VwGH 92/09/0061

VwGH92/09/006123.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 24. April 1991, Zl. Präs 144-2/91/Wa/jam, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
HKG 1946 §20 litc;
HKG 1946 §22 Abs3;
HKG 1946 §53a;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57f Abs1;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
HKG 1946 §7 litc;
HKG 1946 §9 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
HKG 1946 §20 litc;
HKG 1946 §22 Abs3;
HKG 1946 §53a;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57f Abs1;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
HKG 1946 §7 litc;
HKG 1946 §9 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie dem erstinstanzlichen Bescheid zu entnehmen ist, richtete die Beschwerdeführerin an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien Anträge auf Ausstellung von Bescheiden über Art und Ausmaß der ihr vorgeschriebenen Einverleibungsgebühr (EVG, nunmehr gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991: Eintragungsgebühr) betreffend ihren neuen Standort in Wien n3 (für die Be- und Verarbeitung von Fleisch und Fleischwaren in industriemäßiger Form, beschränkt auf den Verkauf).

Hierauf erließ der Präsident der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien einen mit 10. Oktober 1990 datierten Bescheid, wonach die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, gemäß § 57b HKG eine EVG in der Höhe von S 1.500,-- zu leisten. Begründend führte der Präsident im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin gehöre nach dem gewählten Gewerberechtswortlaut der Sektion Industrie an und sei dort Mitglied der Wiener Fachvertretung der Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Die EVG sei für alle Bereiche der Sektion Industrie der Wiener Handelskammer mit Ausnahme der Säge- und der Bekleidungsindustrie mit S 500,-- im Normalsatz festgesetzt worden, damit auch für die Beschwerdeführerin. Gemäß § 57 Abs. 7 HKG und § 13 Abs. 1 der Umlagenordnung, BGBl. Nr. 215/1947 (in der jeweils damals geltenden Fassung) sei diese EVG vom Bundesminister für Handel und Wiederaufbau bewilligt und in dessen (damaligem) Mitteilungsblatt "Amtliche Nachrichten des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau", Nr. 1, 2. Jahrgang vom 15. Jänner 1949, verlautbart worden. Gemäß § 57b Abs. 2 HKG hätten Gesellschaften m.b.H. die EVG in dreifacher Höhe des Normalsatzes zu entrichten, woraus sich die Gesamthöhe von S 1.500,-- für die Beschwerdeführerin ergebe. Die Vorschreibung der EVG gründe sich daher auf die gesetzlichen Gegebenheiten.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. April 1991 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dem Einwand der Beschwerdeführerin, der Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie der Bundeskammer würde der Rechtssubjektivität entbehren, liege ein Irrtum der Beschwerdeführerin zugrunde. Zur Frage der ordnungsgemäßen Errichtung dieses Fachverbandes verweise die belangte Behörde auf § 2 Abs. 1 Z. 11 des Anhanges der Verordnung BGBl. Nr. 223/47 (Fachgruppenordnung). Dieser Bestimmung zufolge sei der Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie unmittelbar durch die Verordnung des Handelsministers errichtet worden. Ergänzend bemerkte die belangte Behörde, daß die mangelnde Rechtssubjektivität der Fachvertretung Wien der Nahrungs- und Genußmittelindustrie nichts an der Verpflichtung der Angehörigen derartiger Organisationseinheiten ändere, EVG zu entrichten. Die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Staffelungsregelung nach § 57b Abs. 2 HKG sei gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6, verfassungsrechtlich unbedenklich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der ihr vorgeschriebenen EVG zu verweigern.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Gesellschaften m.b.H. das Dreifache des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).

Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.

Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.

Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.

Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.

Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer nach § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.

Ähnliche Überlegungen sind hinsichtlich der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anzustellen, weil eine von der belangten Behörde nicht aufgegriffene Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten würde (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 571 angeführte Judikatur). Im Beschwerdefall stammt der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 57g Abs. 1 HKG von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien (Landeskammer). Er ist ähnlich wie der angefochtene Bescheid nach seinem Inhalt und gemäß der Fertigungsklausel dem Kammerpräsidenten zuzurechnen, dessen Zuständigkeit zur Bescheiderlassung ebenfalls durch einen aktenkundigen, in den §§ 53a und 7 lit. c HKG gedeckten Delegierungsbeschluß des Vorstandes der Wiener Landeskammer vom 8. September 1980 gegeben war.

Im vorliegenden Beschwerdefall kann die Frage der Rechtspersönlichkeit der bei Fassung des der individuellen EVG-Vorschreibung zugrunde liegenden, als Verordnung zu qualifizierenden generellen EVG-Beschlusses eingeschrittenen Kammerorgane, insbesondere auch die des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, ebenso ungeprüft bleiben wie die Frage, welches Organ zur Erlassung einer derartigen Verordnung nach der Gesetzeslage zuständig gewesen wäre. Wie die Beschwerdeführerin nämlich in ihrer Beschwerde mit Recht aufzeigt, haben es die eingeschrittenen Behörden unterlassen, klarzustellen, welches Gremium überhaupt den der konkreten EVG-Vorschreibung zugrunde liegenden generellen EVG-Beschluß gefaßt hat. Diese Klarstellung ist weder durch den ganz allgemein gehaltenen Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid geschaffen worden, die EVG sei für alle Bereiche der Sektion Industrie der Wiener Handelskammer mit Ausnahme der Säge- und der Bekleidungsindustrie und damit auch für die Beschwerdeführerin festgesetzt worden, noch durch die Begründung des angefochtenen Bescheides, in der sich die belangte Behörde fast ausschließlich mit der Frage der Rechtspersönlichkeit des Fachverbandes der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, nicht aber mit der somit offen gebliebenen Frage nach dem Verordnungsgeber hinsichtlich des generellen EVG-Beschlusses befaßt hat. Auch die in Fotokopie vorliegende "Kundmachung" vom 15. Jänner 1949 gibt dazu keinen eindeutigen Aufschluß. Der Vollständigkeit halber sei hiezu daran erinnert, daß § 57b Abs. 1 HKG eine generelle Beschlußfassung dieser Art nur durch Fachgruppen bzw. Landeskammern vorsieht, nicht aber durch eine Sektion.

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die

in Verhandlung stehende Angelegenheit ... unter Anführung der

angewendeten Gesetzesbestimmungen ... zu erledigen. Gegen diese Verfahrensvorschrift hat die belangte Behörde verstoßen, indem sie, ohne entsprechende Ergänzungen vorzunehmen, einen erstinstanzlichen Bescheid bestätigte, dem die angewendeten Bestimmungen nicht unmißverständlich zu entnehmen sind.

Nun steht zwar die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG hinsichtlich der dort geforderten Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht schlechthin unter der Sanktion der Rechtswidrigkeit, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, daß auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die angewendeten Vorschriften (Gesetze oder auf solche gestützte Rechtsverordnungen) nicht beseitigt (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0008, und vom 10. Jänner 1967, Zl. 739/66 = Slg. 7051/A, u.a.). Läßt aber ein Bescheid eine taugliche Rechtsgrundlage nicht erkennen und ist diese auch weder aus dem vorangegangenen unterinstanzlichen Bescheid noch aus der Aktenlage zu erschließen, dann ist dieser Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift relevant, weil er den Beschwerdeführer an der zweckmäßigen Verfolgung seiner Rechte und den Verwaltungsgerichtshof an der Wahrnehmung seiner verfassungsgemäßen Kontrollbefugnis hindert (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1964, Zl. 1287/63 = Slg. 6407/A). Da die konkrete EVG-Vorschreibung im Beschwerdefall gesetzwidrig wäre, wenn sie nicht auf einer ordnungsgemäß zustandegekommenen und kundgemachten Verordnung des zuständigen Gremiums beruhte, ist somit das Verfahren durch Klarstellung der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ergänzungsbedürftig.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weil die belangte Behörde bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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