Normen
BauO Stmk 1968 §39 Abs1;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 lith;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §70a Abs1;
BauO Stmk 1968 §70a Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
BauO Stmk 1968 §39 Abs1;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 lith;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §70a Abs1;
BauO Stmk 1968 §70a Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
In der vorliegenden, auf Art. 132 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er habe als Nachbar der mitbeteiligten Parteien am 24. April 1991 beim Magistrat der Stadt Graz als Baubehörde erster Instanz gemäß § 70a der Steiermärkischen Bauordnung die Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages beantragt, da die mitbeteiligten Parteien auf ihrer Liegenschaft im Zuge einer Bauführung auf dem Dach des errichteten Bauwerkes ohne baubehördliche Bewilligung eine Solaranlage errichtet hätten, welche die obere Dachfirstkante um mindestens 3/4 m überrage. Mit Bescheid vom 30. September 1991 habe der Magistrat der Stadt Graz als Baubehörde erster Instanz den mitbeteiligten Parteien den Auftrag erteilt, die konsenslos errichteten Bauwerksteile binnen drei Wochen abzutragen bzw. den früheren Zustand wiederherzustellen. Die mitbeteiligten Parteien hätten diesen Beseitigungsauftrag mit einer am 14. Oktober 1991 eingebrachten Berufung bekämpft, über die die belangte Behörde zu entscheiden habe. Innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG (gemeint offenbar: § 73 Abs. 2 AVG) sei keine Erledigung über dieses Rechtsmittel ergangen.
Der Beschwerdeführer sei als Nachbar gemäß § 70a Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung berechtigt, die Baueinstellung und die Beseitigung einer angefangenen Bauausführung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten seine Interessen verletzten. Demgemäß verletze auch die Nichterledigung der vom Adressaten des Beseitigungsauftrages ergriffenen Berufung die rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers, wobei der Beschwerdeführer auf Hauer, Der Nachbar im Baurecht2, Seite 134 ff, verweist. Im weiteren Beschwerdevorbringen legt der Beschwerdeführer dar, aus welchen Gründen die Anbringung einer Solaranlage am Dach eines Hauses eine baubewilligungspflichtige Maßnahme darstelle und führt dann weiter wörtlich aus:
"Es darf nicht übersehen werden, daß durch die Errichtung dieser Anlage ein ganz schwerwiegender Eingriff in die Nachbarrechte des Antragstellers vorgenommen wird, ist doch überhaupt nicht sichergestellt, daß die betreffenden Anlageteile korrekt montiert worden sind. Auf dem Dach des Nachbarhauses wurde tatsächlich eine möglicherweise tonnenschwere Apparatur angebracht, ohne daß hiefür die erforderlichen statischen Berechnungen vorlägen; welche umso notwendiger wären, als durch ein Sturm- oder anderes Elementarereignis der Einsturz des Daches des Nachbarhauses bewirkt werden könnte, wobei es einsichtig ist, daß herabstürzende Teile auch die Liegenschaft des Antragstellers und die dort aufhaltenden Personen beschädigen könnten. ... Im übrigen wird schon jetzt vorsorglich vorgebracht, daß die vorliegende Anlage auch einer nachträglichen Bewilligung nicht zugänglich ist. Für die neuerliche Bauführung bedürfte es einer weiteren Widmungsbewilligung, die im Gegenstand aber nicht erteilt werden kann. Unabhängig von den bisher vorgebrachten Einwendungen im Vorverfahren darf nicht übersehen werden, daß durch die Anbringung der gg. Anlage die Höhe des Gebäudes der mitbeteiligten Parteien die zulässige Höchsthöhe (vgl. auch § 23 Stmk Raumordnungsgesetz) bei weitem überschreitet."
Die vorliegende Beschwerde erweist sich auf dem Boden des Beschwerdevorbringens aus nachfolgenden Gründen als unzulässig:
Das Mitspracherecht des Nachbarn hinsichtlich der Bewilligungspflicht von Bauführungen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.).
§ 70a der Steiermärkischen Bauordnung, LGBl. Nr. 149/1968 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989, lautet:
Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
(1) Bei Bauarbeiten, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, ist die Baueinstellung zu verfügen. Vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, sind zu beseitigen. Mündlich verkündete Verfügungen sind schriftlich auszufertigen.
(2) Den Nachbarn steht das Recht zu, die Baueinstellung und die Beseitigung zu verlangen, wenn die Bauarbeiten nach Abs. 1 ihre Interessen (§ 61 Abs. 2) verletzen."
Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Welche Bestimmungen dies sind, ist in den lit. a bis k der genannten Gesetzesbestimmung taxativ aufgezählt. Zu diesen Rechten gehört gemäß § 61 Abs. 2 lit. j auch die "Baueinstellung und Beseitigung (§ 70a Abs. 2)".
§ 70a Abs. 2 BO räumt den Nachbarn nicht schlechthin das Recht ein, die Baueinstellung und die Beseitigung eines konsenslosen Bauwerkes (oder eines Teiles desselben) zu verlangen, sondern nur dann, wenn die Bauarbeiten ihre Interessen im Sinne des § 61 Abs. 2 verletzen. Wenn nun im § 61 Abs. 2 lit. j BO die Baueinstellung und Beseitigung im Sinne des § 70a Abs. 2 BO zu diesen Interessen gezählt wird, so führt dies im Ergebnis zu einer (endlosen) wechselseitigen Verweisung zwischen § 70a Abs. 2 BO und § 61 Abs. 2 lit. j BO. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien des § 70a Abs. 2 BO ergibt (siehe dazu HAUER, Steiermärkisches Baurecht, Seite 229), sollte durch Abs. 2 ein verbesserter Rechtsschutz dahingehend erreicht werden, daß der Nachbar bei konsensloser oder bescheidwidriger Bauführung und Verletzung seiner Interessen einen Rechtsanspruch auf Erlassung der Einstellungs- und Beseitigungsverfügung erhalten sollte. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Auffassung, daß eine (bloße) Konsenslosigkeit der Bauführung noch nicht ausreicht, um dem Nachbarn eine Parteistellung i.S.d. § 70a Abs. 2 BO zu verschaffen, solange nicht auch eine konkrete Verletzung seiner Interessen vorliegt. Eine solche Verletzung von Interessen des Nachbarn liegt aber nur dann vor, wenn durch die Bauführung gegen Bestimmungen verstoßen wurde, aufgrund derer der Nachbar im Baubewilligungsverfahren Einwendungen im Sinne des § 61 Abs. 2 BO erheben könnte. Dies setzt daher nicht nur die Bewilligungspflicht der Bauführung, sondern auch voraus, daß die Bauführung gegen die in § 61 Abs. 2 lit. a bis i oder k BO genannten gesetzlichen Bestimmungen verstößt und der Nachbar diese Rechtsverletzung geltend macht.
Wendet man diese Rechtslage auf den Beschwerdefall (und zwar auf dem Boden des Beschwerdevorbringens) an, so ergibt sich folgendes:
Die Anbringung einer Solaranlage auf dem Dach eines Hauses ist eine Bauveränderung, die (jedenfalls) auf die äußere Gestaltung eines Hauses von Einfluß sein kann und daher gemäß § 57 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig ist (vgl. auch das Erkenntnis vom 12. Februar 1991, Zl. 88/06/0113, zur Tiroler Bauordnung). Eine ohne Bewilligung errichtete Solaranlage ist daher gemäß § 70a Abs. 1 BO zu beseitigen (sofern nicht eine nachträgliche Bewilligung erteilt wurde). Den Nachbarn steht aber nur dann das Recht zu, die Beseitigung zu verlangen, wenn die konsenslose Bauführung Interessen im Sinne des § 61 Abs. 2 BO verletzt.
In der vorliegenden Beschwerde wird in diesem Zusammenhang zunächst geltend gemacht, daß in Ermangelung der erforderlichen statischen Berechnungen eine Einsturzgefahr des Nachbarhauses bestehe. Es werde durch die gegenständliche Anlage (die die obere Dachfirstkante um mindestens 3/4 m überrage) auch die höchstzulässige "Höchsthöhe" des Gebäudes überschritten. Überdies sei die Widmungsbewilligung nicht erteilt worden.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß für Bauführungen im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. c BO gemäß § 58 Abs. 2 BO die Pflicht zum Nachweis der Widmung entfällt, sodaß aus der fehlenden Widmungsbewilligung (durch welche Rechte der Nachbarn gemäß § 61 Abs. 2 lit. a BO berührt werden könnten) im Beschwerdefall ein Recht des Nachbarn nicht verletzt wurde.
Dem Nachbar kommt gemäß § 61 Abs. 2 lit. e BO auch ein Rechtsanspruch auf Einhaltung der Gebäudehöhe im Sinne des § 5 BO zu. Gemäß § 5 BO gilt als Gebäudehöhe jedoch das Maß von der Verschneidung mit dem tiefsten Geländepunkt bis zur Dachtraufe. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, daß die auf dem Dach montierte Solaranlage den DACHFIRST übersteige, nicht jedoch, daß dadurch auch die Höhe der Dachtraufe verändert würde. Daß dies der Fall sein könnte, ist dem Verwaltungsgerichtshof auch sonst nicht erkennbar, sodaß auch insoweit vom Beschwerdeführer ein Nachbarrecht im Sinne des § 61 Abs. 2 lit. e BO nicht geltend gemacht wird.
Dem Nachbar steht aber nach der taxativen Aufzählung des § 61 Abs. 2 BO auch kein allgemeines Recht darauf zu, daß ein Gebäude einsturzsicher errichtet ist bzw. die erforderlichen statischen Berechnungen vorliegen. Die in diesem Zusammenhang am ehesten in Betracht kommende Bestimmung des § 61 Abs. 2 lit. h BO, wonach der Nachbar einen Rechtsanspruch auf Vermeidung einer Brandgefahr, sonstigen Gefährdungen und unzumutbaren Belästigungen im Sinne des § 39 Abs. 1 BO hat, bezieht sich ausschließlich auf Fragen des Brandschutzes im Zusammenhang mit Rauchfängen und Abgasfängen.
Ob dem Beschwerdeführer aus diesem Titel zivilrechtliche Ansprüche auf Beseitigung der konsenslosen baulichen Maßnahme aufgrund § 364 Abs. 2 ABGB zustehen, ist im Bauverfahren nicht zu prüfen. Zur Durchsetzung dieser Ansprüche wären vielmehr die ordentlichen Gerichte berufen.
Da somit der Beschwerdeführer - ungeachtet der Bewilligungspflicht der baulichen Maßnahme der mitbeteiligten Parteien - eine (denkbare) Verletzung von Nachbarrechten im Sinne des § 61 Abs. 2 BO in seiner Beschwerde nicht dartut, kommt ihm auf dem Boden seines eigenen Vorbringens ein Recht auf Beseitigung dieser baulichen Anlage im Sinne des § 70a Abs. 2 BO nicht zu.
Mangels eines diesbezüglichen subjektiv-öffentlichen Rechtes kommt dem Beschwerdeführer aber gemäß § 70a Abs. 2 BO auch keine Parteistellung im baupolizeilichen Beseitigungsverfahren und daher auch nicht das Recht auf Geltendmachung der Entscheidungspflicht der Behörde hinsichtlich einer von einer anderen Partei gegen den erlassenen Beseitigungsauftrag eingebrachten Berufung zu.
Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
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