VwGH 92/11/0202

VwGH92/11/02021.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der Dr. C in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, vertretenen Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 7. Juli 1992, Zl. B 11/92, betreffend Beitragsnachzahlung zum Wohlfahrtsfonds, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §7 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §7 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §7 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §7 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm die Nachzahlung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vorgeschrieben wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1990, Zl. 89/18/0146, und vom 11. Februar 1992, Zl. 92/11/0036, hingewiesen. Im fortgesetzten Verfahren nach dem zuletzt genannten Erkenntnis erließ der Beschwerdeausschuß der Ärztekammer für Wien unter dem Datum 7. Juli 1992 einen Ersatzbescheid, dessen Spruch u.a. wie folgt lautet:

"Der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien hat mit Bescheid vom 5.6.1989, ausgefertigt mit dem Schreiben der Ärztekammer für Wien vom 9.6.1989, Zeichen Dr.M/Ke, den von Frau Dr. C gestellten Antrag vom 10.5.1989 um Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages ab Vollendung des 35. Lebensjahres gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung bzw. § 78 Abs. 2 und 3 des Ärztegesetzes abgewiesen. Über die dagegen von Frau Dr. C, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. A, rechtzeitig eingebrachte Berufung entscheidet der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien durch den stellvertretenden Vorsitzenden

.... und die Mitglieder ... gemäß § 66 Abs. 4 AVG wie

folgt:

Der angefochtene Bescheid wird behoben.

Gleichzeitig wird in der Sache selbst erkannt: Der Nachzahlungsbetrag gemäß § 7 Abs. 2 und 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für die Zeit vom 1.2.1985 bis 30.9.1988 wird mit S 64.059,30 festgesetzt und ist binnen 4 Wochen zu bezahlen."

In der Begründung heißt es, der Ausfertigung des Bescheides vom 25. Juni 1990 sei nicht zu entnehmen gewesen, daß es sich hiebei um den Ersatzbescheid der Berufungsbehörde nach der Aufhebung ihres Bescheides vom 1. August 1989 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1990, Zl. 89/18/0146, gehandelt habe. Diese auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sei gemäß § 62 Abs. 4 AVG zu berichtigen gewesen. Darüber hinaus habe der Bescheid vom 25. Juni 1990 in formeller Hinsicht keinen Abspruch über die gegen den Bescheid der ersten Instanz vom 9. Juni 1989 eingebrachte Berufung enthalten. In dieser Hinsicht sei daher der Bescheid vom 25. Juni 1990 gemäß § 68 Abs. 2 AVG durch eine entsprechende Ergänzung abzuändern gewesen.

Gegen diesen Bescheid, und zwar erkennbar ausschließlich gegen den die Nachzahlung von Beiträgen vorschreibenden Ausspruch, richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt wird. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie sich aus dem Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides ergibt, hat die belangte Behörde damit gemäß § 66 Abs. 4 AVG zum einen den vor ihr angefochtenen Bescheid des Wohlfahrtsausschusses der Ärztekammer für Wien vom 9. Juni 1989 ersatzlos behoben und zum anderen der Beschwerdeführerin den bezeichneten Betrag zur Zahlung an den Wohlfahrtsfonds vorgeschrieben. Dabei handelt es sich um zwei trennbare, selbständige Absprüche.

Mit dem ersteren - unbekämpft gebliebenen - Ausspruch sollte offensichtlich die im hg. Vorerkenntnis Zl. 89/18/0146 aufgezeigte Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides vom 9. Juni 1989 beseitigt werden, daß nämlich damit, anstatt der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages vom 10. Mai 1989 die strittigen Beträge zur Nachzahlung vorzuschreiben, ein von ihr gar nicht so gestellter Antrag um Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages abgewiesen und ihr damit die Möglichkeit genommen wurde, eine spruchmäßig zu erfolgende Beitragsvorschreibung im einzelnen zu bekämpfen.

Was den Ausspruch betreffend Nachzahlung von Beiträgen anlangt, so hat die belangte Behörde insoweit außerhalb des Rahmens der ihr nach § 66 Abs. 4 AVG zukommenden Befugnisse gehandelt. Nach dieser Bestimmung hat die Berufungsbehörde (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist dabei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Unterinstanz gebildet hat (siehe etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

4. Auflage, Seite 542, unter ENr. 84 bis 88 angeführten Entscheidungen). Hat die Unterbehörde in ihrem Bescheid über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens gar nicht abgesprochen, sondern lediglich über ihre Unzuständigkeit oder sonst eine formalrechtliche bzw. verfahrensrechtliche Frage entschieden, dann kann die Berufungsbehörde nicht unter Überspringung einer Instanz selbst mit einer meritorischen Entscheidung vorgehen. Vielmehr bildet in solchen Fällen nur die Frage der Zuständigkeit bzw. die sonstige formal- oder verfahrensrechtliche Frage die in Betracht kommende Sache des Berufungsverfahrens, weil sonst der Partei hinsichtlich des eigentlichen Verfahrensgegenstandes eine Instanz genommen würde (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1984, Zl. 83/07/0340).

Ein derartiger Fall liegt hier vor. Die Erstbehörde (der Wohlfahrtsausschuß der Ärztekammer für Wien) hat mit ihrem Bescheid vom 9. Juni 1989 den "Antrag vom 10.5.1989 um Nichtvorschreibung des Nachzahlungsbetrages ab Vollendung des 35. Lj. gemäß § 7 Abs. 3 der Satzung bzw. § 78 Abs. 2 + 3 des Ärztegesetzes abgewiesen". Eine Beitragsvorschreibung ist damit nicht erfolgt, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. März 1990, Zl. 89/18/0146, ausgeführt hat. Damit liegt bis nun ein erstinstanzlicher Ausspruch über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens (Festsetzung und Vorschreibung nachzuzahlender Beiträge zum Wohlfahrtsfonds) nicht vor. Der belangten Behörde war es deshalb verwehrt, darüber erstmals - und somit unter Umgehung der Erstinstanz - abzusprechen. Sie hat insoweit die ihr als Berufungsbehörde zukommende Befugnis zur Entscheidung "in der Sache" überschritten.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte, im bekämpften Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war und daher auch nur die dafür zu entrichtende Stempelgebühr zum Ersatz vorzuschreiben ist.

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