VwGH 93/17/0401

VwGH93/17/040117.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde des Vereines "X-Verband" in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Juni 1989, Zl. MDR - V 20/88, betreffend Haftung für Anzeigenabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

AnzeigenabgabeG Wr 1983 §3 Abs2 idF 1984/029;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AnzeigenabgabeG Wr 1983 §3 Abs2 idF 1984/029;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem beschwerdeführenden Verein Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien, Magistratsabteilung 4/6, vom 4. Oktober 1988, wurde der beschwerdeführende Verein "gemäß § 3 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. für Wien Nr. 22/1983, in der derzeit geltenden Fassung, ... die Anzeigenabgabe für das Medienwerk "N Sport" in der Höhe von S 673.769,36 für den Zeitraum 9/85 bis 7/88 haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag gemäß § 171 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung, binnen einem Monat ab Zustellung zu entrichten, widrigenfalls die zwangsweise Eintreibung veranlaßt wird".

In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 und 2 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 ausgeführt, daß der Beschwerdeführer nach dem Impressum des genannten Medienwerkes gemeinsam mit der N-Ges.m.b.H. Herausgeber dieses Medienwerkes gewesen sei und daher für die Entrichtung der Anzeigenabgabe zur ungeteilten Hand hafte. Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung entspreche den abgabenrechtlichen Ermessensgrundsätzen, weil die genannte Abgabenschuld beim Abgabepflichtigen nicht einbringlich sei.

Mit Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Juni 1989 wurde "unter Abweisung der Berufung der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, daß die Haftung für die Anzeigenabgabe auf den Zeitraum Mai 1986 bis Juli 1988 eingeschränkt wird". Zur Begründung wurde nach Hinweis auf die Rechtslage im wesentlichen ausgeführt, es sei zwischen der B-Ges.m.b.H., deren Firmenwortlaut sich später auf N-Ges.m.b.H. geändert habe, und dem Beschwerdeführer ein schriftlicher Vertrag über die Auflage eines Druckwerkes mit dem Titel "N Sport" abgeschlossen worden. Aus dem Vertragsinhalt ergebe sich, daß die genannte Ges.m.b.H. Medieninhaber sowie mit dem Beschwerdeführer gemeinsam Herausgeber dieses Druckwerkes gewesen sei. Der Beginn des Vertragsverhältnisses sei mit 1. Jänner 1986 bestimmt worden. Daß die Regelung tatsächlich für das Druckwerk "N Sport" Gültigkeit gehabt habe, sei daraus zu ersehen, daß dessen Untertitel "Offizielles Organ des Östereichischen N-Verbandes und seiner Landesverbände" gelautet habe. Die gemeinsame Tätigkeit als Herausgeber käme auch im Impressum zum Ausdruck. Diese sei auch im Inhalt erkennbar, da interne Vereinsnachrichten besonders angeführt gewesen seien und der Präsident des beschwerdeführenden Vereins sich darin an die Mitglieder gewendet habe. Daß der Vertrag mit der B-Ges.m.b.H. abgeschlossen worden sei, sei im Hinblick darauf, daß nur eine Änderung des Firmenwortlautes in N-Ges.m.b.H. vorliege, ohne Bedeutung. Den Beschwerdeführer treffe die Haftpflicht gemäß § 3 Abs. 2 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 29/1984, weil ihm seinen eigenen Angaben zufolge kein Entgelt aus dem Anzeigengeschäft zugeflossen sei. Aus der Regelung des § 5 Abs. 3 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 ergebe sich auch, daß eine Haftung des Anzeigenmittlers nicht bestehe und die Steuerpflicht des Anzeigenmittlers nie jene Entgelte betreffe, die dem Medieninhaber zugeflossen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der beschwerdeführende Verein in dem Recht verletzt, nicht bzw. nur teilweise zur Haftung für die Anzeigenabgaben der Abgabepflichtigen herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Über den im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsantrag hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Oktober 1993, G 4/93-8, die im § 3 Abs. 2 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983, LGBl. für Wien Nr. 22, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 29/1984, enthaltene Wortfolge "während der andere zur ungeteilten Hand mit ihm für die Entrichtung der Abgabe haftet" als verfassungswidrig auf; er sprach aus, daß frühere Vorschriften nicht wieder in Wirksamkeit treten. Im übrigen wurde der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes (soweit er über den letzten Satzteil im § 3 Abs. 2 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 hinausging) zurückgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob der Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 2 des Wiener Anzeigenabgabegesetzes 1983 für Anzeigenabgaben der Abgabepflichtigen als persönlich unbeschränkt Haftungspflichtiger in Anspruch genommen werden durfte.

Art. 140 Abs. 7 erster und zweiter Satz B-VG lauten:

"Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht mit seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht."

Der Beschwerdefall ist Anlaßfall für die verfassungsgerichtliche Aufhebung der angewendeten und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden Gesetzesstelle.

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist nach ständiger Rechtsprechung daher so vorzugehen, als ob bei dessen Erlassung die aufgehobene Bestimmung nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Derart entbehrt die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers einer gesetzlichen Grundlage und belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2. Im Hinblick auf die normierte Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes war das über den Pauschalbetrag hinausgehende Mehrbegehren abzuweisen; weiters betrifft die Abweisung des Mehrbegehrens nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

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