VwGH 94/08/0160

VwGH94/08/01608.9.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Friedrich G. Mayer in 1020 Wien, vertreten gewesen durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 1. Juni 1994, Zl. 120.095/1-7/94, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien:

1. Goldix-Werke für Bekleidung Boecker OHG in 1050 Wien, vertreten durch Dr. Karl Schleinzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Führichgasse 6;

2. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Der als "Gegenschrift" bezeichnete Schriftsatz der Wiener Gebietskrankenkasse wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Oktober 1992 sprach die Wiener Gebietskrankenkasse aus, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Beschäftigung als kaufmännischer Angestellter bei der erstmitbeteiligten Partei in der Zeit vom 1. Juni 1983 bis 31. Dezember 1989 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer vom Jahre 1969 bis 31. Dezember 1982 und vom 1. Jänner bis 31. Mai 1983 unter dem Beitragskonto der erstmitbeteiligten Partei zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Die (daran anschließende) "Werkvertragstätigkeit" des Beschwerdeführers als "Konsulent in Zollsachen" sei in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren als Angestelltentätigkeit beurteilt worden (Urteil des OGH vom 9. Oktober 1991, 9 Ob A 171/91). Die Gebietskrankenkasse habe dazu den Beschwerdeführer, den Alleinprokuristen der erstmitbeteiligten Partei Georg K. und deren Steuerberater einvernommen. Nach Auffassung der Gebietskrankenkasse seien die für den Bestand der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht erforderlichen Voraussetzungen auch bei der Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der erstmitbeteiligten Partei in der Zeit vom 1. Juni 1983 bis 31. Dezember 1989 gegeben.

Die erstmitbeteiligte Partei erhob Einspruch. Darin brachte sie im wesentlichen vor, mit dem Beschwerdeführer sei nach Beendigung seines Dienstverhältnisses ein Konsulentenvertrag abgeschlossen worden, in dem vereinbart worden sei, daß der Beschwerdeführer ausschließlich auf selbständiger Basis tätig werden solle. Sein Tätgkeitsbereich habe sich ab diesem Zeitpunkt erheblich verändert und eingeschränkt. Er habe sich seine Arbeitszeit völlig frei einteilen und sein Tätigkeitsfeld selbst bestimmen können. Darüber hinaus habe er uneingeschränkt für beliebige Dritte tätig sein können. Er sei völlig weisungsungebunden gewesen und keinerlei Ordnungsvorschriften oder Kontrollrechten unterlegen. Er sei auch berechtigt gewesen, sich bei den übernommenen Arbeitspflichten durch Dritte vertreten zu lassen. Unabhängig von der aufgewendeten Zeit seien Pauschalhonorare vereinbart worden.

Mit Bescheid vom 6. April 1993 wies der Landeshauptmann von Wien den Einspruch als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid der Behörde erster Instanz. Begründet wurde dies im wesentlichen mit den Angaben des Beschwerdeführers vor der Wiener Gebietskrankenkasse, die dem Landeshauptmann durchaus glaubwürdig erschienen. Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer weisungsgebunden gewesen sei, die Betriebsmittel zur Verfügung gestellt bekommen habe und sich nicht habe vertreten lassen können. Es habe zwar keine fixen Arbeitszeiten gegeben, der Beschwerdeführer sei jedoch unbestrittenermaßen an die Einhaltung der Termine für die Zollabfertigung gebunden gewesen. Außerdem müsse davon ausgegangen werden, daß eine Kontrolle seiner Tätigkeit durch den Dienstgeber erfolgt sei, da firmeneigene Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden existierten. Der Beschwerdeführer habe anfallende Arbeiten nicht bei sich zu Hause, sondern im Büro der erstmitbeteiligten Partei erledigt.

Die erstmitbeteiligte Partei erhob gegen den Bescheid des Landeshauptmannes Berufung. Dabei wurde vor allem gerügt, daß sich dieser nicht mit dem Einspruchsvorbringen auseinandergesetzt habe. Es seien auch keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und stellte in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes fest, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Juni 1983 bis 31. Dezember 1989 aufgrund seiner Tätigkeit als Zollkonsulent der erstmitbeteiligten Partei in keinem voll- (kranken-, unfall-, pensions-) und arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden sei. In der Begründung verwies sie auf die Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens, in dem unter anderem der Beschwerdeführer und der Prokurist der erstmitbeteiligten Partei niederschriftlich vernommen worden seien.

Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung von folgenden Sachverhaltsfeststellungen aus:

Der Beschwerdeführer sei bis 31. Dezember 1982 als Angestellter bei der erstmitbeteiligten Partei beschäftigt gewesen. Sein Aufgabenbereich habe die gesamte Zollabfertigung (Zoll, Spedition, Versand sowie Fuhrpark) umfaßt. Aufgrund von Umstrukturierungen im Betrieb der erstmitbeteiligten Partei sei sein Tätigkeitsfeld stark eingeschränkt worden. So seien Versand, Fuhrpark und Lagerwesen weggefallen. Vom 1. Jänner bis 31. Mai 1983 habe der Beschwerdeführer dann im Warenlager der erstmitbeteiligten Partei gearbeitet. Das Dienstverhältnis sei schließlich gelöst worden, weil der Beschwerdeführer die übertragenen Arbeiten nicht in der Form erledigt habe, wie sich dies die erstmitbeteiligte Partei vorgestellt habe. In weiterer Folge seien zwischen dieser und dem Beschwerdeführer Verträge abgeschlossen worden, wonach der Beschwerdeführer als selbständiger Zollkonsulent auf Werkvertragsbasis weiterhin für die erstmitbeteiligte Partei tätig sein solle. Der Beschwerdeführer habe sämtliche Angelegenheiten der Zollabwicklung, wie Rechnungskontrolle und Prüfung der Zollbescheide, damit verbunden die Erhebung von Berufungen, übergehabt. Er habe auch die Lieferbedingungen bezüglich der Zollabfertigung (ob "frei Haus" oder "frei Grenze") überprüft. Der Beschwerdeführer habe keine vorgegebene Zeit für seine Tätigkeit einzuhalten gehabt. Er habe sich mit der erstmitbeteiligten Partei zweimal die Woche abgesprochen, welche Arbeiten zu erledigen seien. An die Einhaltung von Terminen, welche durch die Zollabfertigung vorgegeben gewesen seien, z.B. Hausbeschau-Frühbeschau, sei er gebunden gewesen. Seine Arbeitszeit sei nicht kontrolliert worden; er habe seine Arbeitszeit nicht mittels Stechuhr wie alle Angestellten der Firma nachzuweisen gehabt. Im Jahre 1989 sei erstmals von der erstmitbeteiligten Partei für die Monate Februar bis August eine Stundenaufzeichnung der vom Beschwerdeführer geleisteten Stunden gemacht worden. Danach habe sich ein Mindestausmaß von 5 Stunden im Juli und ein Höchstausmaß von 38 Stunden im Juni ergeben. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit gehabt, seine Arbeit auch außerhalb der Firma zu erledigen; aus Gründen der Einfachheit sei die Arbeit allerdings im wesentlichen im Büro der Firma ausgeübt worden. In der Zeit vom 1. April 1985 bis 31. Dezember 1989 sei der Beschwerdeführer auch als Teilzeit-Speditionsangestellter für Akquisition und Zolltätigkeiten im Außendienst bei der B. Speditions Ges.m.bH. und Co KG tätig gewesen. Seine wöchentliche Arbeitszeit habe dort zunächst 12 Stunden, vom 1. September bis 31. Dezember 1989 20 Stunden betragen. Für diese Tätigkeit habe der Beschwerdeführer ein monatliches Entgelt von S 5.910,-- erhalten. Für seine Tätigkeit bei der erstmitbeteiligten Partei habe der Beschwerdeführer ein Pauschalhonorar 12 x im Jahr erhalten. Für vertraglich nicht vereinbarte Leistungen sei gesondert Rechnung gelegt worden. Bei firmeninternen Schreiben habe er ein eigenes Briefpapier mit dem Briefkopf "Zollkonsulent für Import-Export-Transportwesen" mit eigener Adressen-, Telefon- und Telex-Angabe verwendet. Der Sitz seines Unternehmens habe sich in 1060 Wien befunden; wohnhaft sei der Beschwerdeführer in 1232 Wien gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich bei der Erledigung seiner Arbeit jederzeit von einer geeigneten Person vertreten lassen können. Er habe auch uneingeschränkt für Dritte tätig sein können. Für den Beschwerdeführer sei kein eigener Arbeitsplatz in den Büroräumen der erstmitbeteiligten Partei eingerichtet gewesen. Die Benutzung der Büroeinrichtungen sei jedoch möglich gewesen. Die nach Kündigung des Beschwerdeführers eingestellten Arbeitskräfte benötigten für dieselbe Arbeit je 30 Stunden pro Monat; sie führten diese Arbeiten ebenfalls in eigener Zeiteinteilung und ohne Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung durch. Eine Anmeldung zur Sozialversicherung dieser Personen sei von der Gebietskrankenkasse abgelehnt worden.

Im Rahmen der Beweiswürdigung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß den im gesamten Verfahren gleichlautenden Angaben des Dienstgebers zu folgen sei. Bei Überprüfung der Angaben des Beschwerdeführers seien hingegen einige Ungereimtheiten feststellbar, die an seinem Vorbringen zu zweifeln berechtigten: So habe der Beschwerdeführer etwa angegeben, vor dem 1. Jänner 1990 nie arbeitslos gewesen zu sein. Aus seinem Pensionsversicherungsakt gehe allerdings hervor, daß er vom 5.April 1983 bis 27. Mai 1984 als arbeitslos gemeldet gewesen sei. Nach seinen Angaben habe er für die erstmitbeteiligte Partei im Durchschnitt 50 Stunden pro Woche gearbeitet; für die B. Speditions GmbH & O KG sei er 12 Stunden pro Woche tätig gewesen. Der Beschwerdeführer hätte daher durch sechs Jahre hindurch von Montag bis Sonntag über 8 Stunden täglich arbeiten müssen und nie einen Urlaub gehabt. Dies sei auch für einen völlig gesunden Menschen unmöglich. Ferner habe der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde angegeben, daß ihm die Fuhrparkeinteilungen oblegen gewesen seien. Nach den Angaben des Prokuristen der erstmitbeteiligten Partei sei diese Aufgabe ab Jänner 1983 allerdings weggefallen. Auch aus dem Werkvertrag sei ein solcher Tätigkeitsbereich nicht zu ersehen.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde den von ihr festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Beschwerdeführer in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei gewesen sei. Er sei an keine fixe Dienstzeit gebunden gewesen; er habe die Arbeit, wann und wo er gewollt habe, erledigen können. Termine, welche sich aus der Art seiner Tätigkeit ergeben hätten (z.B. Hausbeschau), habe er jedoch einzuhalten gehabt. Weisungen, in welcher Art und Weise er seine Arbeiten zu erledigen habe, seien ihm nicht erteilt worden. Die ihm erteilten Weisungen hätten ausschließlich der ordnungsgemäßen Erfüllung der in den Verträgen genannten Aufgaben gedient. Seine Arbeitszeit sei vom Dienstgeber auch nicht kontrolliert worden. Als Beweis der mangelnden Kontrolle werde vor allem angesehen, daß die in Deutschland befindliche Firmenleitung der erstmitbeteiligten Partei sich über das Ausmaß der Tätigkeit des Beschwerdeführers kaum bewußt gewesen sei. Daher sei auch erst nach sechs Jahren bemerkt worden, daß das Ausmaß seiner Tätigkeit weit unter dem von ihm angegebenen Ausmaß gelegen sei. Da für die erstmitbeteiligte Partei ausschließlich relevant gewesen sei, daß die Zollabwicklungen ordnungsgemäß erbracht würden, erscheine es der belangten Behörde auch glaubhaft, daß sich der Beschwerdeführer bei seiner Tätigkeit habe vertreten lassen können. Das Fehlen grundsätzlicher persönlicher Arbeitspflicht, also die Berechtigung, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte verrichten zu lassen, schließe die persönliche Abhängigkeit wegen der dadurch fehlenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Verpflichteten aus. Die Merkmale der persönlichen Unabhängigkeit hätten somit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach beim Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers klar überwogen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Die erstmitbeteiligte Partei und die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt haben jeweils eine Gegenschrift erstattet.

Die Wiener Gebietskrankenkasse hat einen als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz übermittelt, in dem beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Mitbeteiligter kann allerdings nur der sein, dessen rechtlich geschützte Interessen im Widerspruch zur Interessenlage des Beschwerdeführers stehen. Wer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt, kann nicht Mitbeteiligter im verwaltungungsgerichtlichen Verfahren sein (vgl. dazu etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 , zu § 21 VwGG wiedergegebene Rechtsprechung). Die "Gegenschrift" der Wiener Gebietskrankenkasse war daher gleich einer verspäteten Beschwerde zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Hinsichtlich der unterscheidungskräftigen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 94/08/0052, und die darin angeführte Vorjudikatur verwiesen.

Die Beschwerde rügt unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß sich die belangte Behörde nicht mit der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 22. Dezember 1993 zu deren ergänzendem Ermittlungsverfahren auseinandergesetzt hatte. Der Beschwerdeführer habe in dieser Stellungnahme im wesentlichen unter Anschluß verschiedener Beilagen vorgebracht, der Vertreter der erstmitbeteiligten Partei, Prokurist Georg K., habe aufgrund seiner bloß sporadischen Anwesenheit im Unternehmen über Art und Umfang, der Tätigkeit des Beschwerdeführers aus eigener Wahrnehmung praktisch keine Angaben machen können. Im übrigen sei sein Vorbringen in einer Reihe von Punkten widersprüchlich. Der Beschwerdeführer habe in diesem Zusammenhang auch zahlreiche Beweisanträge gestellt, auf die die belangte Behörde ebenfalls mit keinem Wort eingegangen sei. Diese Verfahrensverletzungen seien insofern wesentlich, weil bei ihrer Vermeidung nicht nur die Glaubwürdigkeit des Zeugen erschüttert, sondern auch Art und Umfang der Tätigkeit des Beschwerdeführers unter Beweis gestellt worden wären.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0133, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Wenn eine Partei konkrete Einwände gegen die Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der (für die Erledigung der konkreten Verwaltungssache relevanten) Ermittlungsergebnisse erhebt, muß die Behörde die Erwägungen, die sie veranlaßten, diese Ermittlungsergebnisse als ausreichend zu erachten, aufgrund dieser Ermittlungsergebnisse Tatsachen als erwiesen anzunehmen und die gegenteiligen Behauptungen der Partei als bedeutungslos abzutun, klar und übersichtlich zusammenfassen (vgl. das Erkenntnis vom 18. Februar 1994, Zl. 93/07/0102).

Einer Prüfung unter diesen Gesichtspunkten hält die Begründung des angefochtenen Bescheides allerdings nicht stand:

Die belangte Behörde ist auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 22. Dezember 1993 in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit keinem Wort eingegangen. Darin hat sich der Beschwerdeführer unter Anschluß zahlreicher Beilagen ausführlich mit den Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde auseinandergesetzt. Auch wurden eine Reihe von Beweisanträgen gestellt, auf welche die belangte Behörde nicht eingegangen ist. In der Beschwerde wird auch die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Berücksichtigung des Vorbringens in der genannten Stellungnahme sowie der Ergebnisse des arbeitsgerichtlichen Verfahrens eine andere rechtliche Beurteilung zur Folge gehabt hätte, war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war wegen der sachlichen Abgabefreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen. Wien, am 8. September 1998

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