Normen
BAO §115 Abs2;
BAO §183 Abs4;
BAO §184 Abs1;
BAO §289 Abs2;
BAO §115 Abs2;
BAO §183 Abs4;
BAO §184 Abs1;
BAO §289 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der zuvor mit Haftungsbescheid des Finanzamtes als ehemaliger Geschäftsführer der im Spruch genannten Gesellschaft (in der Folge: GmbH) gemäß den §§ 9 und 80 BAO für die bei dieser noch aushaftende Umsatz- und Kapitalertragsteuer für das Jahr 1984 von zusammen S 2,210.104,-- zur Haftung herangezogene Beschwerdeführer erhob gemäß § 248 BAO auch gegen die Bescheide über die Abgabenansprüche Berufung.
Mit dem im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1984 war die Umsatzsteuer gegenüber der GmbH nach Abzug von Vorsteuern im Betrag von S 256.170,68 mit S 2,031.506,-- festgesetzt worden. Außerdem war die GmbH bescheidmäßig zur Haftung für eine Kapitalertragsteuer-Abfuhrdifferenz von S 286.825,-- herangezogen worden. Beide Bescheide waren im Anschluß an eine vorangegangene abgabenbehördliche Prüfung erlassen worden. In dem von der Prüferin hierüber erstatteten Bericht heißt es unter anderem, anläßlich einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Hausdurchsuchung seien diverse Unterlagen (Kassabuch und Kassabelege, Eingangsrechnungen über Anlagenzugänge und Bankbelege) beschlagnahmt worden. Ein Teil dieser Unterlagen seien Belege der GmbH. Da das Jahr 1984 betreffende Unterlagen auch über behördliche Aufforderung nicht vorgelegt worden seien, seien die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungsweg ermittelt worden. Der mit 10 % des Umsatzes geschätzte Reingewinn stelle zur Gänze eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Beschwerdeführer dar und unterliege mit 25 % der Kapitalertragsteuer.
Der Beschwerdeführer berief und stellte gegen die nur die Umsatzsteuer betreffende abweisliche Berufungsvorentscheidung den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise statt, indem sie die die GmbH betreffende Umsatzsteuer für das Jahr 1984 nach Abzug der Vorsteuer im Betrag von S 513.731,97 mit S 1,664.996,-- festsetzte und die Heranziehung der GmbH als für Kapitalertragsteuer Haftungspflichtige mit S 274.814,-- bestätigte. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, das (bei der abgabenbehördlichen Prüfung übersehene) Journal sei nur ein Teil der Buchhaltung der GmbH und daher nicht geeignet, "eine komplette Buchführung (d.s. Konten und Belegsammlung) zu ersetzen". Da ein Teil der anläßlich der Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer beschlagnahmten Unterlagen in Belegen der GmbH bestehe, könne davon ausgegangen werden, "daß es sich in diesem Zusammenhang um außerbetriebliche Geschäftsfälle" handle und daher auch entsprechende Um- und Nachbuchungen im Journal nicht enthalten seien; aus diesem Grund sei auch eine beantragte Zeugeneinvernahme nicht durchzuführen gewesen. Auf Grund der nachträglich vorgelegten und überprüften Journale für die Umsatzsteuervoranmeldungen ergäben sich laut Betriebsprüfungsermittlung Erlöse der GmbH im Streitjahr von S 9,993.249,16, die wegen nichtordnungsmäßiger Buchführung um einen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöht worden seien, woraus sich ein rechnerischer Erlös von S 10,992.574,-- ergebe. Der ursprünglich von der Prüferin anerkannte Vorsteuerbetrag von S 256.170,68 sei auf Grund nachgereichter und überprüfter Eingangsrechnungen um S 257.561,29 auf S 513.731,97 zu erhöhen gewesen. Die Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer stelle 10 % des genannten Erlöses von S 10,992.574,-- dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Da die belangte Behörde in ihrer ersten in der Beschwerdesache erstatteten Gegenschrift meinte, die Zustellung des angefochtenen Bescheides sei bereits am 13. Mai 1994 erfolgt, gelangte sie zu der Beurteilung, die Erhebung der Beschwerde am 27. Juni 1994 sei verspätet gewesen. Aus der vom Beschwerdeführer hiezu unter Anschluß einer eidesstättigen Erklärung seiner Ehegattin erstatteten Mitteilung geht jedoch hervor, daß er in der Zeit vom 11. bis 16. Mai 1994 von seiner Zustelladresse vorübergehend ortsabwesend war, weshalb die (rechtswirksame) Zustellung des angefochtenen Bescheides erst am 17. Mai 1994 erfolgt sei.
Da dieses Vorbringen glaubhaft erscheint, wurde die vorliegende Beschwerde rechtzeitig erhoben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer zweiten, nunmehr auf den Inhalt der Beschwerde eingehenden Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde bestreitet nicht die Berechtigung der belangten Behörde zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, sie behauptet aber Verfahrensmängel und bekämpft das Schätzungsergebnis als überhöht. Damit hat die Beschwerde aus folgenden Gründen recht:
Ist eine Schätzung grundsätzlich zulässig, so steht zwar nach ständiger Rechtsprechung die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im allgemeinen frei, doch muß das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt und es müssen die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig sein. Bei einer behördlichen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen handelt es sich nicht um eine Ermessensmaßnahme, sondern um einen Akt der Tatsachenfeststellung, wobei es das Ziel der Schätzung ist, mit ihrer Hilfe der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Die Schätzung soll der Ermittlung derjenigen Besteuerungsgrundlagen dienen, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages gehört an sich zu den Elementen der Schätzung, weil bei mangelhaften Aufschreibungen angenommen werden kann, daß nicht nur die nachgewiesenermaßen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch noch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Bei der Bemessung eines Sicherheitszuschlages, dessen Aufgabe es ist, das Risiko möglicher WEITERER Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen auszugleichen, sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 92/17/0030, m.w.N.). Eine - auch im Beschwerdefall angewandte - Schätzung mit Hilfe eines Sicherheitszuschlages ist eine Methode, die der korrigierenden Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen, von denen anzunehmen ist, daß sie zu niedrig ausgewiesen wurden, dient (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 93/14/0173).
Da die belangte Behörde im Beschwerdefall - anders als zuvor die Prüferin und das Finanzamt - erstmals das Journal der GmbH für das Jahr 1984 in ihre Beurteilung einbezog und eine von der Vorinstanz abweichende Schätzung vornahm, wäre sie vor ihrer Entscheidung verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zum geänderten Schätzungsergebnis Parteiengehör zu gewähren und relevante Beweise aufzunehmen; dies ist jedoch unterblieben. Schon deswegen liegt im Hinblick darauf, daß die Beschwerde durch den Hinweis auf ihre im Berufungsverfahren gestellten, von der belangten Behörde aber nicht berücksichtigten Beweisanträge auch die Relevanz des Mangels aufzeigt, ein wesentlicher Verfahrensfehler vor.
Darüber hinaus erscheint auch die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Begründung für die geschätzten Besteuerungsgrundlagen unschlüssig; dies deswegen, weil die belangte Behörde einerseits davon spricht, es handle sich bei den in der Buchhaltung der GmbH nicht erfaßten Geschäften um AUßERBETRIEBLICHE Geschäftsfälle, andererseits aber zumindest auch deswegen die sich aus der Buchhaltung ergebenden BETRIEBLICHEN Erlöse "mit einem Sicherheitszuschlag von 10 %" erhöhte. Dies ist deshalb widersprüchlich, weil die GmbH im Hinblick auf die wegen ihrer Rechtsform nach handelsrechtlichen Vorschriften gegebene Buchführungspflicht gemäß § 7 Abs. 3 KStG 1988 ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS des § 23 Z. 1 EStG 1988 - also betriebliche Einkünfte - erzielt(e), sodaß mit dem in Rede stehenden Begründungselement nur nicht der GmbH zurechenbare Geschäfte - offenbar Geschäfte des Beschwerdeführers selbst - gemeint sein können; darauf deutet auch der Umstand hin, daß im angefochtenen Bescheid ein Zusammenhang zwischen der Feststellung über das Vorliegen "außerbetrieblicher Geschäftsfälle" und der Beschlagnahme von Unterlagen anläßlich einer an der Adresse des Beschwerdeführers durchgeführten Hausdurchsuchung hergestellt ist. Nicht die GmbH betreffende Geschäftsfälle können aber nicht als Begründung für die Erhöhung von deren Umsätzen und Erfolgen herangezogen werden. Diese Unschlüssigkeit erstreckt sich auch auf die im angefochtenen Bescheid festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen, weil diese jedenfalls zur Voraussetzung hätten, daß die Sphäre der GmbH durch die Geschäfte berührt wurde, was bei der behördlichen Annahme ihres außerbetrieblichen Charakters aber nicht der Fall gewesen sein kann.
Auf Grund des Gesagten mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden; diese Entscheidung konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat getroffen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Umsatzsteuer ist in den pauschalierten Sätzen dieser Verordnung bereits berücksichtigt. Stempelgebührenersatz war nur hinsichtlich der zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.
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