VwGH 94/17/0089

VwGH94/17/008930.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der XY reg. Gen.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Oktober 1991, Zl. Ib-8479/1-1991, betreffend Abweisung des Antrages auf Festsetzung der Getränkesteuer für die Jahre 1986 bis 1990 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art11 Abs2;
Getränke- und SpeiseeissteuerG Tir;
LAO Tir 1963 §60 Abs1;
LAO Tir 1984 §63 Abs1;
ReichsabgabenO §107a Abs1;
ReichsabgabenO §107a Abs3 Z6;
VwRallg;
WTBO §71 Abs1;
WTBO §71 Abs2;
B-VG Art11 Abs2;
Getränke- und SpeiseeissteuerG Tir;
LAO Tir 1963 §60 Abs1;
LAO Tir 1984 §63 Abs1;
ReichsabgabenO §107a Abs1;
ReichsabgabenO §107a Abs3 Z6;
VwRallg;
WTBO §71 Abs1;
WTBO §71 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte durch den XY-Verband, Revisionsverband der XY-Genossenschaften mit der Eingabe vom 26. April 1991 die berichtigte Getränkesteuererklärung für die Jahre 1986 bis 1990 bei der mitbeteiligten Gemeinde ein. Die Erklärungen über die Selbstbemessung der Getränkeabgabe hätten sich wegen Nichtberücksichtigung der Steuerfreiheit des Außerortverbrauches als unrichtig herausgestellt. Die Beschwerdeführerin beantrage, das sich auf Grund der berichtigten Erklärungen ergebende Guthaben in der Höhe von S 371.950,-- auf ihr Konto zu überweisen. Dieser Eingabe beigelegt war die Ablichtung einer Vollmachtsurkunde, in der es heißt: "Hiemit bevollmächtige(n) ich (wir) "XY-Verband Revisionsverband der XY-Genossenschaften ad personam Dkfm. Mag. J BP und StB" mich (uns) in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden und Personen rechtsgültig zu vertreten und für mich (uns) Eingaben, Steuererklärungen etc. zu unterfertigen, Akten-Einsicht zu nehmen, sowie alles ihm in meinem (unseren) Interesse zweckdienlich Erscheinende zu verfügen." In dieser Vollmachtsurkunde war der Text: "Gleichzeitig erteile(n) ich (wir) die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind." durchgestrichen.

Mit der an die Beschwerdeführerin gerichteten Erledigung vom 10. September 1991 sprach der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde aus, daß der Rückforderungsantrag gemäß § 9 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes, in der Fassung des Gesetzes LGBl. für Tirol Nr. 54/91, als unbegründet abgewiesen wird. Diese Erledigung wurde auf Grund der Zustellverfügung an den "Revisionsverband der XY-Genossenschaften z.Hdn. Herrn Dkfm. Mag. J (BP und StB)" zugestellt.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit dem an die Beschwerdeführerin gerichteten und dieser zugestellten Bescheid vom 18. September 1991 als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, nach § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes, in der Fassung des mit Ablauf des 31. Juli 1991 in Kraft getretenen Gesetzes LGBl. für Tirol Nr. 54/1991, habe die Festsetzung der Getränkesteuer mit Bescheid nach § 151 Abs. 2 der Tiroler LAO zu unterbleiben, soweit sich die Unrichtigkeit der Selbstberechnung daraus ergebe, daß in der Getränkesteuererklärung auch jene Getränke erfaßt seien, die nicht in der Gemeinde, in der die Getränke an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben würden, verbraucht worden seien.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, nach § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes, in der Fassung des mit Ablauf des 31. Juli 1991 in Kraft getretenen Gesetzes, LGBl. für Tirol Nr. 54/1991, habe die Festsetzung der Getränkesteuer mit Bescheid nach § 151 Abs. 2 der Tiroler LAO zu unterbleiben, soweit sich die Richtigkeit der Selbstberechnung daraus ergebe, daß in der Getränkesteuererklärung auch jene Getränke erfaßt seien, die nicht in der Gemeinde, in der die Getränke an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben würden, verbraucht worden seien. Ein diesem Tatbestand unterfallender Sachverhalt liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin begehre die bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer der Jahre 1986 bis 1990. Die Aufsichtsbehörde habe den angefochtenen Bescheid an der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu messen. Auch die Aufsichtsbehörde habe § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes anzuwenden. Es sei ihr verwehrt, auf die gegen diese Gesetzesstelle vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken einzugehen. Dem angefochtenen Bescheid könne auf Grund der geltenden Gesetzeslage nicht entgegengetreten werden.

Der Verfassungsgerichtshof wies die gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1993, B 1381/91-10, ab. Mit Beschluß vom 7. Jänner 1994, B 1381/91-12, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf gesetzmäßige Festsetzung der Getränke- und Speiseeisabgabe sowie in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Vertretungsbefugnis des XY-Verbandes ergibt sich ungeachtet der Regelung des § 63 Abs. 1 der Tiroler LAO, wonach sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen können, aus den Bestimmungen des § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO), BGBl. Nr. 125/1955, sowie des § 107a Abs. 3 Z. 6 Abgabenordnung vom 22. Mai 1931, Deutsches RGBl. I, S. 161, in der Fassung der Novelle vom 17. Dezember 1935, Deutsches RGBl. I, S. 1479.

Gemäß § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz WTBO werden die Befugnisse der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Notare durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht berührt. Gleiches gilt für die Befugnisse von Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereiches Hilfe oder Beistand in Steuersachen im Sinne der Abgabenordnung leisten, sowie der im § 107a Abs. 3 Z. 3 bis 9 der Abgabenordnung genannten Personen oder Stellen.

Nach § 71 Abs. 2 erster Satz WTBO werden durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die den Revisionsverbänden der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ... zugewiesenen Prüfungs- und Beratungsaufgaben ebenfalls nicht berührt.

§ 107a Abs. 1 und Abs. 3 Z. 6 der Abgabenordnung der verwiesenen (deutschen) Abgabenordnung lautet:

"§ 107a (1) Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ... bedürfen dazu der vorherigen allgemeinen Erlaubnis des Finanzamtes ...

(3) Absatz 1 gilt nicht für

...

6. genossenschaftliche Prüfungsverbände und deren Spitzenverbände, genossenschaftliche Treuhand- und ähnliche genossenschaftliche Stellen, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern Hilfe in Steuersachen leisten;"

Diese den XY-Verband betreffenden verfahrensrechtlichen Regelungen, die sich insofern auf Art. 11 Abs. 2 B-VG stützen, sind von der Tiroler Landesabgabenordnung unberührt geblieben, zumal es für den Landesgesetzgeber nach der Verfassungsrechtslage vor der B-VG Novelle BGBl. Nr. 444/1974 verfassungsrechtlich nicht zulässig gewesen wäre, von einer bundesgesetzlichen auf die Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG gestützten Regelung abzuweichen (auf dem Boden dieser Auffassung offenbar auch W. Doralt, ÖStZ 1974, 121). Demnach durfte der XY-Verband in dem Abgabensachen betreffenden verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Vertretung der Beschwerdeführerin vor den Gemeindeabgabenbehörden bevollmächtigt werden.

Der XY-Verband war im verwaltungsbehördlichen Verfahren jedoch nicht zustellungsbevollmächtigt, weil in der Vollmachtsurkunde der Text, daß "gleichzeitig ... die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde" erteilt wird, gestrichen ist.

Die Zustellung einer Erledigung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten; dies selbst im Falle des tatsächlichen Zukommens an die Partei, weil weder ein Fall des § 7 ZustG noch des § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustG vorliegt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1186, und das dort angeführte Erkenntnis vom 18. Mai 1988, Zl. 87/02/0150).

Die als Abgabenbescheid intendierte Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz ist daher mangels einer für die Beschwerdeführerin rechtswirksamen Zustellung als Bescheid rechtlich nicht existent geworden. Die Berufungsbehörde hätte daher die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen, ihre Entscheidung in der Sache war rechtswidrig. Für die belangte Behörde ergab sich daraus, daß sie den Berufungsbescheid hätte beheben müssen. Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig.

Für das fortzusetzende Verfahren ergibt sich daraus, daß nach erfolgter Aufhebung des Berufungsbescheides durch die Vorstellungsbehörde die Abgabenbehörde erster Instanz, die einen Bescheid bisher noch nicht erlassen hat, über die in der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 26. April 1991 gestellten Anträge zu entscheiden haben wird.

Für das weitere Verfahren wird überdies noch bemerkt, daß es sich im Beschwerdefall um eine mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/17/0077, entschiedene gleichgelagerte Sache - sie betrifft dieselbe Beschwerdeführerin und dieselbe belangte Behörde - handelt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird hingewiesen.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte