VwGH 93/05/0245

VwGH93/05/024515.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der XY reg. Genossenschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. August 1993, Zl. MD-VfR - B X - 16/93, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1976/018;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1990/007;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1992/034;
BauONov Wr 1992/034 Art3;
BauONov Wr 1992/034 Art4;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1976/018;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1990/007;
BauO Wr §74 Abs1 idF 1992/034;
BauONov Wr 1992/034 Art3;
BauONov Wr 1992/034 Art4;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. August 1993 wurde "das am 22. Juni 1993 eingebrachte Ansuchen" der Beschwerdeführerin "um Verlängerung der Baubeginnsfrist für die am 30. Juni 1989 ... erteilte Baubewilligung für die Bauführung" auf der Liegenschaft Wien 10, X-Gasse nn, abgewiesen.

Die Berufungsbehörde wies in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, aus dem Antrag der Beschwerdeführerin ergebe sich, daß mit der im Jahre 1989 bewilligten Bauführung noch nicht begonnen worden sei. Die Beschwerdeführerin strebe somit offensichtlich eine Verlängerung der Baubeginnsfrist an, wie sie bis zum Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1992 habe gewährt werden können. Die maßgebende Bestimmung des § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien sei durch die erwähnte Novelle LGBl. für Wien Nr. 34/1992 neu gefaßt worden und sehe eine Verlängerung der Baubeginnsfrist nicht mehr vor. Lediglich die Bauvollendungsfrist könne in begründeten Ausnahmefällen verlängert werden, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstünden. Die Bauordnungsnovelle 1992 enthalte keine Übergangsbestimmungen, die eine Anwendung der früheren Fassung des § 74 der Bauordnung für Wien auf Bauvorhaben vorsehen, welche noch vor dem Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1992 bewilligt worden seien. Nur wenn vor dem 1. Oktober 1992 um die Verlängerung der Baubeginnsfrist angesucht worden wäre, hätte eine solche Verlängerung unter Bedachtnahme auf Art. IV der Bauordnungsnovelle 1992 noch gewährt werden können. Nach dieser Übergangsbestimmung würden für alle zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen gelten. Anhängig sei ein Verfahren, solange kein abschließender Bescheid (der letzten Instanz) ergangen sei. Ein Baubewilligungsverfahren werde mit dem Baubewilligungsbescheid und nicht erst mit der tatsächlichen Ausführung des Vorhabens abgeschlossen. Angesichts der durch die Bauordnungsnovelle 1992 geschaffenen Rechtslage fehle der Verlängerung der Baubeginnsfrist jede Grundlage.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zufolge § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/1992 (Bauordnungsnovelle 1992) werden Baubewilligungen gemäß § 70 unwirksam, wenn binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung nicht begonnen wird. Nach ihrem Art. III Abs. 2 ist diese Novelle mit 1. Oktober 1992 in Kraft getreten. Ihr Art. IV bestimmt, daß für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen gelten.

Daraus folgt, daß Verlängerungen der Baubeginnsfrist seit dem 1. Oktober 1992 im Geltungsbereich der Bauordnung für Wien nicht mehr möglich sind, sofern ein diesbezügliches Ansuchen nicht schon vor diesem Tag eingebracht worden ist. Das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Ansuchen der Beschwerdeführerin "um Gewährung der Verlängerung der Wirksamkeit der Baubewilligung vom 30.6.1989" ist am 22. Juni 1993 bei der Baubehörde erster Instanz eingelangt und daher in Ermangelung einer gesetzlichen Möglichkeit zur Verlängerung von Baubeginnsfristen zu Recht abgewiesen worden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt kein Anwendungsfall der Übergangsbestimmung des Art. IV der zitierten Novelle vor, weil das Ansuchen um Verlängerung der Baubeginnsfrist erst nach dem Inkrafttreten dieser Novelle eingebracht worden ist, also im Zeitpunkt des Inkrafttretens derselben kein diesbezügliches Verfahren anhängig war. Jenes Verfahren, welches zur Erlassung des nach der Aktenlage durch kein Rechtsmittel bekämpften erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides vom 30. Juni 1989 geführt hat, war nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig abgeschlossen und daher im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der erwähnten Bauordnungsnovelle im Sinne der Übergangsbestimmung nicht mehr "anhängig". Abgesehen davon handelt es sich bei Verfahren zur Erteilung einer Baubewilligung und solchen, welche die Verlängerung derselben zum Gegenstand haben, um getrennte Verwaltungsverfahren, sodaß der Umstand, daß die in Rede stehende Baubewilligung vor dem Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1992 rechtskräftig erteilt worden ist, für die Frage der Anwendbarkeit der erwähnten Übergangsbestimmung auch aus diesem Grunde ohne rechtliche Bedeutung ist.

Die belangte Behörde hatte daher entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht die Bestimmungen des § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992 anzuwenden, wobei den in diesem Zusammenhang geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten ist, daß die Baubeginnsfrist auf Grund der Bauordnungsnovelle 1992, also ex lege, um zwei Jahre verlängert worden ist, sodaß ohne bescheidmäßige Verlängerung der Baubeginnsfrist erst vor Ablauf von vier Jahren ab Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides mit der Bauführung begonnen werden muß, um das Unwirksamwerden der Baubewilligung zu verhindern. Durch diese kraft Gesetzes erfolgte Verlängerung der Baubeginnsfrist fällt der mit den Verlängerungsverfahren wegen der Notwendigkeit der Beiziehung der Nachbarn verbundene erhebliche Verwaltungsaufwand weg. Außerdem war bei der Neuregelung einerseits der durchschnittliche praktische Zeitaufwand bis zum Baubeginn, insbesondere im Hinblick auf die Mittelbeschaffung, und andererseits der Umstand zu berücksichtigen, daß die Stadtplanung durch zu lange Existenzdauer von Baubewilligungen nicht unterlaufen werden darf (siehe "Perspektiven", Heft 8/9/1992, S. 68). Der Gerichtshof hält diese Änderung des § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien demnach für verfassungsrechtlich unbedenklich und hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß anläßlich der in Rede stehenden Änderung der Rechtslage im Art. IV der Novelle für die zur Zeit des Wirksamwerdens der Novelle anhängigen Verfahren eine Übergangsregelung geschaffen worden ist, weil auch in jenen Fällen, in welchen die geänderte Rechtslage maßgebend ist, unmittelbar auf Grund des Gesetzes nunmehr, wie schon erwähnt worden ist, eine vierjährige, also gegenüber der bisherigen Rechtslage um zwei Jahre längere Baubeginnsfrist gilt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher keinen Anlaß zu einem diesbezüglichen Anfechtungsantrag an den Verfassungsgerichtshof.

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, ihr "Antrag auf Verlängerung der Baubeginnsfrist datierte ursprünglich vom 6.2.1992", wobei "darin die Zusammenlegung der Fristen für den Baubeginn" bezüglich der Baubewilligungen vom 30. Juni 1989 und vom 9. Februar 1990 beantragt, dieser Antrag "vor Inkrafttreten der Novelle 1992 gestellt und (bestenfalls) teilweise erledigt" worden ist. Mit diesem Umstand habe sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keinen

im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlichen, also

zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden

Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil einerseits die Verlängerung

der Wirksamkeit der Baubewilligung vom 9. Februar 1990 nicht

Gegenstand des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden

Antrages der Beschwerdeführerin war, und andererseits die

Wirksamkeit der Baubewilligung vom 30. Juni 1989, auf welche

sich das beschwerdegegenständliche Verlängerungsansuchen

bezieht, mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom

16. Juni 1992 bis 30. Juni 1993 verlängert worden war, weshalb

sich die Beschwerdeführerin veranlaßt gesehen hat, in dem den

angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Schriftsatz vom

22. Juni 1993 "die Gewährung der Verlängerung der Wirksamkeit

der Baubewilligung vom 30.6.1989 ... um zwei Jahre, auf den

30.6.1993" zu beantragen. Dem Hinweis der Beschwerdeführerin,

"daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der

Bauordnungsnovelle 1992 bei der Baubehörde erster Instanz ein

Verfahren bezüglich des Antrages auf Verlängerung ... von

Baubeginnsfristen anhängig war", kommt daher im gegebenen Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung zu, weil das mit dem Verlängerungsantrag vom 6. Februar 1992, also noch vor dem Wirksamwerden der Bauordnungsnovelle 1992, eingeleitete Verfahren am Tage des Inkrafttretens dieser Novelle bereits rechtskräftig abgeschlossen, also im Sinne der Übergangsbestimmungen des Art. IV dieser Novelle nicht mehr anhängig war.

Durch die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin vom 22. Juni 1993 sind daher ihre Rechte nicht verletzt worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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