VwGH 93/04/0024

VwGH93/04/002422.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des R in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Dezember 1992, Zl. 91.506/471-III/6/92, betreffend Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:

Normen

IngG 1990 §10;
IngG 1990 §4 Abs1 Z1;
IngG 1990 §4 Abs1 Z4;
IngG 1990 §10;
IngG 1990 §4 Abs1 Z1;
IngG 1990 §4 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers, ihm die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" zu verleihen, abgewiesen. Hiezu wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe durch die Vorlage von Urkunden bezüglich seiner Ausbildung die Absolvierung der (öffentlichen) Fachschule für Tischlerei und Raumgestaltung, die Ablegung der Meisterprüfung für das Tischlereigewerbe vor der Tiroler Handelskammer, die Ablegung der Reifeprüfung nach Absolvierung des Aufbaulehrganges für Berufstätige für Kunsthandwerk an der (2.) Höheren technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt Innsbruck und die Ablegung der Konzessionsprüfung für das konzessionierte Gewerbe der technischen Büros bei der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichteten Prüfungskommission geltend gemacht. Da der Aufbaulehrgang für Berufstätige für Kunsthandwerk in der, die höheren technischen Lehranstalten im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 bestimmenden Verordnung gemäß § 10 Ingenieurgesetz 1990 nicht genannt sei, könne die abgelegte Reifeprüfung nicht als Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 gewertet werden. Daran vermöge auch der - unrichtige - Vermerk im Reifeprüfungszeugnis des Beschwerdeführers, daß der Aufbaulehrgang zum Bildungsziel einer höheren technischen Lehranstalt führe, nichts zu ändern.

Gleichwertige fachliche Kenntnisse, wie sie an höheren technischen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt werden, habe der Beschwerdeführer nicht nachzuweisen vermocht. So ergebe ein Vergleich der vom Beschwerdeführer durch Fachschulausbildung und Reifeprüfung nachgewiesenen Kenntnisse mit jenen, wie sie an der Höheren technischen Lehranstalt der Fachrichtung "Möbelbau und Innenausbau" vermittelt werden, daß höhere fachliche Kenntnisse in den Unterrichtsfächern Konstruktionsübungen und Baukonstruktion jedenfalls nicht nachgewiesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht, "die Standesbezeichnung "Ingenieur" zu führen", verletzt.

Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe "gravierende Unterlassungen" bei der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes begangen. So würden im angefochtenen Bescheid - obwohl der Beschwerdeführer umfangreiche Urkunden betreffend seine Kenntnisse vorgelegt und ausreichende weitere Informationen hinsichtlich seiner fachbezogenen technischen Berufspraxis erteilt habe - keinerlei Feststellungen darüber getroffen, welche technische berufsspezifische Ausbildung und Berufspraxis der Beschwerdeführer dadurch habe nachweisen können. Ein gesetzmäßig ausgeführter Bescheid dürfe jedenfalls nicht global behaupten, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 nicht erfülle, sondern müsse zu jedem einzelnen Punkt Stellung nehmen. Hätte die Behörde die Angaben des Beschwerdeführers geprüft, wäre sie zum Ergebnis gelangt, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 vorliegen. Die belangte Behörde habe jedoch keinerlei Beweise zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Kenntnissen eingeholt. Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im wesentlichen weiters vor, daß der Aufbaulehrgang für Berufstätige für Kunsthandwerk, nach dessen Absolvierung der Beschwerdeführer bei der (2.) Höheren technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Innsbruck die Reifeprüfung erfolgreich abgelegt habe, eine - wie auch der Vermerk im Reifeprüfungszeugnis, an den die belangte Behörde gebunden sei, ausdrücklich besage - Sonderform einer höheren technischen Lehranstalt gemäß § 72 Abs. 1 Schulorganisationsgesetz sei. Es handle sich daher bei diesem Lehrgang (bereits) um eine höhere technische Lehranstalt und es sei daher ein Lehrplanvergleich nicht "vorgesehen". Jedenfalls würden durch das Reifeprüfungszeugnis allgemeine und fachliche Kenntnisse entsprechend den Bestimmungen des § 6 Abs. 2 lit. d Ingenieurgesetz 1990 nachgewiesen. Es verfüge nämlich das in der Verordnung zum Ingenieurgesetz 1990 genannte "Kolleg für Möbelbau an der HTL in Imst" über einen "fast identen Lehrplan". Es sei daher der Standpunkt der belangten Behörde, daß der Aufbaulehrgang für Berufstätige für Kunsthandwerk nicht zum Berufsziel einer höheren technischen Lehranstalt führe, nicht nachvollziehbar.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990, BGBl. Nr. 461/1990 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 567/1991 - ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung absolviert wurde. Höhere technische Lehranstalten im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 sind gemäß § 5 leg. cit. die gemäß § 72 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962, in der jeweils zum Zeitpunkt der Ablegung der Reifeprüfung geltenden Fassung, eingerichteten Lehranstalten, die der Erwerbung höherer technischer Bildung dienen, und deren allfällige Sonderformen.

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Ingenieurgesetz 1990 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die höheren technischen Lehranstalten gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. und die Tätigkeiten, die als Berufspraxis auf technischem Gebiet anzurechnen sind, durch Verordnung zu bestimmen. Die Bestimmung der Lehranstalten hat gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport zu erfolgen.

Aus diesen Bestimmungen folgt zunächst, daß für die Beantwortung der Frage, ob eine Lehranstalt als höhere technische Lehranstalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 anzusehen ist, ihre Aufnahme in die Verordnung nach § 10 leg. cit. entscheidend ist. Die Bestimmung jener Lehranstalten, die höhere technische Lehranstalten gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. sind, ist nämlich gemäß § 10 leg. cit. dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als Verordnungsgeber vorbehalten, der dabei in spezifischer Weise, und zwar im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport vorzugehen hat (vgl. dazu auch RV, 1269 BlgNr, 17 GP, 6).

Da der Aufbaulehrgang für Berufstätige für Kunsthandwerk in dieser Verordnung (BGBl. Nr. 244/1991) nicht aufscheint, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie diesen nicht als höhere technische Lehranstalt im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz gewertet hat. Aus welchem Rechtsgrund die belangte Behörde in diesem Zusammenhang an einen - nach Meinung der Behörde unrichtigen - Vermerk im Reifeprüfungszeugnis des Beschwerdeführers gebunden sein sollte, ist nicht einsichtig und wird vom Beschwerdeführer freilich nicht näher dargetan.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" weiters Personen zu verleihen, die zwar die Voraussetzungen der (hier maßgeblichen) Z. 1 nicht erfüllen, aber gleichwertige fachliche und allgemeine Kenntnisse, wie sie an den (in Z. 1 genannten) höheren technischen bzw. höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten bis zur Reifeprüfung vermittelt werden und eine mindestens achtjährige, zu den erworbenen Kenntnissen einschlägige Berufspraxis in Österreich nachweisen, die höhere Fachkenntnisse voraussetzt. Dem Antrag auf Verleihung sind gemäß § 6 Abs. 2 Ingenieurgesetz 1990 insbesondere anzuschließen:

  1. a) Nachweise über die Identität des Bewerbers;
  2. b) Nachweise über die Ausbildung und - ausgenommen in den Fällen des § 4 Abs. 1 Z. 3 - über die Berufspraxis; ....

    d) Prüfungszeugnisse öffentlicher oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteter inländischer Schulen, die Kenntnisse gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 nachweisen.

    Aus diesen Bestimmungen folgt, daß nach § 4 Abs. 1 Z. 4 Ingenieurgesetz 1990 nur solche fachliche und allgemeine Kenntnisse relevant sind, die jenen an höheren technischen bzw. höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten nach § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 bis zur Reifeprüfung vermittelten gleichwertig sind und weiters, daß diese Kenntnisse ausschließlich durch eine - durch Prüfungszeugnisse belegte - Ausbildung an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Schule nachgewiesen werden können, nicht aber etwa durch die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/04/0012).

    Davon ausgehend kann die Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer wäre - im Vergleich zur Fachrichtung "Möbelbau und Innenausbau" an höheren technischen Lehranstalten - der Nachweis von Kenntnissen in den Unterrichtsgegenständen Baukonstruktion und Konstruktionsübungen durch Prüfungszeugnisse einer entsprechenden Schule nicht gelungen - was im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers der Begründung des angefochtenen Bescheides eindeutig zu entnehmen ist -, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daß die vergleichsweise Heranziehung dieser Fachrichtung unzutreffend sei oder daß der Beschwerdeführer in der Lage wäre, die demnach erforderlichen Kenntnisse durch entsprechende Zeugnisse nachzuweisen, wird in der Beschwerde nicht vorgebracht. Der Einwand des Beschwerdeführers jedoch, das in der Verordnung

    BGBl. Nr. 244/1991 genannte "Kolleg für Möbelbau" an der HTL in Imst verfüge über einen fast identen Lehrplan wie der Aufbaulehrgang für Berufstätige für Kunsthandwerk, ist - wie ein Vergleich des Lehrplanes des Kollegs für Möbelbau und Innenausbau mit jenem für den Aufbaulehrgang für Berufstätige für Kunsthandwerk zeigt - unzutreffend.

    Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen, die Behörde habe es unterlassen, festzustellen, welche Ausbildung der Beschwerdeführer nachzuweisen vermocht habe. Auch bei Vermeidung eines diesbezüglich allenfalls unterlaufenen Mangels hätte die belangte Behörde nämlich zu keinem anderen Bescheid gelangen können.

    Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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