VwGH 94/05/0217

VwGH94/05/021716.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Harald Baumgartinger in Linz, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler und Mag. Harald Papesch, Rechtsanwälte in Linz, Karl-Wiser-Straße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Juni 1994, Zl. BauR - 011236/1 - 1994 Jo/Lan, betreffend Abweisung eines Bauansuchens (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §17 Abs1;
BauO Linz Wels 1887 §12;
BauO OÖ 1976 §33 Abs1 litd;
BauO OÖ 1976 §41 Abs1 lita;
BauO OÖ 1976 §41 Abs2 litb;
BauO OÖ 1976 §41 Abs2 litd;
BauO OÖ 1976 §49 Abs2;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §17 Abs1;
BauO Linz Wels 1887 §12;
BauO OÖ 1976 §33 Abs1 litd;
BauO OÖ 1976 §41 Abs1 lita;
BauO OÖ 1976 §41 Abs2 litb;
BauO OÖ 1976 §41 Abs2 litd;
BauO OÖ 1976 §49 Abs2;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Landeshauptstadt Linz in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers beantragte mit Ansuchen vom 21. März 1973 die Erteilung der Baubewilligung für die Überdachung der bestehenden Terrasse vor seinem im Gebäude Linz, Am Bindermichl 21, untergebrachten Cafehaus. Das Ansuchen wurde zunächst mit Bescheid vom 21. August 1973 abgewiesen, weil das Vorhaben außerhalb der Baufluchtlinie geplant war. In der dagegen erstatteten Berufung verwies der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers darauf, daß nicht ein fixer Baukörper sondern lediglich ein Planendach vorgesehen sei. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 21. Jänner 1974 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 Folge gegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Magistrat verwiesen. Die Terrasse an der Südseite des Hauses sei am 9. September 1963 baubehördlich genehmigt worden. Die Überdachung der Terrasse komme außerhalb der Baufluchtlinien zu liegen, berühre jedoch nicht den Vorgarten. Die Überdachung werde von mehreren Metallpfeilern getragen. Der zwischen den Pfeilern bestehende Raum sei mit etwa 2 m hohen bruchsicheren Glasscheiben ausgestattet, sodaß bis zum Dach noch ein offener Zwischenraum von über einem halben Meter vorgesehen sei. Die Überdachung der Cafe-Terrasse sei daher als Vorbau mit Pfeilern zu qualifzieren. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1974 erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers gegen jederzeitigen Widerruf die Baubewilligung für die Überdachung der bestehenden Terrasse.

Am 24. Juni 1993 suchte der Beschwerdeführer um die nachträgliche Baubewilligung für das "Versetzen der Fensteraußenwandkonstruktion nach außen" an, sodaß das im Hauptgebäude untergebrachte Cafehaus vergrößert, die Terrasse aber verkleinert werde. Nach der Baubeschreibung soll die Fensteraußenwandkonstruktion auf eine Länge von 6,12 m um 75 cm nach außen versetzt werden und es soll eine Feuerschürze aus verzinktem Stahlblech über die ganze Fensterfront und eine Glasfaserdecke im Gastgarten angebracht werden.

Die gegenständlichen Grundflächen sind im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Linz-Teil Mitte und Süd Nr. 1 in der Fassung der Änderung Nr. 49 als Bauland-Wohngebiet gewidmet. Der rechtswirksame (Teil-)Bebauungsplan SW 111/I legt für das Baugrundstück Baufluchtlinien fest.

In der am 11. Oktober 1993 abgehaltenen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer auf den Widerspruch seines Projekts zum rechtswirksamen Bebauungsplan hingewiesen, weil die Baufluchtlinie um 0,75 m überschritten werde.

Mit Bescheid vom 18. November 1993 gab der Magistrat der Landeshauptstadt Linz gemäß § 45 Abs. 6 lit. a der Oö Bauordnung 1976 dem gegenständlichen Bauansuchen wegen Widerspruches zum Bebauungsplan keine Folge. In seiner dagegen erstatteten Berufung rügte der Beschwerdeführer zunächst, daß ihm die Verhandlungsniederschrift nicht zugestellt worden sei. Das Versetzen der Fensteraußenwandkonstruktion sei kein Zubau, sondern eine nicht bewilligungspflichtige Maßnahme im Gebäude selbst, die nicht gegen Baufluchtlinien verstoßen könne. Das Fehlen der Bewilligungspflicht der Maßnahme ergebe sich daraus, daß die Fensterkonstruktion zum einen Bestandteil des Gebäudes bildenden Garten "hingehe".

Im Berufungsverfahren wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. März 1994 aus dem Hausakt "Am Bindermichl" Aktenteile, betreffend das eingangs genannte Verfahren, vorgehalten. In seiner Stellungnahme betonte er, daß im Bereich eines konsensmäßigen Gebäudeteiles lediglich Elemente an eine Außenwand angeglichen werden.

Mit Bescheid vom 6. Mai 1994 gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz der Berufung keine Folge, änderte jedoch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, daß bei der Rechtsgrundlage das Zitat "§ 45 Abs. 6 lit. a" durch das Zitat "§ 49 Abs. 2" ersetzt wurde. Durch das beantragte Versetzen der südlichen Fensteraußenwandkonstruktion um 75 cm in Richtung Süden werde das bestehende Objekt "Am Bindermichl 21" im fraglichen Bereich in raumbildender Weise vergrößert, weshalb ein Zubau im Sinne der OÖ Bauordnung 1976 vorliege. Die am 3. Dezember 1974 genehmigte Gastgartenüberdachung bilde nach den diesem Bescheid zugrundeliegenden Planunterlagen keinen allseits abgeschlossenen Raum, weil die Terrasse an den Seitenwänden nicht zur Gänze verschlossen, sondern lediglich bis auf eine Höhe von maximal 2 m mit Plexiglasplatten als Windschutz abgegrenzt werden soll. Dieser Vorgartenüberdachung komme daher keine Gebäudeeigenschaft zu, weshalb sie insbesondere nicht als Teil des Gebäudes "Am Bindermichl 21" anzusehen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Die Gastgartenüberdachung mit Umrandung rundherum bilde einen allseits umschlossenen bzw. abgeschlossenen Raum mit einer Höhe von mindestens 3 m. Die in Metallrahmen versetzten und baulich fest mit dem Boden verbundenen Plexiglasplatten, die oben an die Dachkonstruktion fix anschlössen, bildeten ein Bauwerk. Die Gesamtkonstruktion stelle daher ein raumschaffendes Bauwerk dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge. Das Versetzen der Fensterfront stelle nur zum Hauptgebäude eine für das Vorliegen eines Zubaues enge Verbindung her, während die Terrasse samt Schutzdach eine quasi selbständige bauliche Anlage bilde. Mit der Konditorei im engeren Sinne bestehe kein baulicher Zusammenhang (die Überdachung sei nur am Gebäude befestigt, es könne daher die Terrasse samt Überdachung nicht als Zubau zum Hauptgebäude und die gesamte Anlage daher nicht als ein Gebäude angesehen werden. Auch anläßlich der Bewilligung der Überdachung sei der Vorbau mit Pfeilern nie als Gebäude bezeichnet worden.

Über die dagegen erhobene Beschwerde, die von der belangten Behörde unter Vorlage der Verwaltungsakten erstattete Gegenschrift und die Gegenschrift der Mitbeteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 41 der Oö Bauordnung 1976 (im folgenden: BO) lauten:

"§ 41

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung) bedürfen:

  1. a) Der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;
  2. b) die Errichtung sonstiger Bauten über oder unter der Erde, die geeignet sind, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen;

    ...

    d) die nicht unter lit. a fallende Änderung oder die Instandsetzung von Gebäuden sowie die Änderung oder die Instandsetzung von Bauten, deren Errichtung gemäß lit. b bewilligungspflichtig ist; in diesen Fällen ist eine Bewilligung jedoch nur erforderlich, wenn die Änderung oder die Instandsetzung von Einfluß auf die Festigkeit tragender Bauteile, den Brandschutz, die gesundheitlichen oder hygienischen Verhältnisse oder das Orts- und Landschaftsbild ist oder das äußere Aussehen des Baues wesentlich verändert;

    ...

(2) Im Sinne des Abs. 1 ist unter

a) Bau eine bauliche Anlage, zu deren werkgerechter Herstellung fachtechnische Kenntnisse erforderlich sind,

b) Gebäude ein überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter;

...

d) Zubau eine Vergrößerung eines Gebäudes der Höhe, Länge oder Breite nach ...

zu verstehen. ...."

Wie die mitbeteiligte Landeshauptstadt zutreffend in ihrer Gegenschrift ausführt, ist zentrale Frage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, ob durch das Versetzen der bisher an der südlichen Gebäudefront des Objektes "Am Bindermichl 21" verlaufenden Fensterkonstruktion um 75 cm nach außen ein Zubau im Sinne der zitierten Bestimmung gebildet wird, mit welchem die Baufluchtlinie nicht überschritten werden darf, oder ob es sich bei diesem Bauvorhaben lediglich um eine sonstige (bewilligungspflichtige) bauliche Änderung im Sinne des § 41 Abs. 1 lit. d BO handelt, mit welcher gemäß § 33 Abs. 1 lit. d BO das Vorbauen über die Baufluchtlinie des Bebauungsplanes zulässig wäre. Die Beantwortung dieser Frage setzt die Prüfung voraus, ob der Terrasse und deren Überdachung Gebäudeeigenschaft zukommt.

Bereits im zeitlichen Geltungsbereich der Linzer Bauordnung 1887 war unter einem Gebäude jene bauliche Anlage zu verstehen, durch die ein allseits umschlossener Raum gebildet wird (siehe das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1978, Zl. 741/77, m.w.N.). An dieser Definition hat sich durch § 41 Abs. 2 lit. b BO nur insofern etwas geändert, als eine Mindestraumhöhe eingeführt wurde (siehe das hg. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 91/05/0146).

Die am 3. Dezember 1974 bewilligte Überdachung sah vor, daß der zwischen den Pfeilern bestehende Raum mit etwa 2 m hohen Glasscheiben ausgestattet wird, sodaß bis zum Dach noch ein offener Zwischenraum von über einem halben Meter vorgesehen war. Die Terrasse und die Überdachung sollten somit keinen allseits umschlossenen Raum und deshalb kein Gebäude im Sinne des § 12 der Linzer Bauordnung 1887 und des § 41 Abs. 2 lit. b BO bilden. Mangels Gebäudeeigenschaft konnte das damals bewilligte Vorhaben kein "Zubau" im Sinne des § 41 Abs. 2 lit. d BO sein.

Das gegenständliche Bauvorhaben betrifft nach der Baubeschreibung das Versetzen der an der Baufluchtlinie befindlichen "Fensteraußenkonstruktion" um 75 cm nach außen, das Anbringen einer Feuerschürze und einer Glasfaserdecke im Gastgarten. Dem Grundrißplan ist zu entnehmen, daß das Gebäude, in dem das Kaffeehaus untergebracht ist, in der Länge um 6,12 m und in der Breite um 0,75 m vergrößert werden soll. Aufgrund der Vergrößerung der Länge und der Breite nach betrifft das Projekt einen Zubau im Sinne des § 41 Abs. 2 lit. d BO und ist daher gemäß § 41 Abs. 1 lit. a BO bewilligungspflichtig.

Der im Beschwerdefall maßgebende Bebauungsplan sieht Fluchtlinien vor, die durch das vorliegende Vorhaben überschritten werden, weshalb die Baubehörden zu Recht dem Bewilligungsansuchen wegen Widerspruches zum Bebauungsplan keine Folge gegeben haben.

Der Beschwerdeführer beachtet nicht, daß seine tatsächlich vorgenommene Ausführung der Terrasse (allseits umschlossener Raum mit einer Höhe von 3 m) dem Konsens vom 3. Dezember 1994 nicht entspricht, weil damals nur 2 m hohe Plexiglaswände und ein freier Abstand bis zum Dach von 0,5 m bewilligt waren. Der Beschwerdeführer verkennt offenbar, daß er aus dieser rechtswidrigen Bauführung (ein umschlossener Raum, also ein Zubau, wäre wohl auch damals nicht bewilligt worden) keine Rechte ableiten kann.

Daß ein Vertreter der Baubehörde erster Instanz die Arbeiten an der Fensteraußenwandkonstruktion als nicht bewilligungspflichtig bezeichnet haben soll, ändert nichts an der gesetzlich angeordneten Bewilligungspflicht. Eine Auskunft über die Bewilligungspflicht von Bauvorhaben kann keinesfalls eine Baubewilligung ersetzen, ist doch nach § 49 Abs. 1 BO bezüglich Baubewilligungen ausdrücklich die Schriftform angeordnet.

§ 17 Abs. 1 AVG räumt kein Recht auf Übersendung von Aktenabschriften ein (siehe den bei Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 189, unter E. 3c wiedergegebenen Nachweis). Somit kann der Beschwerdeführer aus dem AVG - ebenso wie aus der BO - kein Recht auf Zustellung der Verhandlungsschrift ableiten. Ein allfälliger Mangel des Parteiengehörs wird im Berufungsverfahren durch die mit der Berufung gegebene Möglichkeit der Stellungnahme saniert (Hauer-Leukauf a.a.O, 238, E. 63). Im übrigen brachte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nichts vor, was geeignet war, ein anderes Verfahrensergebnis herbeizuführen; insbesondere hat er nie den Verlauf der Baufluchtlinie bestritten.

Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. In Anbetracht der durch Gesetz und Judikatur eindeutig geklärten Rechtslage konnte die Entscheidung durch einen gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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