VwGH 94/04/0159

VwGH94/04/015918.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des W in R, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 30. Dezember 1993, Zl. 91.506/485-III/7/93, betreffend Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Normen

IngG 1990 §10;
IngG 1990 §4 Abs1 Z1;
IngG 1990 §4 Abs1 Z4;
IngG 1990 §10;
IngG 1990 §4 Abs1 Z1;
IngG 1990 §4 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers, ihm die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" zu verleihen, abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer folgende Ausbildung und Tätigkeiten vorgebracht habe: Ablegung der Facharbeiterprüfung im Lehrberuf "Werkstoffprüfer (Physik)" bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol, Ablegung der Reifeprüfung an der Plansee-Schule Reutte/Tirol, Privatrealgymnasium und Privatrealschule mit Ausbildung in Metallurgie (mit Öffentlichkeitsrecht), technischer Angestellter (Betriebsassistent, Abteilungsleiter) bei der T GmbH vom 16. Juni 1971 bis 9. November 1973. Der Beschwerdeführer verfüge nicht über ausreichende Prüfungszeugnisse öffentlicher oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteter inländischer Schulen gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Ingenieurgesetz 1990, wodurch gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse, wie sie an den höheren technischen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt würden (Hinweis auf Lehrpläne, BGBl. Nr. 492/1977 i.g.F.), nachgewiesen würden. Das Reifezeugnis der Plansee-Schule Reutte/Tirol ersetze die Lehrabschlußprüfung in den Lehrberufen Bürokaufmann, Chemielaborant, Physiklaborant und Werkstoffprüfer; aufgrund der Reifeprüfung sei weiters der Facharbeiterbrief für Werkstoffprüfer (Physik) erworben worden. Diese Berufe setzten nach Ansicht der belangten Behörde Fachkenntnisse voraus, wie sie üblicherweise während einer gewerblichen Berufsausbildung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes vermittelt würden, jedoch keine höheren allgemeinen und fachlichen Kenntnisse, wie sie an einer inländischen höheren technischen Lehranstalt bis zur Reifeprüfung erworben werden könnten. Gleichwertige allgemeine und fachliche Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990, die qualitativ und quantitativ an jene Kenntnisse heranreichten, welche an inländischen höheren technischen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt würden, seien weder durch die Ablegung der Facharbeiterprüfung noch durch die der Reifeprüfung nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 14. Juni 1994, B 304/94-3, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem "Recht auf Verleihung der Standesbezeichnung "Ingenieur" gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990" sowie "auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verletzt". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer (sinngemäß zusammengefaßt) vor, die belangte Behörde habe es unterlassen zu prüfen, inwieweit die Wertigkeit des vermittelten Wissens laut Lehrplan des Gymnasiums Reutte jenem einer in § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. a Ingenieurgesetz 1990 genannten Lehranstalten entspreche, was nach der (näher dargelegten) Auffassung des Beschwerdeführers zutreffend sei.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 461, ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde. Höhere technische Lehranstalten im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 sind gemäß § 5 leg. cit. die gemäß § 72 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962, in der jeweils zum Zeitpunkt der Ablegung der Reifeprüfung geltenden Fassung, eingerichteten Lehranstalten, die der Erwerbung höherer technischer Bildung dienen, und deren allfällige Sonderformen.

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Ingenieurgesetz 1990 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die höheren technischen Lehranstalten gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. und die Tätigkeiten, die als Berufspraxis auf technischem Gebiet anzurechnen sind, durch Verordnung zu bestimmen. Die Bestimmung der Lehranstalten hat gemäß § 10 Abs. 2 Ingenieurgesetz 1990, in der Fassung BGBl. Nr. 107/1993, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Unterricht und Kunst zu erfolgen.

Aus diesen Bestimmungen folgt zunächst, daß für die Beantwortung der Frage, ob eine Lehranstalt als höhere technische Lehranstalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 anzusehen ist, ihre Aufnahme in die Verordnung nach § 10 leg. cit. entscheidend ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1994, Zl. 93/04/0024).

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" weiters Personen zu verleihen, die zwar die Voraussetzungen der (hier maßgeblichen) Z. 1 nicht erfüllen, aber gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse, wie sie an den (in Z. 1 genannten) höheren technischen bzw. höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt werden und eine mindestens achtjährige, zu den erworbenen Kenntnissen einschlägige Berufspraxis in Österreich nachweisen, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt.

Dem Antrag auf Verleihung sind gemäß § 6 Abs. 2 Ingenieurgesetz 1990 insbesondere anzuschließen:

  1. a) Nachweise über die Identität des Bewerbers;
  2. b) Nachweise über die Ausbildung und - ausgenommen in den Fällen des § 4 Abs. 1 Z. 3 - über die Berufspraxis;
  3. c) ...
  4. d) Prüfungszeugnisse öffentlicher oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteter inländischer Schulen, die Kenntnisse gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 nachweisen.

Im Hinblick auf das oben Gesagte folgt nun aus dem systematischen Zusammenhang, daß eine Gleichwertigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 nur gegenüber einer solchen höheren technischen Lehranstalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 bestehen kann, die in die Verordnung nach § 10 leg. cit. Aufnahme gefunden hat. Nur gegenüber einer solchen kann eine Gleichwertigkeit bestehen. Bei einer anderen Sicht würde die dem Verordnungsgeber vorbehaltene Bestimmung der Lehranstalten, die höhere technische Lehranstalten gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. sind, im Wege einer (bescheidmäßigen) Gleichwertigkeitsprüfung nach § 4 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. umgangen werden.

Darauf aber, daß der maßgebliche Inhalt des Lehrplanes der hier in Frage stehenden Schule mit einem solchen einer im § 1 der - auf § 10 Ingenieurgesetz 1990 gegründeten - Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Durchführung des Ingenieurgesetzes 1990, BGBl. Nr. 244/1991, genannten (konkreten) höheren technischen Lehranstalt gleichwertig wäre, hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage (und ihr folgend der Beschwerdeführer) gar nicht abgestellt.

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - (hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes) im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

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