Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwischen den Parteien der Beschwerdeverfahren ist die Frage strittig, ob verschiedene Außendienstmitarbeiter der N Versicherungsanstalt in Y als Arbeitnehmer der in den Gemeindegebieten der beschwerdeführenden Stadtgemeinden gelegenen Betriebsstätten anzusehen sind.
Die beschwerdeführenden Stadtgemeinden hatten betreffend die Streitjahre beim Finanzamt gemäß § 29 GewStG Anträge auf Feststellung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme gestellt. Sie hatten vorgebracht, die N Versicherungsanstalt in Y unterhalte in A bzw. B jeweils eine Geschäftsstelle, die als Betriebsstätte gemäß § 29 BAO anzusehen sei. Dort seien neben den "Geschäftsstellenkräften" Außendienstmitarbeiter ("Versicherungsinspektoren") beschäftigt. Diese Außendienstmitarbeiter seien der jeweils im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Stadtgemeinde gelegenen Geschäftsstelle arbeitsmäßig zuzuordnen. Die Lohnsummensteuer sei daher an die beschwerdeführenden Stadtgemeinden zu entrichten.
Mit den im Instanzenzug erlassenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Stadtgemeinden ab. Sie vertrat im wesentlichen die Auffassung, die Außendienstmitarbeiter könnten organisatorisch nur der jeweiligen Landesdirektion zugeordnet werden und nicht einer Geschäftsstelle, in deren Einzugsbereich sie zufällig tätig seien. Die Begründung der angefochtenen Bescheide entspricht vollinhaltlich jener des Bescheides der belangten Behörde vom 29. Oktober 1991, Zl. B 121-4/90, der mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1992, Zl. 91/15/0153 (im folgenden: Vorerkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Auf die im Vorerkenntnis enthaltene Darstellung des Verfahrensganges wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden; die beschwerdeführenden Stadtgemeinden erachten sich in ihrem Recht auf Festsetzung eines Lohnsummensteuermeßbetages in der jeweiligen Stadtgemeinde verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über die Beschwerden wegen des sachlichen Zusammenhanges verbunden und über diese erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 1 GewStG ist Besteuerungsgrundlage der Lohnsummensteuer die Lohnsumme, die in jedem Kalendermonat an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebsstätte gezahlt worden ist.
Für die Frage der lohnsummensteuerlichen Zuordnung eines Außendienstmitarbeiters (zur Zentrale eines Unternehmens oder zu einer anderen Betriebsstätte) kommt es darauf an, wo sich die Haupttätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers vollzieht. Entscheidend ist, zu welcher der mehreren Betriebsstätten die engere ständige Beziehung besteht, was nicht allein von der Frage abhängt, von wo aus der leitende Einsatz des Dienstnehmers erfolgt. Entscheidende Faktoren sind weiters das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes in der Geschäftsstelle, die Beziehung der Außendienstmitarbeiter zu den in der Geschäftsstelle sonst tätigen anderen Dienstnehmern, die Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Geschäftsstelle bzw. der Zentrale und der Umstand, ob ein Außendienstmitarbeiter nur eine bestimmte Geschäftsstelle (bzw. deren räumlichen Einzugsbereich) oder auch andere betreut. Daß die Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters von der Zentrale aus geleitet wird, ist nur dann von entscheidender Bedeutung, wenn im konkreten Fall zu keiner anderen Betriebsstätte eine (im beispielsweise aufgezeigten Sinn) engere Beziehung besteht (vgl. das Vorerkenntnis vom 23. April 1992, Zl. 91/15/0153).
In diesem Zusammenhang rügen die Beschwerdeführerinnen, die belangte Behörde habe den tatsächlichen Ort der Dienstausübung der Außendienstmitarbeiter nicht festgestellt; damit sind die Beschwerdeführerinnen im Ergebnis im Recht. Der angefochtene Bescheid enthält zwar eine Reihe von Sachverhaltselementen, zeigt jedoch nicht in der erforderlichen, einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglichen Weise auf, worauf sich die einzelnen Feststellungen stützen. Weder der Begründung der angefochtenen Bescheide noch dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogenen Sachverhaltselemente den Beschwerdeführerinnen vorgehalten wurden und diesen Gelegenheit gegeben wurde, jene Aspekte, die in den Beschwerden vorgebracht werden (insbesondere die Behauptung, daß die Außendienstmitarbeiter in der Geschäftsstelle über Räume und Schreibtische verfügten, dort ihre Bürotätigkeit verrichteten und sich dort jeweils häufiger und länger aufhielten als in der Zentrale), im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Dazu kommt, daß sich die Begründung der angefochtenen Bescheide auf Feststellungen des Finanzamtes bezieht, die den erstinstanzlichen Bescheiden nicht entnommen werden können. Die Begründungen der angefochtenen Bescheide lassen somit nicht erkennen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidungen in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Fehler zu anderen Bescheiden hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Aussprüche über den Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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