VwGH 92/12/0055

VwGH92/12/005528.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des H in O, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 7. Jänner 1992, Zl. 2/02-3057631/13-1991, betreffend Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §52;
BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
LDG 1984 §12 Abs1 Z1;
LDG 1984 §12 Abs3;
AVG §37;
AVG §52;
BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
LDG 1984 §12 Abs1 Z1;
LDG 1984 §12 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der 1939 geborene Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 (LDG) mit Wirksamkeit vom 31. Jänner 1992 in den Ruhestand versetzt. Der Bemessung des Ruhegenusses wurden die Bezüge der Verwendungsgruppe L 2a2, 17. Gehaltsstufe und eine ruhegenußfähige Dienstzeit von 35 Jahren zugrunde gelegt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seit 21. Mai 1991 dienstunfähig. Laut amtsärztlichem Gutachten vom 8. August 1991 wäre der Beschwerdeführer für den Unterricht von gut motivierten Schülern jüngerer Jahrgänge geeignet. Dieselbe Aussage enthalte das fachärztliche Gutachten von Univ.Prof. Dr. M vom 1. Juli 1991. In einem Ergänzungsgutachten des Gesundheitsamtes Salzburg-Umgebung vom 26. September 1991 werde dem Beschwerdeführer auf Grund von Persönlichkeitsstörungen eine Eignung als Hauptschullehrer abgesprochen. Dieses Gutachten laute:

"Herr HOL H wurde heute neuerlich im Gesundheitsamt Salzburg-Umgebung untersucht.

Er berichtet weit ausholend und in abschweifenden Gedankengängen von seinen Schwierigkeiten im Unterricht, die er vor allem seiner Verwendung als Aushilfslehrer zuschreibt, wodurch er ständig den Kontakt mit den Schülern verlöre. Er spielt auf genaueres Befragen die Vorfälle herab, schiebt die Schuld auf andere und macht insgesamt einen rat- und hilflosen Eindruck. Antrieb und Motorik sind herabgesetzt, die Stimmung gedrückt. Auf Grund der heutigen Untersuchung wird das Gutachten vom 8. August 1991 wie folgt präzisiert: Bei Herrn HOL H liegt keine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinne vor. Auf Grund der Persönlichkeitsstörungen ist jedoch seine Eignung als Hauptschullehrer aus ärztlicher Sicht zu verneinen."

Nachdem dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben worden war, zu der beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand Stellung zu nehmen, habe er vorgebracht, daß er sich für den Einsatz als Begleitlehrer geeignet fühle und sich gegen die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand ausspreche.

Zur Beweiswürdigung wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, mit den angeführten Gutachten sei dem Beschwerdeführer die Dienstfähigkeit als Hauptschullehrer abgesprochen worden. Die Gutachten seien schlüssig. Der Beschwerdeführer selbst bringe keine Argumente vor, die die Gutachten in Frage stellen würden. Er bringe nur vor, daß er sich für einen Einsatz als Begleitlehrer für gut motivierte Schülergruppen geeignet fühle. Die Dienstbehörde gehe daher im Sinne des abschließenden amtsärztlichen Gutachten vom 26. September 1991 davon aus, daß der Beschwerdeführer auf Dauer dienstunfähig sei. Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 12 Abs. 1 und 3 LDG wird zur rechtlichen Beurteilung ausgeführt, unter "Dienstunfähigkeit" sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die durch körperliche und geistige Unzulänglichkeit bedingte Unfähigkeit des Landeslehrers, den Dienstobliegenheiten ordnungsgemäß nachzukommen, zu verstehen. Es könne darunter nicht die Unfähigkeit zu jeglicher Art von Dienstverrichtungen, sondern nur die Unfähigkeit des Landeslehrers, seine ihm auf Grund seiner dienstrechtlichen Stellung zukommenden Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, verstanden werden. Unter Dienstunfähigkeit sei alles zu verstehen, was die Eignung des Landeslehrers zur Versehung des Dienstes aufhebe, also nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften, welche die ordnungsgemäße Führung der dem Landeslehrer übertragenen Geschäfte ausschließe. Der Beschwerdeführer sei als Hauptschullehrer der Lehrerreserve des Bezirkes Salzburg-Umgebung tätig. Das amtsärztliche Ergänzungsgutachten vom 26. September 1991 verneine die Eignung als Hauptschullehrer auf Grund von Persönlichkeitsstörungen. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich, die ihm auf Grund seiner dienstrechtlichen Stellung als Hauptschullehrer zukommenden Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen. Der Einsatz als Begleitlehrer für gut motivierte Schüler sei nicht möglich, weil ein Selektieren gut motivierter Schüler nicht durchführbar sei. Die Feststellung des Tatbestandes im Sinn des § 12 Abs. 1 LDG beruhe auf Grund der Dienstunfähigkeit seit 21. Mai 1991 sowie der durch ärztliche Gutachten festgestellten dauernden Persönlichkeitsstörungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist im Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, BGBl. Nr. 302 (LDG 1984) geregelt. Nach § 12 Abs. 1 des genannten Gesetzes ist der Landeslehrer von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er

  1. 1. dauernd dienstunfähig oder
  2. 2. infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen und dienstunfähig ist oder
  3. 3. aus gesundheitlichen Gründen eine Ermäßigung der Lehrverpflichtung auf die Hälfte ihres Ausmaßes durch mindestens zwei Jahre erhalten hat.

    Gemäß Abs. 3 desselben Paragraphen ist der Landeslehrer dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllt und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der gleichartigen Regelung im § 14 Abs. 1 BDG 1979 in ständiger Rechtsprechung erkennt, ist die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu stellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen. Das ärztliche Sachverständigengutachten muß ausreichend begründet, d.h. aus dem objektiven Befund schlüssig abgeleitet sein. Eine Sachverständigenäußerung, die sich in der Abgabe eines allgemein gehaltenen Urteils erschöpft, ist als Beweismittel unbrauchbar und die Behörde, die ein solches Urteil ihrem Bescheid zugrunde legt, verletzt ihre Pflicht zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1985, Zl. 84/12/0121 und die dort zitierte Judikatur).

Den oben dargelegten Anforderungen werden die Gutachten, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt, nicht gerecht. Soweit darin die mangelnde Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers als Hauptschullehrer festgestellt wird, sind sie unbeachtlich, weil es sich hiebei um eine von der Dienstbehörde zu entscheidende Rechtsfrage handelt (vgl. auch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1984, Zl. 83/12/0150).

Im übrigen geben die Gutachten keinen ausreichenden Aufschluß über die Art der Erkrankung des Beschwerdeführers, bzw. welche aus ärztlicher Sicht feststellbaren physischen oder psychischen Beeinträchtigungen ("Persönlichkeitsstörungen") beim Beschwerdeführer vorliegen, die ihn zur Erfüllung dienstlicher Aufgaben unfähig machen und ob andererseits eine Besserung des Zustandes (Heilungschance) zu erwarten ist.

Insbesondere ist das im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebene amtsärztliche Gutachten vom 26. September 1991 nicht als schlüssig anzusehen, weil einerseits ausdrücklich festgestell wird, eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinne liege nicht vor, andererseits aber auf Grund von Persönlichkeitsstörungen seine Eignung als Hauptschullehrer aus ärztlicher Sicht verneint wird, ohne daß Feststellungen über Art und Ausmaß der beim Beschwerdeführer "Persönlichkeitsstörungen" bezogen auf die Verwendungsfähigkeit bzw. eingeschränkte Verwendungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Unterricht. Auch fehlt jeder Anhaltspunkt auf die mögliche Dauer der "Persönlichkeitsstörungen" sowie eine Prognose, die es erlauben könnte von einer "dauernden" Dienstunfähigkeit zu sprechen.

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer die mangelnde Schlüssigkeit des von der belangten Behörde als Grundlage der Feststellung der Dienstunfähigkeit herangezogenen Sachverständigengutachtens auch deshalb, weil die Tatsachenfeststellungen (Befund) mangelhaft sind. Die festgestellten Eindrücke über den Zustand des Beschwerdeführers lassen keinen überprüfbaren Schluß in der Richtung zu, daß der Untersuchte "Persönlichkeitsstörungen" aufweise, die ihn zum Dienst unfähig machen sollen. Da auch nicht festgestellt wurde, welche "Persönlichkeitsstörungen" beim Beschwerdeführer vorliegen, kann nicht beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist.

Zutreffend rügt der Beschwerdeführer auch, daß sich die belangte Behörde mit den erheblichen Widersprüchen zwischen dem Gutachten des nervenärztlichen Sachverständigen

Univ.Prof. Dr. M vom 1. Juli 1991 und dem amtsärztlichen Gutachten vom 26. September 1991 überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Im erstgenannten Gutachten wird eine eingeschränkte Eignung zur Unterrichtserteilung bejaht und eine Verwendung bei gut für den Unterricht motivierten Schülergruppen vor allem jüngerer Jahrgänge (eventuell Volksschüler bzw. Gastarbeiterkinder) befürwortet, während im Gutachten des Amtssachverständigen, auf das sich die belangte Behörde vornehmlich stützt, dem Beschwerdeführer die Eignung als Hauptschullehrer zur Gänze abgesprochen wird.

Da der angefochtene Bescheid nach den angeführten Gründen mit Verfahrensmängeln behaftet ist, war er, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen zur möglichen Zuteilung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes im Sinn des § 12 Abs. 3 LDG 1984 einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren auf Ersatz von Stempelgebühren für eine weitere - nicht erforderliche - Ausfertigung der Beschwerdeschrift und der vorgelegten Urkunde mußte hingegen abgewiesen werden.

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