VwGH 93/17/0075

VwGH93/17/007527.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der XY-reg.Gen.m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Jänner 1993, Zl. II/1-BE-211-10-92, betreffend Getränke- und Speiseeissteuer für die Jahre 1986 bis 1990 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Stockerau, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AbgO 1931 §107a Abs1 idF 1935. 1479;
AbgO 1931 §107a Abs3 Z6 idF 1935. 1479;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BAO §278;
BAO §83 Abs1;
BAO §83 Abs2;
BAO §97 Abs1 lita;
B-VG Art11 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
LAO NÖ 1977 §208;
LAO NÖ 1977 §60 Abs1;
LAO NÖ 1977 §60 Abs2;
LAO NÖ 1977 §74;
Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung 1935 Art2 §1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WTBO §71 Abs1;
WTBO §71 Abs2;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;
AbgO 1931 §107a Abs1 idF 1935. 1479;
AbgO 1931 §107a Abs3 Z6 idF 1935. 1479;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BAO §278;
BAO §83 Abs1;
BAO §83 Abs2;
BAO §97 Abs1 lita;
B-VG Art11 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
LAO NÖ 1977 §208;
LAO NÖ 1977 §60 Abs1;
LAO NÖ 1977 §60 Abs2;
LAO NÖ 1977 §74;
Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung 1935 Art2 §1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WTBO §71 Abs1;
WTBO §71 Abs2;
ZustG §7;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 27. März 1991 brachte die Beschwerdeführerin durch den XY-Verband, Revisionsverband der österreichischen XY-Genossenschaften, bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde berichtigte Getränkeabgabeerklärungen für die Jahre 1986 bis 1990 ein. Die Erklärungen über die Selbstbemessung der Getränkeabgabe hätten sich wegen Nichtberücksichtigung der Steuerfreiheit des Außerortverbrauches als unrichtig herausgestellt. Die Beschwerdeführerin beantrage, das sich auf Grund der berichtigten Erklärungen ergebende Guthaben in der Höhe von S 1,018.823,51 auf ihr Konto zu überweisen. Der Eingabe beigelegt war die Ablichtung einer Vollmachtsurkunde,

in der es heißt: "Hiemit bevollmächtigte(n) ich (wir) "XY-Verband Revisionsverband der österreichischen XY-Genossenschaften ad personam Dkfm. Mag. J" mich (uns) in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden und Personen rechtsgültig zu vertreten und für mich (uns) Eingaben, Steuererklärungen etc. zu unterfertigen, Akten-Einsicht zu nehmen, sowie alles ihm in meinem (unseren) Interesse zweckdienlich Erscheinende zu verfügen." In dieser Vollmachtsurkunde war der Text:

"Gleichzeitig erteile(n) ich (wir) die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind."

durchgestrichen.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erließ die auf Grund der Zustellverfügung an den XY-Verband zugestellte Erledigung vom 30. März 1992 mit folgendem Inhalt:

"Über Ihren Antrag betreffend Rückzahlung der Getränke- und Speiseeissteuer für den Zeitraum 1986 bis 1990 wegen einer Unrichtigkeit der Selbstbemessung aus dem Grund der Nichtberücksichtigung des Außerortsverkaufes hat der Bürgermeister der Stadt Stockerau wie folgt entschieden:

S p r u c h

Gemäß § 153 NÖ. Abgabenordnung 1977, LGBl.3400-2, in Verbindung mit Art. II § 2 des Bundesgesetzblattes vom 27.12.1991 mit dem das Finanzausgleichsgesetz geändert wurde (BGBl. 693/91) wird Ihr Antrag auf Neufestsetzung der Getränke- und Speiseeissteuer für den Zeitraum 1986 bis 1990 abgelehnt. Gemäß § 164 NÖ. Abgabenordnung 1977, LGBl.3400-2, wird der Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens an Getränke- und Speiseeissteuer in der Höhe von

S 1,018.823,51

abgelehnt und bleibt die Getränke- und Speiseeissteuer in der ursprünglich erklärten Höhe voll aufrecht."

Auf Grund der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung erließ der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die auf Grund der Zustellverfügung der beschwerdeführenden Partei zugestellte Berufungsentscheidung vom 17. Juni 1992 mit folgendem Inhalt:

"Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Stockerau hat in seiner Sitzung am 16.06.1992 über die Berufung des XY, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. A in W, gegen den Bescheid vom 13.04.1992 betreffend die Rückzahlung der Getränke- und Speiseeissteuer für den Zeitraum 1986 bis 1990 wegen einer Unrichtigkeit der Selbstbemessung aus dem Grund der Nichtberücksichtigung des Außerortsverkaufes wie folgt entschieden:

Gemäß § 213 Abs. (2) NÖ. Abgabenordnung 1977, LGBl.3400-2, in der derzeit geltenden Fassung, wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt."

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, das Niederösterreichische Getränke- und Speiseeissteuergesetz sehe eine Selbstbemessung der Abgabe im § 153 Abs. 1 NÖ AO 1977 vor. Die Beschwerdeführerin habe im Wege der Selbstbemessung die Getränke- und Speiseeissteuer für die Jahre 1986 bis 1990 erklärt und auch entrichtet. Gemäß § 153 Abs. 1 NÖ AO 1977 gelte eine Abgabe durch die Einreichung der Erklärung als festgesetzt. Mit Schreiben vom 27. März 1991 habe die Beschwerdeführerin eine Rückzahlung der bereits entrichteten Steuern infolge Berücksichtigung des Außerortverbrauches beantragt. Dieser Antrag sei ein Antrag auf Neufestsetzung der Abgabe durch die Abgabenbehörde. Eine Neufestsetzung der Getränke- und Speiseeissteuer aus dem Grund der Berücksichtigung des Außerortverbrauches habe jedoch auf Grund der Verfassungsbestimmung des Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Novelle 1991, BGBl. Nr. 693/1991, zu unterbleiben. Dem Antrag bzw. der Berufung sei daher zu Recht keine Folge zu geben. Da bei der amtswegigen Überprüfung des angefochtenen Bescheides eine Verletzung anderer von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemachter subjektiv-öffentlicher Rechte nicht festgestellt habe werden können, habe die Vorstellung abgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, eine materiell unrichtige Abgabenerklärung innerhalb der Verjährungsfrist des § 156 NÖ AO 1977 berichtigen zu können, sowie im Recht auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren verletzt.

Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Stadtgemeinde

erstatteten je eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Berechtigung zur Einbringung des Antrages vom 27. März 1991 durch den XY-Verband ergibt sich ungeachtet der Regelung des § 60 Abs. 1 NÖ AO 1977, wonach sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen können, aus den Bestimmungen des § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO), BGBl. Nr. 125/1955, sowie des § 107a Abs. 3 Z. 6 Abgabenordnung vom 22. Mai 1931, Deutsches RGBl. I, S. 161 in der Fassung der Novelle vom 17. Dezember 1935, Deutsches RGBl. I, S. 1479.

Gemäß § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz WTBO werden die Befugnisse der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Notare durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht berührt. Gleiches gilt für die Befugnisse von Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereiches Hilfe oder Beistand in Steuersachen im Sinne der Abgabenordnung leisten, sowie der im § 107a Abs. 3 Z. 3 bis 9 der Abgabenordnung genannten Personen oder Stellen.

Nach § 71 Abs. 2 erster Satz WTBO werden durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die den Revisionsverbänden der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ... zugewiesenen Prüfungs- und Beratungsaufgaben ebenfalls nicht berührt.

§ 107a Abs. 1 und Abs. 3 Z. 6 der verwiesenen (deutschen) Abgabenordnung lautet:

"§ 107a (1) Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ... bedürfen dazu der vorherigen allgemeinen Erlaubnis des Finanzamtes ...

(3) Absatz 1 gilt nicht für

...

6. genossenschaftliche Prüfungsverbände und deren Spitzenverbände, genossenschaftliche Treuhand- und ähnliche genossenschaftliche Stellen, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern Hilfe in Steuersachen leisten;"

Diese den genannten XY-Verband betreffenden verfahrensrechtlichen Regelungen, die sich insofern auf Art. 11 Abs. 2 B-VG stützen, sind von der NÖ AO unberührt geblieben (vgl. das zur Tiroler Landesabgabenordnung ergangene Erkenntnis vom 30. März 1995, Zl. 94/17/0089). Demnach durfte der XY-Verband in dem Abgabensachen betreffenden verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Vertretung der Beschwerdeführerin vor den Gemeindeabgabenbehörden bevollmächtigt werden.

Der XY-Verband war im verwaltungsbehördlichen Verfahren jedoch nicht zustellungsbevollmächtigt, weil in der Vollmachtsurkunde der Text, daß "gleichzeitig ... die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde" erteilt wird, gestrichen ist.

Die Zustellung einer Erledigung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten; dies selbst im Falle des tatsächlichen Zukommens an die Partei, weil weder ein Fall des § 7 ZustG noch des § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustG vorliegt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1186, und das dort angeführte Erkenntnis vom 18. Mai 1988, Zl. 87/02/0150).

Die als Abgabenbescheid intendierte Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz ist daher mangels einer für die Beschwerdeführerin rechtswirksamen Zustellung als Bescheid rechtlich nicht existent geworden. Die Berufungsbehörde hätte daher die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen, ihre Entscheidung in der Sache war rechtswidrig. Für die belangte Behörde ergab sich daraus, daß sie den Berufungsbescheid hätte beheben müssen. Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig.

Für das fortzusetzende Verfahren ergibt sich daraus, daß nach erfolgter Aufhebung des Berufungsbescheides durch die Vorstellungsbehörde die Abgabenbehörde erster Instanz, die einen Bescheid bisher noch nicht erlassen hat, über die in der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 27. März 1991 gestellten Anträge zu entscheiden haben wird.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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