VwGH 92/07/0175

VwGH92/07/017526.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. August 1992, Zl. VI/4-St-232/1, betreffend Übertretung des Futtermittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
FuttermittelG §10 Abs2;
FuttermittelV §8 Abs2;
VStG §44a Z2;
AVG §59 Abs1;
FuttermittelG §10 Abs2;
FuttermittelV §8 Abs2;
VStG §44a Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 31. März 1992, 92/07/0011, 0012, 0013, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem auch den Bescheid der belangten Behörde vom 19. September 1991, mit dem das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 13. September 1990 bestätigt worden war, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aus dem Grunde aufgehoben, weil der der Bestrafung des Beschwerdeführers zugrundegelegte Tatvorwurf ohne gesetzliche Deckung auch die Herstellung von Futtermitteln enthalten hatte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 13. September 1990 im hier interessierenden Umfang in nachstehender Weise ab:

"Herr (Beschwerdeführer) hat als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG 1950 Verantwortlicher der N.N. Erzeugungs-, Handels- und Vertriebs-Ges.m.b.H., ..., zu verantworten, daß die M. Erzeugungs-, Handels- und Vertriebs-Ges.m.b.H. zumindest 30 Säcke a 30 kg des Futtermittels "Spezial-Kälbermilch SF 18 mit M.", Reg.Nr. A 8541, am 4. September 1989 dem Lagerhaus S. ... angeliefert und in Verkehr gebracht hat, wobei der deklarierte und garantierte Sollgehalt an Vitamin A von 60.000 IE/kg am 4. September 1989 um mehr als 20 % unterschritten wurde. Anläßlich einer Kontrolle am 11. September 1989 wurde festgestellt, daß das angelieferte Futtermittel "Spezial-Kälbermilch SF 18 mit M.",

Reg.Nr. A 8541, einen Vitamin A-Gehalt von 33.200 IE/kg und somit den garantierten Sollgehalt an Vitamin A von 60.000 IE/kg um 44,7 % unterschritten wurde.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende

Strafe verhängt:

...

Rechtsgrundlagen:

§§ 7 Abs 1 lit a und 10 Abs 2 des Futtermittelgesetzes,

BGBl. Nr. 97/1952 in der Fassung BGBl. Nr. 557/1987 in

Verbindung mit § 8 Abs 1 und 2 der Futtermittelverordnung 1976,

BGBl. Nr. 28/1977 in der geltenden Fassung

§ 15 Abs 1 des Futtermittelgesetzes

§ 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950

§ 76 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 (AVG)"

Begründend verwies die belangte Behörde im wesentlichen auf das Untersuchungsergebnis der Bundesanstalt für Agrarbiologie, welches eine Abweichung von 44,7 % des garantierten und deklarierten Wertes von Vitamin A im angelieferten Futtermittel erbracht habe. Ein Abbau des Vitamin A-Gehaltes in der Zeit zwischen der Lieferung des Futtermittels am 4. September 1989 und dem Zeitpunkt der Kontrolle am 11. September 1989 in einem solchen Ausmaß sei nach fachkundiger Begutachtung ausgeschlossen, zumal aus Anlaß der Kontrolle im belieferten Unternehmen keine unsachgemäße Lagerung des Futtermittels bei diesem Unternehmen festgestellt worden sei. Zum Tatbestand des § 7 Abs. 2 lit. a des Futtermittelgesetzes gehöre nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr, weshalb es am Beschwerdeführer gelegen wäre, seine Verschuldensfreiheit zu beweisen. Dies habe der Beschwerdeführer nicht tauglich unternommen, indem er sich darauf beschränkt habe, auf die Verantwortlichkeit seines Zulieferunternehmens oder des belieferten Unternehmens zu verweisen. Den Nachweis der gebotenen qualifizierten Überwachung habe der Beschwerdeführer nicht erbracht.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer Bescheidaufhebung aus den im § 42 Abs. 2 Z. 1, 2 und 3 VwGG genannten Gründen mit der Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, nicht ohne gesetzliche Grundlage als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma N.N., Erzeugungs-, Handels- und Vertriebs-Gesellschaft m.b.H.

verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gemacht zu werden, in seinem Recht auf behördlichen Ausspruch, nach welcher gesetzlichen Bestimmung in welcher konkreten gesetzlichen Fassung ihm eine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt werde, und in seinen Verfahrensrechten als verletzt zu erachten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unzuständig soll die belangte Behörde nach Auffassung des Beschwerdeführers deswegen gewesen sein, weil nach Aufhebung des vorübergehend formell in Rechtskraft erwachsenen Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 19. September 1991 durch das hg. Erkenntnis vom 31. März 1992, 92/07/0011, 0012, 0013, ein neues Verfahren stattgefunden habe, zu dessen Durchführung der unabhängige Verwaltungssenat berufen gewesen sei. Die Anordnung des "§ 42 Abs. 2" (gemeint offenbar: § 42 Abs. 3) VwGG nehme nicht Bezug auf verfahrensrechtliche Bestimmungen.

Die Rüge ist unberechtigt. Der Beschwerdeführer beschreibt selbst die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen, aus denen sich die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zwingend ergibt. An der lange vor dem 1. Jänner 1991 eingetretenen Anhängigkeit des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens konnte durch die Aufhebung des ersten Berufungsbescheides der belangten Behörde durch den Verwaltungsgerichtshof nach dem unzweifelhaften Wortlaut des § 42 Abs. 3 VwGG keine Änderung eintreten.

Zu Unrecht auch vermißt der Beschwerdeführer die Anführung der Tatzeit im Schuldspruch des angefochtenen Bescheides. Diese wird mit dem 4. September 1989 im Spruch des Straferkenntnisses zweifelsfrei benannt. Ebenso unberechtigt ist die Rüge einer Widersprüchlichkeit des Strafvorwurfes. Mit der Anlieferung des Futtermittels beim kontrollierten Unternehmen durch die N.N. Erzeugungs-, Handels- und Vertriebs-Gesellschaft m.b.H. wurde das Futtermittel im Sinne des § 7 Abs. 2 lit. a des Futtermittelgesetzes in Verkehr gebracht.

Auch die weitwendigen, gegen die untersuchende Bundesanstalt für Agrarbiologie gerichteten Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, die Beschwerde zu einem Erfolg zu führen. Zutreffend hält die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in ihrer Gegenschrift entgegen, daß es an ihm gelegen wäre, die Gegenproben (§ 42 der Futtermittelverordnung 1976, BGBl. Nr. 28/1977) einer seinerseits veranlaßten Gegenuntersuchung zuzuführen und deren Ergebnisse der belangten Behörde vorzulegen. Hat er dies nicht getan, dann kann er der belangten Behörde nicht erfolgreich vorwerfen, von der Unbedenklichkeit der Untersuchungsergebnisse der Bundesanstalt für Agrarbiologie ausgegangen zu sein.

Berechtigung erwächst der Beschwerde indessen aus der rechtswidrigen Gestaltung des von der belangten Behörde formulierten Straferkenntnisspruches:

Gemäß § 44a Z. 2 VStG hat der nicht auf Einstellung lautende Spruch eines Straferkenntnisses die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Zu dieser Vorschrift vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß einem Beschuldigten das subjektive Recht darauf zukommt, daß ihm die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird, wozu auch die Anführung der Fundstelle der Vorschrift zählt (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, ENr. 6 zu § 44a VStG angeführte hg. Judikatur, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. April 1992, Slg. N. F. Nr. 13.623/A, und jenes vom 15. November 1994, 92/07/0052).

Diesem Erfordernis wird der von der belangten Behörde gefaßte Straferkenntnisspruch schon deswegen nicht gerecht, weil er die verletzte Verwaltungsvorschrift unter dem Titel "Rechtsgrundlagen" gemeinsam mit der Strafnorm und den Bestimmungen der § 64 VStG sowie § 76 AVG lediglich aufzählt, anstatt dem Beschwerdeführer die durch den umschriebenen Tatvorwurf begangene Übertretung der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften in der gebotenen sprachlichen Formulierung vor Augen zu führen. Dies wird besonders deutlich dadurch, daß die belangte Behörde im Anschluß an den von ihr gefaßten "Schuldspruch" mit dem Satz fortfährt: "Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:", ohne "diese" Verwaltungsübertretung genannt zu haben.

Die Aufnahme des davorstehenden Satzes "Anläßlich einer Kontrolle ... unterschritten wurde" war deswegen entbehrlich, weil es sich bei dieser Schilderung nur um ein Begründungselement handelt.

Die unter "Rechtsgrundlagen" offenbar als verletzte Verwaltungsvorschrift erstangeführte Bestimmung des § 7 Abs. 1 lit. a des Futtermittelgesetzes existiert nicht und konnte vom Beschwerdeführer demnach auch nicht übertreten werden. Mit der Zitierung der Bestimmung auch des § 8 Abs. 2 der Futtermittelverordnung 1976 durch die Benennung der Vorschrift mit "BGBl. Nr. 28/1977 in der geltenden Fassung" wurde dem Gebot der ausreichend deutlichen Angabe der Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift deswegen nicht Rechnung getragen, weil es hiezu der Angabe der Fundstelle jener Novelle dieser Verordnung bedurft hätte, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hatte.

Im übrigen entsprach auch die Beschreibung des Rechtsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit durch die Eigenschaft des Beschwerdeführers als des "gewerberechtlichen Geschäftsführers" nicht dem Gesetz, weil die diesbezüglichen gewerberechtlichen Normen im Beschwerdefall nicht anzuwenden sind; zur gesetzmäßigen Benennung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers hätte es im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG vielmehr des Hinweises auf seine Vertretungsbefugnis nach außen ("handelsrechtlicher Geschäftsführer" oder "Geschäftsführer" ohne das Attribut "gewerberechtlicher") bedurft.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; Stempelgebührenaufwand konnte nur im beantragten Ausmaß zuerkannt werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte