VwGH 91/15/0153

VwGH91/15/015323.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der Stadtgemeinde X, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 29. Oktober 1991, Zl. B 121-4/90, betreffend Feststellung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme für die Kalenderjahre 1983 bis 1987 (mitbeteiligte Partei: N-Versicherungsanstalt in Y), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §288 Abs1 litd;
BAO §29 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
GewStG §25 Abs1;
GewStG §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §29 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
GewStG §25 Abs1;
GewStG §30 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Frage strittig, ob verschiedene Außendienstmitarbeiter der mitbeteiligten Partei als Arbeitnehmer der im Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin gelegenen Betriebsstätte anzusehen sind oder nicht.

Die Beschwerdeführerin stellte am 4. Jänner 1989 betreffend die Streitjahre beim Finanzamt gemäß § 29 GewStG den Antrag auf Feststellung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme. Sie brachte vor, die mitbeteiligte Partei unterhalte in X eine Geschäftsstelle, die als Betriebsstätte gemäß § 29 BAO anzusehen sei. Dort seien neben den Geschäftsstellenkräften Außendienstmitarbeiter (Versicherungsinspektoren) beschäftigt. Diese seien arbeitsmäßig ebenfalls der Geschäftsstelle X zuzuordnen. Das Finanzamt hingegen wies den Antrag - ohne Feststellungen über die Tätigkeit der Dienstnehmer zu treffen - ab und vertrat die Auffassung, Außendienstmitarbeiter müßten derjenigen Betriebsstätte zugeordnet werden, mit der sie überwiegend betrieblich verbunden seien. Die stärkste betriebliche Verbindung bestünde regelmäßig zu jener Betriebsstätte, von der aus die Mitarbeiter geleitet würden. Im vorliegenden Fall seien die Löhne der Außendienstmitarbeiter der Zentrale in Y zuzuordnen, weil sowohl die Leitung der Geschäftsstelle in X als auch der Außendienstmitarbeiter von Y aus erfolge.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin im wesentlichen mit der Behauptung, die in Rede stehenden Außendienstmitarbeiter übten ihre Tätigkeit ausschließlich von der Betriebsstätte in X aus und fänden sich nur äußerst selten am Sitze des Unternehmens in Y ein. Die Richtigkeit dieser Behauptungen lasse sich durch Einsichtnahme in die Reisetätigkeiten (Reisekostennachweise für Werbungskosten) erhärten. Aus den Reisebewegungen könne ersehen werden, wie oft die Außendienstmitarbeiter die Zentrale in Y bzw. die Betriebsstätte in X aufsuchten. Daß die Außendienstmitarbeiter organisatorisch vom Sitz des Unternehmens aus eingesetzt würden, sei ohne Belang, weil das Vorhandensein einer weiteren Betriebsstätte, nämlich jener in X, die Zuordnung der Lohnsumme zu dieser Betriebsstätte begründe. Überall dort, wo Betriebsstätten von gewerblichen Unternehmen vorlägen, erfolge zwangsläufig der organisatorische Einsatz von einer zentralen Betriebsstätte (dem Sitz) aus. Bei der Abgabenkontrolle habe festgestellt werden können, daß die überwiegende betriebliche Verbundenheit mit der Betriebsstätte in X gegeben sei und demnach auch hier die Zuordnung der Arbeitslöhne zu erfolgen habe. Es sei der Grundsatz des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer, die als Gemeindeabgabe konzipiert worden sei, zu berücksichtigen; die erwachsenden Kosten fielen nicht in der Zentrale sondern in X an.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Die Außendienstmitarbeiter hätten vor allem die Aufgabe, für die Ausbreitung des Geschäftes der Anstalt sowie für eine ordnungsgemäße Kundenbetreuung zu sorgen (§ 2 des Dienstvertrages). Der im Dienstvertrag genannte Bereich, in der Regel das Gebiet eines politischen Bezirkes, gelte nach dessen § 4 als festes Arbeitsgebiet. Die Einteilung des Arbeitsgebietes und die sich daraus für den Außendienstmitarbeiter ergebenden Pflichten und Rechte bildeten keine Grundlage für einen Gebietsschutz. Der Anstalt stehe vielmehr das Recht zu, in jedem Arbeitsgebiet nebenberufliche Mitarbeiter, Makler oder Verkaufsorganisatoren einzusetzen und anstaltseigene Verkaufsmaßnahmen zu treffen (Art. I und IV der Ergänzung zum Dienstvertrag für hauptberufliche Mitarbeiter).

Die Außendienstmitarbeiter seien dienstrechtlich dem jeweiligen Leiter der Landesdirektion unterstellt. An deren Sitz befinde sich auch ihr arbeitsrechtlicher Dienstort.

Auch die Leitung der Geschäftsstellen (Bezirksstellen) obliege dem Leiter der Landesdirektion. Die Außendienstmitarbeiter seien den Mitarbeitern des Innendienstes in den Geschäftsstellen weder vorgesetzt noch untergeben. Sie verfügten in den Geschäftsstellen auch nicht über eine Arbeitsstätte im einkommensteuerrechtlichen Sinn, sodaß kein sogenanntes Kfz-Pauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1972 zur teilweisen Abgeltung der Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Geschäftsstelle zustünde.

Aus den von der Beschwerdeführerin zum vermeintlichen Beweis ihrer Annahme, die Außendienstmitarbeiter übten ihre Tätigkeit ausschließlich von der in ihrem Gemeindegebiet unterhaltenen Betriebsstätte aus, genannten Aufzeichnungen (Reisekostennachweis für Werbungskosten) ergebe sich auch sonst nicht der geringste Anhaltspunkt für die Richtigkeit dieser Annahme. Aus diesen Aufzeichnungen sei vielmehr ersichtlich, daß die Außendienstmitarbeiter ihre Dienstreisen nicht von der Geschäftsstelle, sondern grundsätzlich vom Wohnort aus anträten. Gegen die Richtigkeit der Annahme der Berufung der Beschwerdeführerin spreche auch die Tatsache, daß die Errichtung und Erhaltung von Geschäftsstellen hauptsächlich aus werbetechnischen Gründen erfolge, um dem Kunden die Nähe der Versicherungsanstalt N zu demonstrieren. Die Errichtung einer Geschäftsstelle erfolge grundsätzlich ohne Berücksichtigung des Außendienstes nach Genehmigung eines Vorschlages der Organisationsabteilung durch den Vorstand der Anstalt und setze ein geeignetes Objekt in zentraler Lage und einen großen Versichertenbestand voraus. Infolge dieses den Geschäftsstellen zugedachten Zweckes seien deren Kompetenzen sehr gering. Es bestünde beispielsweise keine Ermächtigung, Verträge anzunehmen, abzulehnen oder Änderungen vorzunehmen etc. Sie hätten im wesentlichen lediglich die Funktion einer Postabgabestelle, die den Verkehr zwischen den Kunden und der Landesdirektion erleichtern solle und dienten daher den Kunden und in der Folge natürlich auch den Außendienstmitarbeitern als Anlaufstelle bzw. als Kontaktadresse.

Der Schriftverkehr zwischen der Anstalt und den Außendienstmitarbeitern werde grundsätzlich direkt und ohne Einschaltung einer Geschäftsstelle abgewickelt. Die Außendienstmitarbeiter hätten jedoch die Möglichkeit, Schriftstücke auch im Wege einer Geschäftsstelle an die Landesdirektion zu übermitteln.

Die Außendienstmitarbeiter hätten weiters die Möglichkeit, einen Raum in einer Geschäftsstelle für Tätigkeiten zu nutzen, die ansonsten in einer Gaststätte oder in der Wohnung entweder des Kunden oder des Außendienstmitarbeiters ausgeübt werden müßten. Die insgesamt in einer Geschäftsstelle verbrachte Zeit gehe nach den Aussagen des Abgabenschuldners und den Feststellungen des Finanzamtes nicht über eine bzw. maximal eineinhalb Stunden an einem Tag hinaus.

Welche Ermittlungen die belangte Behörde im einzelnen durchführte und auf Grund welcher Erwägungen sie zu dem von ihr angenommenen Sachverhalt gelangte, ist weder der Begründung des angefochtenen Bescheides noch den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen.

Rechtlich vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die Lohnsummensteuer betriebsstättenweise zu berechnen sei, wobei der einzelnen Betriebsstätte die Lohnsummen jener Arbeitnehmer zuzurechnen seien, die mit der Betriebsstätte vorwiegend verbunden seien, auch wenn sie für eine oder mehrere weitere Betriebsstätten tätig würden bzw. ihre Tätigkeit außerhalb der Räumlichkeiten der eigentlichen Betriebsstätte ausübten. Es seien daher der einzelnen Betriebsstätte die Löhne jener Arbeitnehmer zuzurechnen, die zu dieser Betriebsstätte organisatorisch gehörten, wobei es nicht erforderlich sei, daß der einzelne Arbeitnehmer in der Arbeitsstätte dauernd tätig sei. Maßgeblich sei jene Betriebsstätte, von der aus er leitend eingesetzt werde.

Diese Auffassung werde dem Besteuerungszweck am ehesten gerecht, nämlich die Vergütungen eines Arbeitnehmers der Betriebsstätte in jener Gemeinde zuzuweisen, der durch diesen Arbeitnehmer die größten Lasten erwüchsen. Beim dargestellten Sachverhalt könne nicht der geringste Zweifel bestehen, daß die Außendienstmitarbeiter organisatorisch nur der jeweiligen Landesdirektion zugeordnet werden könnten und nicht einer Geschäftsstelle, in deren Einzugsbereich sie zufällig tätig seien. Einsatz und Leitung der Dienstnehmer erfolge ausschließlich durch die Landesdirektion, den Geschäftsstellen komme dabei kein Recht der Einflußnahme zu. Es könne auch keine Rede davon sein, daß die Dienstnehmer ständig von der Betriebsstätte X aus tätig wären. Die Einsichtnahme in die maßgeblichen Akten der Dienstnehmer bestätige vielmehr die Feststellung des Finanzamtes, daß sie ihre Dienstreisen regelmäßig am Wohnort beginnen und dort auch wieder beenden und daß die Geschäftsstelle weder als dienst- noch als einkommensteuerrechtliche Arbeitsstätte der Außendienstmitarbeiter angesehen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, daß die Außendienstmitarbeiter der mitbeteiligten Partei lohnsummensteuerlich der Betriebsstätte X zuzuordnen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 1 GewStG ist Besteuerungsgrundlage der Lohnsummensteuer die Lohnsumme, die in jedem Kalendermonat an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gezahlt worden ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof erst unlängst in seinem Erkenntnis vom 30. März 1992, Zl. 91/15/0112, zum Ausdruck gebracht hat, kommt es für die Frage der lohnsummensteuerlichen Zuordnung eines Außendienstmitarbeiters zur Zentrale eines Unternehmens oder zu einer anderen Betriebsstätte darauf an, wo sich die Haupttätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers vollzieht. Entscheidend ist, zu welcher der mehreren Betriebsstätten die engere ständige Beziehung besteht, was nicht allein von der Frage abhängt, von wo aus der leitende Einsatz des Dienstnehmers erfolgt, sondern auch von Faktoren wie: Dem Vorhandensein eines Arbeitsplatzes in der Geschäftsstelle, der Beziehung der Außendienstmitarbeiter zu den in der Geschäftsstelle sonst tätigen anderen Dienstnehmern, dem regelmäßigen Aufsuchen der Geschäftsstelle bzw. der Zentrale und dem Umstand, ob ein Außendienstmitarbeiter nur eine bestimmte Geschäftsstelle (bzw. deren räumlichen Einzugsbereich) oder auch andere betreut. Daß die Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters von der Zentrale aus geleitet wird, ist nur dann von entscheidender Bedeutung, wenn im konkreten Fall zu keiner anderen Betriebsstätte eine (im beispielsweise aufgezeigten Sinn) engere Beziehung besteht.

Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde habe den tatsächlichen Ort der Dienstausübung der Außendienstmitarbeiter nicht festgestellt und die Begründung des angefochtenen Bescheides als unschlüssig bezeichnet, ist ihr im Ergebnis beizupflichten. Der angefochtene Bescheid enthält zwar eine Reihe von Sachverhaltselementen, zeigt jedoch nicht in der erforderlichen, einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglichen Weise auf, worauf sich die einzelnen Feststellungen jeweils stützen und hat insofern in den vorgelegten Verwaltungsakten auch keine Grundlage. Den Verwaltungsakten ist darüber hinaus nicht zu entnehmen, daß die von der belangte Behörde zur Begründung herangezogenen Sachverhaltselemente der Beschwerdeführerin vorgehalten worden wären. Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt nicht erkennen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat (vgl. dazu z.B. Stoll, BAO-Handbuch 222). Weder der Begründung des angefochtenen Bescheides noch dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, ob die Beschwerdeführerin in einem ordnungsgemäßen Verfahren überhaupt die Gelegenheit hatte, jene Aspekte, die sie jetzt in der Beschwerde vorbringt (insbesondere die Behauptung, daß die Außendienstmitarbeiter in der Geschäftsstelle über Räume und Schreibtische verfügten, dort ihre Bürotätigkeit verrichteten und sich dort jedenfalls häufiger und länger aufhielten als in der Zentrale), im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Dazu kommt, daß sich die Begründung des angefochtenen Bescheides auf Feststellungen des Finanzamtes bezieht, die dem erstinstanzlichen Bescheid gar nicht zu entnehmen sind.

Der angefochtene Bescheid leidet daher an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Fehler zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm BGBl. Nr. 104/1991.

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