Normen
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §70a Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §70a Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 1983 wurde der vormaligen Liegenschaftseigentümerin die Widmungsbewilligung für die Schaffung von Bauplätzen für die Errichtung von drei Wohnhäusern auf dem Grundstück Nr. 29 der KG X unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Mit einem weiteren Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. September 1991 wurde den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien, PK und IK, die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 29/4 KG X unter Vorschreibung von 24 Auflagen erteilt. In seiner Anzeige vom 5. April 1992 wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß das Bauwerk anders situiert sei und beantragte die Erlassung eines Einstellungsauftrages. Bei der am 7. April 1992 durchgeführten Amtshandlung der Baubehörde wurde die geänderte Situierung des Einfamilienhauses festgestellt. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. April 1992 wurden die Erst- und Zweitmitbeteiligten gemäß § 70a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung verpflichtet, die Bauarbeiten bei der im Gang befindlichen Herstellung des Einfamilienwohnhauses auf den Grundstücken Nr. 29/4 und 29/5, EZ 1059, KG X, sofort und zur Gänze einzustellen. Weiters wurde ihnen aufgetragen, bis längestens 1. Juni 1992 nachträglich und unter Vorlage aller vom Gesetz geforderten Unterlagen um die Bewilligung zur Änderung der Situierung des Wohnhauses anzusuchen. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die Baubehörde sei rechtswidrig vorgegangen, da für das gegenständliche Grundstück (29/5) keine Widmungsbewilligung vorliege. Hinsichtlich dieses Grundstückes könne keine nachträgliche Sanierung erfolgen. Es werde daher beantragt, den Bescheid vom 9. April 1992 dahingehend abzuändern, daß die Bauwerber zur Entfernung des zu Unrecht errichteten Bauwerkes auf Parzelle Nr. 29/5 verhalten würden. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juni 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 9. April 1992 als unbegründet abgewiesen. Des weiteren wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 AVG in Verbindung mit § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung die Parteistellung aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, die Baueinstellung für die konsenswidrige Situierung des mit Bescheid vom 27. September 1991 bewilligten Einfamilienhauses sei aufgrund der Anzeige des Beschwerdeführers vom 5. April 1992 erfolgt. Mit Eingabe vom 13. April 1992 hätten die Bauwerber um Abänderung der erteilten Baubewiligung angesucht. Mit Bescheid vom 23. Jänner 1992 sei die Widmungsbewilligung zum Zweck der Schaffung eines Bauplatzes für das Grundstück Nr. 29/5 erteilt worden. Gemäß § 70a Abs. 2 stehe den Nachbarn das Recht zu, die Baueinstellung und die Beseitigung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, ihre Interessen nach § 61 Abs. 2 verletzen. Diese Rechte seien in der zitierten Gesetzesstelle taxativ aufgezählt. Im gegenständlichen Fall sei die Frage der Abstandsbestimmung zu beurteilen. Mit Baubewilligungsbescheid vom 30. September 1991 sei festgestellt worden, daß die Abstände zu den Nachbargrundstücken ausreichend gegeben seien. Da sich die Situierung des geplanten Wohnhauses nunmehr dergestalt ändere, daß der Abstand zum Grundstück des Beschwerdeführers vergrößert werde, könne von keiner Verletzung von Nachbarrechten des Beschwerdeführers gesprochen werden. Da eine Verletzung eines Nachbarrechtes nicht gegeben sei, sei die Parteistellung abzuerkennen gewesen.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 4. September 1992 keine Folge. Begründend wurde im wesentlichen nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, gemäß § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung stehe dem Nachbarn ein Recht zu, die Baueinstellung und die Beseitigung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten nach Abs. 1 seine Interessen verletzten. Der Beschwerdeführer sei zur Erhebung der Berufung gar nicht legitimiert gewesen, die Berufungsbehörde hätte daher richtigerweise die eingebrachte Berufung als unzulässig zurückzuweisen gehabt. Ein Recht auf Einhaltung der zugesicherten Aussicht sei keines jener Rechte, hinsichtlich welcher gemäß § 61 Abs. 2 bzw. § 3 der Steiermärkischen Bauordnung Nachbarn ein Mitspracherecht eingeräumt sei.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 1. Dezember 1992, Zl. B 1628/92-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten insoferne verletzt, als die belangte Behörde unter § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung in Verbindung mit § 61 Abs. 2 leg. cit. die Legitimation zur Erhebung der Berufung angezweifelt habe. Weiters sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Gemeinderates die Parteistellung aberkannt worden. Dadurch sei der Beschwerdeführer in seinen ihm nach dem AVG zustehenden Rechten verletzt, insbesondere seien dies die Rechte auf Akteneinsicht, Parteiengehör, Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme u.a. mehr.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 70a der Steiermärkischen Bauordnung, LGBl. Nr. 149/1968 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989, lautet:
"Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
(1) Bei Bauarbeiten, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, ist die Baueinstellung zu verfügen. Vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, sind zu beseitigen. Mündlich verkündete Verfügungen sind schriftlich auszufertigen.
(2) Den Nachbarn steht das Recht zu, die Baueinstellung und die Beseitigung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten nach Abs. 1 ihre Interessen (§ 61 Abs. 2) verletzen."
Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Welche Bestimmungen dies sind, ist in den lit. a bis k der genannten Gesetzesbestimmung taxativ aufgezählt. Zu diesen Rechten gehört gemäß § 61 Abs. 2 lit. j auch die "Baueinstellung und Beseitigung (§ 70a Abs. 2)".
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 92/06/0091 ausgesprochen, daß § 70a Abs. 2 BO den Nachbarn nicht schlechthin das Recht einräumt, die Baueinstellung und die Beseitigung eines konsenslosen Bauwerkes (oder eines Teiles desselben) zu verlangen, sondern nur dann, wenn die Bauarbeiten ihre Interessen im Sinne des § 61 Abs. 2 verletzen. Wenn nun im § 61 Abs. 2 lit. j BO die Baueinstellung und Beseitigung im Sinne des § 70a Abs. 2 BO zu diesen Interessen gezählt wird, so führe dies im Ergebnis zu einer (endlosen) wechselseitigen Verweisung zwischen § 70a Abs. 2 BO und § 61 Abs. 2 lit. j BO. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien des § 70a Abs. 2 BO ergebe (siehe dazu Hauer, Steiermärkisches Baurecht, Seite 229), sollte durch Abs. 2 ein verbesserter Rechtsschutz dahingehend erreicht werden, daß der Nachbar bei konsensloser oder bescheidwidriger Bauführung und Verletzung seiner Interessen einen Rechtsanspruch auf Erlassung der Einstellungs- und Beseitigungsverfügung erhalten sollte. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt diese Rechtsansicht weiterhin und ist daher der Auffassung, daß eine (bloße) Konsenslosigkeit der Bauführung noch nicht ausreicht, um dem Nachbarn eine Parteistellung i.S.d. § 70a Abs. 2 BO zu verschaffen, solange nicht auch eine konkrete Verletzung seiner Interessen vorliegt. Eine solche Verletzung von Interessen des Nachbarn liegt aber nur dann vor, wenn durch die Bauführung gegen Bestimmungen verstoßen wurde, aufgrund derer der Nachbar im Baubewilligungsverfahren Einwendungen im Sinne des § 61 Abs. 2 BO erheben könnte. Dies setzt daher nicht nur die Bewilligungspflicht der Bauführung, sondern auch voraus, daß die Bauführung gegen die in § 61 Abs. 2 lit. a bis i oder k BO genannten gesetzlichen Bestimmungen verstößt und der Nachbar diese Rechtsverletzung geltend macht.
Zunächst ist festzuhalten, daß mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. April 1992 ohnedies die Baueinstellung verfügt wurde, sodaß der Beschwerdeführer in einem allfälligen Recht auf Verfügung einer Baueinstellung nicht verletzt sein konnte. Zu prüfen war daher lediglich, ob dem Beschwerdeführer ein Recht darauf zustand, die Beseitigung zu verlangen, weil die konsenslose Bauführung Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des § 61 Abs. 2 BO verletzte und er diese Rechtsverletzung geltend gemacht hat.
Zutreffend ist bereits die Vorstellungsbehörde davon ausgegangen, daß das geltend gemachte Recht auf Einhaltung der seinerzeit zugesicherten Aussicht kein im § 61 Abs. 2 lit. a bis k BO taxativ aufgezähltes subjektiv-öffentliches Recht ist und daher dem Nachbarn aufgrund einer behaupteten Verletzung eines derartigen Rechtes kein Mitspracherecht im Bauauftragsverfahren zukommt.
Gemäß § 61 Abs. 2 lit. a BO darf eine Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung (§ 2 Abs. 1 und § 58 Abs. 1 lit. a) nicht erteilt werden. Aus dem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. Juni 1992 geht hervor, daß gegenüber der Liegenschaft des Beschwerdeführers der Abstand zur Grundgrenze von 7,00 m auf 8,22 m vergrößert wurde, da das geplante Wohnhaus geringfügig und zwar um 1,50 m im nordwestlichen Bereich und 1,00 m im südwestlichen Bereich in das Grundstück Nr. 29/5 hineinversetzt wird. Dieses Grundstück ist im Eigentum der Erst- und Zweitmitbeteiligten. Mit Bescheid vom 23. Jänner 1992, somit vor der Anzeige des Beschwerdeführers vom 5. April 1992, wurde den Erst- und Zweitmitbeteiligten die Widmungsbewilligung zum Zweck der Schaffung eines Bauplatzes für das Grundstück Nr. 29/5 erteilt. Zu diesem Widmungsbewilligungsverfahren wurde der Beschwerdeführer nicht zugezogen.
Die Steiermärkische Bauordnung enthält keine Definition des Begriffes "Nachbar". Sie setzt diesen Begriff als bekannt voraus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Nachbar der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Grundstückes, welches sich zu dem zu bebauenden Grundstück in einem solchen Naheverhältnis befindet, daß er durch das zu bewilligende Vorhaben in seinen Rechten beeinflußt (beeinträchtigt) sein kann. Weder die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof noch die im Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte Beschwerde enthält ein Vorbringen dahingehend, aufgrund welcher Umstände dem Beschwerdeführer hinsichtlich des Grundstückes Nr. 29/5, das von dem Grundstück des Beschwerdeführers Nr. 29/3, durch das dazwischenliegende Grundstück Nr. 29/4 getrennt ist, im Hinblick auf die Errichtung eines Einfamilienhauses Parteistellung zukommen sollte. Auch für den Verwaltungsgerichtshof sind keine Umstände erkennbar, auf die sich eine Parteistellung des Beschwerdeführers in bezug auf das Grundstück Nr. 29/5 gründen könnte. Durch das vermeintliche Fehlen der Widmungsbewilligung für das erstgenannte Grundstück konnte somit im Beschwerdefall ein Recht des Beschwerdeführers nicht verletzt werden. Da, wie bereits ausgeführt, auch kein subjektiv-öffentliches Recht auf Beibehaltung einer zugesicherten Aussicht durch § 61 Abs. 2 BO eingeräumt ist - eine privatrechtliche Zusage könnte nur im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden -, kommt dem Beschwerdeführer in einem allfälligen Bauauftragsverfahren keine Parteistellung zu. Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
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