VwGH 93/13/0099

VwGH93/13/00992.8.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. Mai 1993, Zl. GA 5 - 1747/93, betreffend Durchführung des Jahresausgleiches für das Kalenderjahr 1990, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §26 Z4 litb;
VwRallg;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §26 Z4 litb;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Musiklehrerin in Wien. Im Rahmen ihres Antrages auf Durchführung des Jahresausgleichs für das Kalenderjahr 1990 machte sie im Zusammenhang mit beruflichen Tätigkeiten, welche sie in diesem Jahr zum einen in M. und zum anderen in B. verrichtet hatte, Reisekosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 auch im Umfang von Tagesgeldern im Sinne des § 26 Z. 4 lit. b leg. cit. geltend. Über ihre Berechtigung dazu geht der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestehende Streit.

Wie den von der Beschwerdeführerin ihrem Ausgleichsantrag angeschlossenen und den über Verlangen des Finanzamtes von ihr nachträglich vorgelegten Unterlagen entnommen werden kann, hatte die Beschwerdeführerin aus ihrer Tätigkeit in B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für den Zeitraum vom 16. Juni 1990 bis zum 31. Juli 1990 erhalten und machte für diese Zeit 45 Tagesgelder nach § 26 Z. 4 lit. b EStG 1988 geltend. Für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin in M. ergeben sich aus diesen Unterlagen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für den Zeitraum von September 1990 bis Dezember 1990, wobei die Beschwerdeführerin für diesen Zeitraum insgesamt 27 Tagesgeldsätze beanspruchte und die Tage ihrer Dienstverrichtung in M. im einzelnen anführte; es handelte sich dabei nach der von der Beschwerdeführerin erteilten Auskunft um eine an jeweils zwei hintereinander gelegenen Tagen pro Woche ausgeübte Unterrichtstätigkeit, die in drei Wochen innerhalb dieses Zeitraumes feiertagsbedingt jeweils nur an einem Tag verrichtet worden war.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid verneinte die belangte Behörde im Instanzenzug die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Geltendmachung des Tagesgeldes aus Anlaß ihrer Dienstverrichtungen in B. und M. mit der Begründung, daß Verpflegungsaufwand nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Werbungskosten dann nicht darstelle, wenn der längere Aufenthalt an einem bestimmten Ort es dem Steuerpflichtigen ermögliche, sich über die günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten zu informieren, sodaß Mehraufwendungen für Verpflegung nicht mehr entstünden. Die Beschwerdeführerin habe sich an beiden Orten längere Zeit hindurch aufgehalten und damit an beiden dieser Orte einen weiteren Mittelpunkt ihrer Tätigkeit begründet, weshalb die Aufenthalte der Beschwerdeführerin in B. und M. als Reise im Sinne der steuerrechtlichen Bestimmungen nicht angesehen werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung beantragt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten verletzt anzusehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu unrecht wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde Mängel in der Sachverhaltsermittlung vor. Die in der Beschwerdeschrift aufgestellte Behauptung, die belangte Behörde habe die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten 45 Tagesgelder ihrer Tätigkeit in M. zugeordnet, widerspricht dem Inhalt des angefochtenen Bescheides augenfällig. Die belangte Behörde hat im Einklang mit den Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren die von ihr geltend gemachten 45 Tagesgelder ihrer Tätigkeit in B. zugeordnet. Der in der Beschwerdeschrift vorgeschlagene "kurze Blick auf den Kalender" ergibt dabei, daß die für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin in B. von ihr geltend gemachten

45 Tagesgelder genau den im Lohnzettel ihres dortigen Dienstgebers ausgewiesenen Zeitraum vom 16. Juni 1990 bis zum 31. Juli 1990 abdecken, während dessen die Beschwerdeführerin in B. beschäftigt war. Die in der Beschwerdeschrift aufgestellte Behauptung, wonach die Beschwerdeführerin auch in B. nur eine Reihe kürzerer Aufenthalte gehabt habe und auch von dort aus immer wieder nach Wien zurückgekehrt sei, verstößt gegen das Neuerungsverbot und widerspricht den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren. Auch bezüglich der Tätigkeit der Beschwerdeführerin in M. ist das zur Erlassung des angefochtenen Bescheides führende Verfahren nicht mangelhaft, weil die belangte Behörde ohnehin von dem von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Sachverhalt ihrer regelmäßig nur an zwei Tagen pro Woche dort ausgeübten Tätigkeit ausgegangen ist.

Mit dem Begriff der "Reise" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z. 9 der Einkommensteuergesetze hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in einer Vielzahl von Erkenntnissen auseinandergesetzt und in diesen daran festgehalten, daß der Aufenthalt an einem Ort, der als Mittelpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen angesehen werden muß, keine Reise darstellt, wobei zu einem (weiteren) Mittelpunkt der Tätigkeit ein Ort auf Grund längeren Aufenthaltes des Steuerpflichtigen wird (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 15. November 1994, 90/14/0216, vom 5. Oktober 1994, 92/15/0225, und vom 21. September 1993, 93/14/0136, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch die Beschwerdeausführungen zu einem Abgehen von seiner Judikatur nicht veranlaßt. Wie der Gerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 15. November 1994, 90/14/0216, erneut ausgesprochen hat, liegt die Rechtfertigung der Annahme von solchen Werbungskosten bei kurzfristigen Aufenthalten überhaupt nur in dem bei derartigen Reisebewegungen in typisierender Betrachtungsweise angenommenen Verpflegungsmehraufwand gegenüber den ansonsten am jeweiligen Aufenthaltsort anfallenden und gemäß § 20 der Einkommensteuergesetze nicht abzugsfähigen (üblichen) Verpflegungsaufwendungen. Bei längeren Aufenthalten ist in der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise von der Möglichkeit der Inanspruchnahme solcher Verpflegungsmöglichkeiten auszugehen, deren Aufwendungen als Teil der Kosten der Lebensführung grundsätzlich nicht abzugsfähig sind.

Zu unrecht auch bestreitet die Beschwerdeführerin die Eignung ihrer Beschäftigungen in B. und M. dazu, diese Orte zu weiteren Mittelpunkten ihrer Tätigkeit zu machen. Für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin in B. ist die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung schon auf Grund des von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren erklärten geschlossenen Beschäftigungszeitraumes von 45 Tagen zutreffend. Eine abweichende Beurteilung ist aber auch für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin in M. nicht geboten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem auch von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis vom 21. November 1991, 90/13/0101, ÖStZB 1992, 331, in einem vergleichbaren Fall ausgesprochen hat, begründet auch die nur an einzelnen Tagen der Woche ausgeübte Beschäftigung an einem Ort dessen Eignung zu einem weiteren Mittelpunkt der Tätigkeit, soferne die Dauer einer solchen wöchentlich wiederkehrenden Beschäftigung am selben Ort insgesamt ein Ausmaß erreicht, welches zum Wegfall der Voraussetzungen des in typisierender Betrachtungsweise unterstellten Verpflegungsmehraufwandes aus den gleichen Überlegungen zu führen hat, wie sie bei einer nicht unterbrochenen Aufenthaltsdauer an einem Beschäftigungsort nach Verstreichen eines typisiert als angemessen zu beurteilenden Zeitraumes Platz zu greifen haben. Die Beschwerdeführerin war in M. im Zeitraum vom 10. September bis zum 21. Dezember regelmäßig an zwei Tagen, in drei Wochen an einem Tag beschäftigt. Dieses Ausmaß ihrer Tätigkeit in M. erfüllt die Eignung dieses Ortes, ebenso zu einem Mittelpunkt ihrer Tätigkeit geworden zu sein.

Recht hat die Beschwerdeführerin allerdings darin, daß die bei längerer Verweildauer an einem Ort oder bei regelmäßiger Wiederkehr an diesen der in der typisierenden Betrachtungsweise unterstellte Wegfall des sonst zu unterstellenden Verpflegungsmehraufwandes nicht schon zu Beginn der am betroffenen Ort aufgenommenen Beschäftigung eingetreten sein kann, sodaß Werbungskosten aus dem Titel des Verpflegungsmehraufwandes im Umfang des im § 26 Z. 4 lit. b EStG 1988 genannten Betrages zumindest für die Anfangsphase der Aufnahme einer Beschäftigung an einem solchen Ort zustehen. Zu dieser Ansicht hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt bekannt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, 93/14/0081, ÖStZB 1994, 202, ebenso auch die Ausführungen im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, 92/15/0225, über die vom Beschwerdeführer des dortigen Streitfalles schon in Vorjahren gewonnene Ortskundigkeit, schließlich auch die Ausführungen von Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 82.3 zu § 16 EStG 1988, samt dem dort gegebenen Hinweis auf die

hg. Judikatur). Daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Berechtigung zur Geltendmachung von Tagesgeldern für ihre Beschäftigungen in M. und B. auch für eine als angemessen zu beurteilende Anlaufphase erstmaliger Beschäftigung in diesen Orten abgesprochen hat, war demnach nicht rechtens, weil von der belangten Behörde auch keine Umstände festgestellt wurden oder sich aus den Verwaltungsakten ergeben hätten, welche der Annahme einer Erstmaligkeit der Beschäftigung der Beschwerdeführerin an den betroffenen Orten entgegengestanden wären.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof aus dem in § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Grund Abstand genommen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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