentlichen Interessen wesentlich zuungunsten des Beschwerdeführers geändert. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung kann daher nicht gesagt werden, daß die Auswirkungen der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Aufhebung dieser Maßnahme.

Die in der Beschwerde vertretene Meinung, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ihren Standpunkt dem Beschwerdeführer nachweislich vollständig zur Kenntnis zu bringen, entbehrt der Berechtigung: Gegenstand des Parteiengehörs kann nur der durch die Behörde als erwiesen angenommene Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Beurteilung sein (vgl. § 45 Abs. 3 AVG).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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