Normen
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauRallg;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 28. Oktober 1991 hat der Bürgermeister der Gemeinde Egg gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes die erforderliche Ausnahme von den gesetzlichen Abständen und Abstandsflächen u. a. gegenüber der Gp n1 auf 1,62 m an der Nordwestecke und auf 2,82 m an der Nordostecke des Zubaues zugelassen (Spruch I.) und gemäß den §§ 31 und 32 des Baugesetzes die von A. und L.P. beantragte Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues (Einrichtung einer Doppelgarage im Erdgeschoß sowie von 2 Schlafzimmern mit Dusche und WC und Vorraum im Obergeschoß) auf der Gp n2, KG Egg, unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt. Im Zusammenhang mit den Einwendungen der mitbeteiligten Partei betreffend die gesetzlichen Abstände und Abstandsflächen stellte der Bürgermeister in der Begründung dieses Bescheides fest, daß gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes die Behörde mit Zustimmung des Gemeindevorstandes von den gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen könne, und zwar wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung, sofern durch die Ausnahme Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt würden. Im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß die Form und Lage des bebauten Grundstückes einen Zubau auf der Südseite oder Westseite des Hauses der Familie P. ohne wesentliche Mehrkosten oder ohne wesentliche funktionelle Einbußen der bestehenden Wohnräume nicht zulasse. Der geplante Zubau stelle eine zweckmäßigere Bebauung als eine andere Lösung mit etwa demselben Raumprogramm dar. Die eingereichte Planung bedinge eine sparsame Nutzung des vorhandenen Baugrundes und komme damit auch den heute allgemein anerkannten Bestrebungen entgegen, vorhandene Bauflächen möglichst bodensparend für die Schaffung zusätzlichen Wohnraumes zu nutzen. Die Antragsteller hätten im Ermittlungsverfahren zu Vergleichszwecken einen Variantenentwurf vorgelegt, bei welchem keine Abstandsnachsicht erforderlich wäre, der aber nur einen Einstellplatz ermöglichen und die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum einschränken würde. Die Baubehörde habe die Beschattung des Einreichprojektes und jene der Variante durch einen Sachverständigen berechnen und aufzeichnen lassen. Hiebei habe sich ergeben, daß die Variante mit dem reduzierten Raumprogramm keine gravierende Verminderung der Beschattung mit sich brächte. Im übrigen sei klarzustellen, daß die Variante nicht zur Bewilligung eingereicht und somit nicht zum Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens geworden sei. Im Ermittlungsverfahren habe sich weiters ergeben, daß die erforderlichen Abstandsnachsichten Interessen des Brandschutzes und des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigen würden. Schließlich würden auch Interessen der Gesundheit aus der Sicht des Baurechtes nicht nachteilig berührt, weil das Wohnhaus der mitbeteiligten Partei von der Beschattung des Zubaues nicht berührt werde. Die zusätzliche Beschattung des Gemüsegartens der mitbeteiligten Partei sei im Vergleich zum eingereichten Zubau mit einem Zubau ohne Abstandsnachsicht nicht so gravierend, daß von einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemüsewuchses gesprochen werden könnte. Die Baubehörde sei bemüht gewesen, in der Sache eine gütliche Einigung herbeizuführen, was aber jeweils mißlungen sei. So sei der mitbeteiligten Partei beispielsweise vorgeschlagen worden, ihren Garten, der jetzt schon an die Grenze gegenüber P. stoße und von dessen Wohnhaus überschattet werde, auf Kosten von A. und der L.P. gegen Norden zu verlegen. Der bautechnische Amtssachverständige habe bei der kommissionellen Verhandlung gegen die Erteilung der erforderlichen Abstandsnachsichten keine Bedenken erhoben. Die Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes für die Erteilung der erforderlichen Abstandsnachsichten seien gegeben gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung und begründete sie im wesentlichen damit, daß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes zweifellos nicht so ausgelegt werden könne, daß jede weitere Nutzung bzw. beliebige Vergrößerung eines Gebäudes durch Gewährung einer Ausnahme zulässig sei. Die Abstandsnachsicht sei in erster Linie durch die Erweiterung der bestehenden Garage bedingt, für Nebenbaukörper wie Garagen seien aber bei der Zulassung von Ausnahmen von den erforderlichen Abständen besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Die Bebauungsmöglichkeit der mitbeteiligten Partei werde eingeschränkt, was auch mit weniger Licht und Luft für eine spätere Bebauung im südwestlichen Bereich des Grundstückes Nr. n1 verbunden wäre. Es sei kein einziges Gutachten zur Frage des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes zum Parteiengehör übermittelt worden. Über die erhobenen Einwendungen sei im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht abgesprochen worden. Die Zulassung einer Ausnahme von den gesetzlichen Abständen und Abstandsflächen dürfe nicht mit Bescheid erfolgen.
3. Mit dem Bescheid vom 12. Dezember 1991 hat die Gemeindevertretung die Berufung der mitbeteiligten Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die Gemeindevertretung begründete ihren Bescheid damit, daß mit der erteilten Abstandsnachsicht nicht eine "beliebige" größere Ausnützung eines Bauplatzes ermöglicht werde. Ein Zubau gleicher Größenordnung und gleicher räumlicher Widmung sei auf einem anderen Teil des Baugrundstückes P. aufgrund der Form und Größe dieser Liegenschaft wie auch wegen der vorhandenen Raumanordnungen und -widmungen des bestehenden Wohnhauses in zweckentsprechender Weise nicht möglich. Die zusätzlichen Wohnraumflächen würden den zusätzlichen Garagenraum überwiegen. Weiters seien mit der erteilten Abstandsnachsicht die Schattenflächen auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei rechtlich nicht mehr existent, sodaß es zu keiner Überdeckung von Schattenflächen komme. Die mitbeteiligte Partei sei also bei einer künftigen Bebauung ihrer Liegenschaft nicht durch eine Überdeckung von Abstandsflächen eingeschränkt. Der bautechnische Sachverständige habe in seinem bei der Bauverhandlung in Anwesenheit der mitbeteiligten Partei zu Gehör gebrachten Gutachten gegen die Erteilung der Ausnahme von der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsfläche keine Bedenken im Interesse des Brandschutzes sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes erhoben. Außerdem hätten für die Baubehörde offenkundig keine gesundheitlichen Bedenken bestanden, weshalb die Einholung eines speziellen ärztlichen Gutachtens nicht als nötig erachtet worden sei. Die Einwendungen der mitbeteiligten Partei seien im Ergebnis auf eine Wertminderung ihrer Liegenschaft hinausgelaufen, seien also privatrechtlicher Natur gewesen und hätten sich nicht auf § 30 Abs. 1 des Baugesetzes gestützt. Über die Berechtigung solcher Einwände habe aber nicht die Baubehörde, sondern das zuständige Zivilgericht zu entscheiden. Im übrigen habe die Baubehörde erster Instanz die Ausnahme von den gesetzlichen Abständen und Abstandsflächen nicht mit einem gesonderten Bescheid, sondern unter einem mit der Baubewilligung selbst zugelassen.
4. Gegen den Bescheid der Gemeindevertretung vom 12. Dezember 1991 erhob die mitbeteiligte Partei mit einer im wesentlichen gleichen Begründung wie in der Berufung Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 1992 hob die belangte Behörde den Bescheid der Gemeindevertretung vom 12. Dezember 1991 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Ihren Bescheid begründete sie im wesentlichen damit, daß A. und L.P. die Errichtung eines zweigeschoßigen Zubaues an ihr bestehendes Zweifamilienhaus auf der Gp n2 der KG Egg beabsichtigten. Nach dem im Bauakt der Gemeinde Egg enthaltenen Lageplan habe das Baugrundstück einen rautenförmigen Grundriß. Die Längen der Diagonalen würden etwa 27 und 42 m betragen. Das bestehende Wohnhaus habe ohne den angebauten Garagentrakt eine Länge von ca. 12 und eine Breite von ca. 11 m. Die Traufenhöhe betrage je nach Bezugspunkt im Gelände ca. 9 bis 19 m. Der geplante Anbau habe zur Gp n1, welche sich im Eigentum der mitbeteiligten Partei befinde, eine Breite von 9,30 m und eine Traufenhöhe von 6,50 m. Die geringste Entfernung zur Grundgrenze betrage an der Nordwestecke 1,62 m, die größte Entfernung zur Grundgrenze an der Nordostecke 2,82 m. Die im § 6 des Baugesetzes vorgesehenen Bauabstände und Abstandsflächen würden somit auf der gesamten Breite des Zubaues nicht eingehalten. Gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes könne die Behörde wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in den Absätzen 2 bis 8 des § 6 des Baugesetzes vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt würden. Die belangte Behörde schließe sich zwar grundsätzlich den Anschauungen der Gemeinde Egg an, wonach eine möglichst bodensparende Nutzung vorhandener Bauflächen notwendig sei; dies dürfe jedoch nicht dazu führen, daß die bestehenden baurechtlichen Bestimmungen mißachtet würden. Allein die Tatsache, daß sich auf dem bescheidgegenständlichen Baugrundstück bereits jetzt ein relativ großes Wohnhaus befinde, belege, daß das Baugrundstück nicht eine solche Form habe, daß eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften nicht zulässig wäre. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes für die Zulassung einer Ausnahme vorlägen, sei unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bauwerber zu beurteilen. Bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung würden wirtschaftliche Gesichtspunkte zwar zweifelsfrei eine Rolle spielen, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar beurteilt werden könne, wenn eine wirtschaftliche vernünftige Bauführung zulässig sei, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften zulässig sei. Nur dann, wenn die Errichtung eines solchen Baukörpers unzulässig wäre, könnte von einer zweckmäßigen Bebauung nicht gesprochen werden und es wäre durch Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zuzulassen. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 22. März 1990, Zl. 88/06/0124, ausgesprochen, daß eine aus betriebswirtschaftlichen Gründen beabsichtigte Erweiterung eines Betriebes für sich allein noch nicht eine Ausnahme von den geltenden Abstandsvorschriften unter dem Titel einer zweckmäßigeren Bebauung rechtfertige. Dies treffe sinngemäß auch für den vorliegenden Fall zu. Die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes dürfe keinesfalls so ausgelegt werden, daß zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung eines Bauplatzes zulässig wäre. Im vorliegenden Fall stünde fest, daß sich das Baugrundstück für eine wirtschaftlich vernünftige Bebauung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durchaus eigne und daher die Voraussetzungen des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes offensichtlich nicht gegeben seien. Die zweifellos vorliegenden persönlichen Bedürfnisse der Bauwerber müßten unberücksichtigt bleiben, da die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes anhand eines objektiven Maßstabes zu prüfen sei.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem Recht verletzt, eine Baubewilligung gemäß § 31 des Vorarlberger Baugesetzes unter Gewährung einer Abstandsnachsicht im Sinne des § 6 Abs. 9 leg.cit. zu erteilen. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift vorgelegt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Zunächst bringt die Beschwerdeführerin vor, daß die mitbeteiligte Partei im erstinstanzlichen Verfahren lediglich privatrechtliche Einwände vorgebracht habe, welche im § 30 Abs. 1 des Baugesetzes keine Deckung fänden. Die Aufsichtsbehörde hätte daher allein schon aus diesem Grunde der Vorstellung keine Folge geben dürfen. Erst in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe die mitbeteiligte Partei subjektiv öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte vorgebracht, die aber keineswegs vorgelegen seien. Zu diesem Zeitpunkt sei aber für ein solches Vorbringen bereits Präklusion gemäß § 42 Abs. 1 AVG 1991 eingetreten, sodaß auch aus diesem Grund der Vorstellung ein Erfolg hätte versagt bleiben müssen.
1.2. Gemäß § 30 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, in der (für den Beschwerdefall maßgeblichen) Fassung der Novellen LGBl. Nr. 33/1976, Nr. 34/1981, Nr. 2/1982 und Nr. 47/1983 hat ein Nachbar einen Anspruch auf Einhaltung der Abstände und Abstandsflächen bzw. darauf, daß Ausnahmen nach § 6 Abs. 9 leg. cit. nur bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen zugelassen werden (vgl. dazu Feurstein, Das Vorarlberger Baugesetz, 2. Auflage, Seite 68, Fußnote 9 zu § 30 Abs. 1 lit. b leg. cit.). Gemäß § 6 Abs. 9 leg. cit. kann die Behörde wegen der besonderen Form oder Lage des Grundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden.
Es ist unstrittig, daß im Beschwerdefall zur Verwirklichung des geplanten Zubaus eine Ausnahme von den gesetzlichen Abständen und Abstandsflächen erforderlich ist, und zwar laut eingereichtem Abstandsflächenplan gegenüber der Gp n1 der mitbeteiligten Partei auf 1,62 m an der Nordwestecke und auf 2,82 m an der Nordostecke. Dies ergibt sich aus der dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung zugrundeliegenden Baubeschreibung in Verbindung mit der in den Verwaltungsakten befindlichen Verhandlungsschrift. Aus diesen Unterlagen ergibt sich ebenso, daß die mitbeteiligte Partei ihr aus § 6 Abs. 9 leg. cit. in Verbindung mit § 30 Abs. 1 lit. b leg. cit. erfließendes subjektiv öffentliches Recht bereits in der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 1991 in folgender Weise geltend gemacht hat:
- "1. Die Abstandsflächen nach § 6 (2) Baugesetz überschreiten die Grenze des Baugrundstückes und liegen auf dem Nachbargrundstück (R.) (§ 6 (5))
- 2. Der gesetzliche Mindestabstand von 3 m von der Nachbargrenze ist nicht eingehalten. (§ 6 (7) Baugesetz) Die entsprechende Darstellung des Mindestabstandes an den Ecken des Gebäudes fehlt im Plan.
- 3. Eine Bauabstandsnachsicht wurde - entgegen der Baubeschreibung im Bauantrag - bisher von J.R. nicht erteilt und wird auch nicht erteilt werden. (Die Parzellennummer im Pkt. 4 der Baubeschreibung ist falsch.)
- 4. Da sich nach § 6 (4) des Baugesetzes Abstandsflächen gegenüberliegender Außenwände nicht überdecken dürfen, bedeutet die Überschreitung (das Hinüberreichen) der Abstandsflächen auf das Grundstück J.R. gleichzeitig eine Einschränkung der Bebauungsmöglichkeit dieses Grundstückes. Das ist eine erhebliche Wertminderung. Die Einschränkung ist vergleichbar mit der Abtrennung eines ca. 1,50 m - 1,70 m breiten Grundstreifens aus dem Grundstück R. an der Grenze R.-P."
Mit diesem Vorbringen hat die mitbeteiligte Partei rechtzeitig, also vor Schluß der mündlichen Verhandlung, ihre auf § 6 Abs. 9 leg. cit. gestützte öffentlich-rechtliche Einwendung vorgebracht. Dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen ist demnach der Boden entzogen.
2.1. Zusammengefaßt bringt die Beschwerdeführerin weiters vor, die belangte Behörde habe sich mit der Frage der zweckmäßigeren Bebauung nicht auseinandergesetzt, weil sie von der unrichtigen Auffassung ausgegangen sei, daß die Erteilung einer Abstandsnachsicht nicht zulässig sei, wenn die Errichtung eines entsprechend langen und breiten Baukörpers bei Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschrift möglich sei. Die belangte Behörde habe auch übersehen, daß bereits für den Altbestand eine Abstandsnachsicht erforderlich gewesen und auch erteilt worden sei. Für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 9 Baugesetz habe die Behörde lediglich zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen, nämlich entweder die besondere Form oder Lage des Grundstückes oder Gründe einer zweckmäßigeren Bebauung, und ob die übrigen gesetzlich geschützten Interessen nicht beeinträchtigt würden. Diese Kriterien habe die belangte Behörde unrichtig beurteilt. Die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezöge sich auf andere Sachverhalte: Beim Erkenntnis Zl. 88/06/0124 ginge es um die Erweiterung einer Pension (Gewerbebetrieb), bei dem es lediglich um eine Komfortverbesserung gegangen sei; schon der Altbestand habe eine Überforderung des Baugrundstückes dargestellt. Im von der belangten Behörde bezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1977, Zl. 618/76, habe es sich um ein Gebäude am Ortsrand von L. in einem locker verbauten Gebiet mit einer Fläche von ca. 1.000 m2 gehandelt, wobei das Baugrundstück eine trapezartige Form aufgewiesen habe. In diesem Fall hätte sich eine Baunutzung von ca. 110 % ergeben, die optimale Baunutzung von Wohngebieten am Ortsrand hätte nur 30 bis 40 % betragen dürfen. Die Gemeinde Egg habe aber keine Verordnung über das Maß der baulichen Nutzung erlassen. Im Beschwerdefall handle es sich um ein Bauprojekt im dicht verbauten Wohnsiedlungsgebiet, wobei die Abstände gegenüber der mitbeteiligten Partei nur von geringem Ausmaß seien. Das Baugrundstück Nr. n2 weise eine Form auf, welche seine Bebaubarkeit von vornherein wesentlich einschränke (scharf ausgeprägter spitzer Winkel im Süden, spitzer Winkel im Norden sowie eine auch nicht gerade verlaufende Grenze im Westen). Die Lage des Baugrundstückes sei so geartet, daß es von einer Wegfläche, zwei bebauten Grundstücken und einer im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Freifläche umgeben sei. Mit einer Erweiterung des Baugrundstückes könne in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden. Das Baugrundstück liege in einem hochwertigen zentrumsnahen Bauwohngebiet. Es gelte daher das Erfordernis, vorhandene Bauflächen optimal im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften auszunützen. Das beantragte und eingereichte Bauprojekt ermögliche eine "ZWECKMÄßIGERE" Bebauung der Bauliegenschaft und biete die einzige Möglichkeit, das sinnvolle Planungskonzept der Bauwerber A. und L.P. zu verwirklichen. Dieses Konzept beinhalte primär die Errichtung einer zusätzlichen Kleinwohnung auf der Bauliegenschaft. Diese wiederum lasse sich zweckmäßigerweise nur in obergeschoßigen Räumen eines Anbaues realisieren. Die erdgeschoßige Garage sei sohin eine sekundäre Folge der geplanten Kleinwohnung. Auf der Nordseite des Wohnhauses lasse sich das Konzept wegen Platzmangels nicht verwirklichen, auf der Süd- und Westseite hingegen käme es nicht nur zu wesentlichen funktionellen Einbußen in den Hauptwohnräumen des Bestandes, sondern auch zu deutlich erhöhten Baukosten. Bei der Frage der zweckmäßigeren Bebauung würden wirtschaftliche Gesichtspunkte eine erhebliche Rolle spielen. Die Verbindung der Kleinwohnung mit einem bestehenden Wohnhaus sei insbesondere auch deswegen zweckmäßig, weil eine erhebliche Bodenersparnis vorliege und die Infrastruktur wie Heizung und Installationen des bestehenden Wohnhauses genutzt werden könne. Schließlich sei auch zu bedenken, daß bei einem Zubau süd- und westseitig die Interessen des Landschafts- und Ortsbildes gestört wären. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde könne daher sehr wohl von einer besonderen Form und Lage des Baugrundstückes gesprochen werden, welche eine Ausnahme gemäß § 6 Abs. 9 Baugesetz rechtfertigen würde. Gerade der Wohnbaubestand der Nachbarliegenschaften lasse eine andere Art der Verbauung der Liegenschaft der Bauwerber P. nicht zu. Form und Lage des Grundstückes ließen eine zweckmäßigere Bebauung nur dann zu, wenn eine Nachsicht von den gesetzlichen Abstandsvorschriften erteilt werde. Die einmal erteilte Nachsicht schließe die Erteilung einer weiteren Nachsicht nicht aus. § 6 Abs. 9 leg. cit. besage lediglich, daß nicht jede beliebige Ausnützung eines Bauplatzes zu Lasten des Nachbarn zulässig sei. Die Gemeinde Egg habe daher im Rahmen ihres Ermessens von der Ausnahme zulässigen Gebrauch gemacht. Die Auffassung der belangten Behörde stelle einen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Autonomie der Gemeinde Egg als Baubehörde dar. Der Nachbar habe eine Rechtsbeschwer nur bei Verletzung subjektiv-öffentlicher Interessen. Solche lägen offensichtlich nicht vor. Die Gesundheit des Nachbarn werde durch den Zubau nicht gefährdet. Interessen des Brandschutzes und des Landschafts- und Ortsbildes würden durch den geplanten Zubau, wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, keinesfalls beeinträchtigt. Es müsse geradezu die ratio legis des § 6 Abs. 9 leg. cit. sein, in Zeiten äußerster Knappheit an Baugründen An- und Zubauten durch eine Ausnahme von den gesetzlich vorgeschriebenen Abständen zu ermöglichen, wenn dadurch insgesamt eine wirtschaftlich zweckmäßigere Verbauung der Bauliegenschaft ermöglicht werde. Der geplante Zubau komme auch den Intentionen der Vorarlberger Garagenordnung entgegen. Hätte die belangte Behörde berücksichtigt, daß bereits bei der Errichtung des Bestandes eine Ausnahmegenehmigung erforderlich gewesen sei, um einen entsprechend langen und breiten Baukörper errichten zu können, hätte die belangte Behörde zur Bestätigung des Bescheides der Gemeinde Egg gelangen müssen. Die belangte Behörde habe sohin die Bestimmungen des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes unrichtig angewendet. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde sei sohin wirklichkeitsfremd und verfehlt.
2.2. Nach § 6 Abs. 9 leg. cit. kann die Behörde entweder wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung eine entsprechende Ausnahme zulassen.
Im Zusammenhang mit dem Kriterium "besondere Form oder Lage des Baugrundstückes" ist nach der nicht bestrittenen Begründung des angefochtenen Bescheides davon auszugehen, daß das Baugrundstück einen rautenförmigen Grundriß aufweist. Die Längen der Diagonalen betragen etwa 27 und 42 m. Das bestehende Wohnhaus hat ohne den angebauten Garagentrakt eine Länge von ca. 12 und eine Breite von ca. 11 m. Vor diesem Hintergrund ist der belangten Behörde Recht zu geben, wenn sie die Auffassung vertritt, daß die Form und Lage dieses Grundstückes als nicht ungünstig zu beurteilen ist und daher nicht davon die Rede sein kann, daß eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes wegen der "besonderen" Form oder Lage des Baugrundstückes in Betracht kommt. Überdies ist zu bedenken, daß deshalb schon für den Altbestand eine - geringfügige (nach dem Baubewilligungsbescheid vom 4. Februar 1972 betreffend 0,5 m) - Abstandsnachsicht gewährt worden ist, und zwar offenbar deshalb, um eine sachgerechte Bebauung zu ermöglichen, die ansonsten wegen einer bestimmten Gestaltung des Baugrundstückes rechtlich unzulässig gewesen wäre. Würde im Beschwerdefall neuerlich aus diesem Grund Baunachsicht gewährt werden können, würden die Abstandsvorschriften des § 6 Abs. 2 bis 8 Baugesetz beliebig zur Disposition stehen.
Mit der Auslegung der Frage der zweckmäßigen Bebauung im Sinne des § 6 Abs. 9 des Baugesetzes - die im übrigen inhaltlich (wie auch die Beschwerdeführerin richtig erkennt) nicht völlig trennscharf von den anderen Kriterien ("besondere Form oder Lage des Baugrundstückes") abgesondert werden kann - hat sich der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt auseinandergesetzt. So hat er in seinem - hinsichtlich dieser Aussagen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin im Beschwerdefall sehr wohl maßgeblichen - Erkenntnis vom 19. April 1977, Zl. 618/76, ausgeführt, daß bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung wirtschaftliche Gesichtspunkte zweifelsfrei eine Rolle spielen, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar beurteilt werden könne, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung zulässig sei, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden könne. Wäre die Errichtung eines solchen Baukörpers unzulässig, dann könnte von einer zweckmäßigen Bebauung nicht gesprochen werden und es wäre durch die Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zuzulassen. Der Gerichtshof stellte aber bereits in diesem Erkenntnis fest, daß die genannte Ausnahmebestimmung keinesfalls so ausgelegt werden dürfe, daß zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung des Bauplatzes zulässig wäre. Auch in seinen Erkenntnissen vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/06/0072, vom 19. September 1991, Zl. 91/06/0118, vom 2. Juli 1992, Zl. 91/06/0210, und vom 15. September 1994, Zl. 94/06/0107, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsauffassung aufrecht erhalten. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken.
Bezogen auf den Beschwerdefall bedeute dies, daß das nicht ungünstig figurierte Areal, auf dem bereits ein Zweifamilienhaus mit einer Länge von ca. 12 m und einer Breite von ca. 11 m errichtet ist, durchaus einer zweckmäßigen Bebauung zugeführt werden konnte. Wegen der Größe des Grundstückes ist lediglich eine weitere Bebauung bei Einhaltung von Abstandsbestimmungen nicht möglich, was aber schon im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom 19. April 1977 keinen Ausnahmegrund darstellt. Die belangte Behörde hat daher mit Recht im Ergebnis die Auffassung vertreten, daß eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes nicht erteilt werden kann. Zu Recht hat sie dabei auch darauf hingewiesen, daß den von der Gemeindebehörde angesprochenen "allgemein anerkannten Bestrebungen ..., vorhandene Bauflächen möglichst bodensparend für die Schaffung zusätzlichen Wohnraumes zu nutzen", nicht dadurch Rechnung getragen werden kann, daß zulasten der jeweiligen Nachbarn Ausnahmen gemäß § 6 Abs. 9 leg. cit. erteilt werden, finden doch diese "allgemeinen Bestrebungen" als Voraussetzung für die in ihrem Ermessen liegende Möglichkeit der Gemeinde, eine Nachsicht zu erteilen, im § 6 Abs. 9 leg. cit. derzeit keinen normativen Niederschlag.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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