VwGH 92/06/0044

VwGH92/06/004411.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Gemeinde N, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 13. Jänner 1992, Zl. 7/03-319039/7-1991, betreffend Nichtigerklärung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 19 Abs 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs4 litd;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs7;
B-VG Art130 Abs2;
GdO Slbg 1976 §72a;
ROG Slbg 1977 §17 idF 1989/090;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs4 litd;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs7;
B-VG Art130 Abs2;
GdO Slbg 1976 §72a;
ROG Slbg 1977 §17 idF 1989/090;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Eheleute M. und R. H. haben mit Eingabe vom 3. Juli 1990 an die beschwerdeführende Gemeinde das Ansuchen um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 19 Abs. 3 des Raumordnungsgesetzes für die Errichtung einer unterirdischen Halle zur Bootslagerung auf dem ihnen gehörigen Grundstück Nr. 955/4, KG N, gestellt. Nach Einholung eines Raumordnungsgutachtens des Arch. Dipl.Ing. W. D. vom 13. November 1990 sowie eines naturschutzbehördlichen Gutachtens vom 11. Oktober 1990 Kundmachung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung faßte die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde in ihrer Sitzung vom 15. November 1990 den Beschluß, die beantragte Bewilligung zu erteilen. Mit Bescheid vom 31. Oktober 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft die aufsichtsbehördliche Genehmigung, worauf die beschwerdeführende Gemeinde mit Bescheid vom 13. November 1991 die beantragte Bewilligung gemäß § 19 Abs. 3 ROG zum Zweck der Errichtung einer unterirdischen Bootshalle erteilt hat.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die Salzburger Landesregierung innerhalb der Frist von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 31. Oktober 1991 diesen gemäß § 17 Abs. 3 und 19 Abs. 3 ROG in Verbindung mit § 68 Abs. 4 lit. d AVG für nichtig erklärt.

Der Begründung ihres Bescheides zufolge ging die belangte Behörde davon aus, daß im gegenständlichen Verfahren die Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde vom Ortsplaner ein raumordnungstechnisches Gutachten eingeholt habe; dieses Gutachten bezeichne den Landschaftsraum und die Gegend des Fuschlsees als sehr reizvoll und sensibel. Das räumliche Entwicklungskonzept spreche von einer Vorrangzone für Erholung und fordere, daß alle beabsichtigten Eingriffe in diesen Raum sehr sorgfältig auf diese Zielsetzung hin überprüft werden müßten. In diesem Gutachten werde jedoch der Einklang der Lagerhalle mit der Raumordnung verneint. Der Fremdkörper würde zu Nutzungskonflikten führen. Aus dem Gutachten gehe klar hervor, daß eine derart große Halle der Struktur des Raumes widerspreche. Dies im besonderen aufgrund der Ausmaße dieses Fremdkörpers und auch durch allfällige künftige Verwendungsänderungen, welche man letztlich doch nicht verhindern werde können, um nicht leerstehende Baulichkeiten vorzufinden. Auf diese Strukturfragen sei die Gemeindevertretung in ihrer Sitzung am 15. November 1990 nicht eingegangen. Der positiven Willensbildung fehle insgesamt eine zustimmende fachliche raumordnungstechnische Stellungnahme. Daß eine derart extensive gewerbliche Betriebsausweitung für den gegenständlichen Standort nicht verträglich sei, bewiesen die von den Einschreitern vorgelegten Lichtbilder. Demnach würden vermehrt Fahrbewegungen mit Lastkraftwagen und Kraftwagenzügen durchgeführt, welche Boote und Anhänger zulieferten. Dementsprechend werde sich auch der Kundenverkehr wesentlich verstärken. Weiters führt die belangte Behörde in ihrem Bescheid aus, sie verkenne nicht, daß es allenfalls für das Landschaftsbild eine Verbesserung brächte, wenn sich die gewerbliche Tätigkeit der Antragsteller in umbauten Räumen abspielen würde. Bei der Errichtung einer derartig großen Lagerhalle käme es jedoch nur zu einer Problemverlagerung aus dem Bereich des Landschafts- und Naturschutzes in den Bereich der Raumordnung. Aufgrund der gegebenen Strukturverhältnisse sowie des fachlich einwandfreien raumordnungstechnischen Gutachtens hätte dem Beschluß der Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt werden müssen. Da dies die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung nicht erkannt habe, habe der Bescheid von der belangten Behörde als nichtig erklärt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 des Salzburger Raumordnungsgesetzes BGBl. Nr. 26/1977 in der Fassung BGBl. Nr. 80/89 (ROG), hat die Landesregierung die Genehmigung des beschlossenen Flächenwidmungsplanes zu versagen,

a) bei Fehlen der Bedachtnahme auf die gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnisse oder die sonstigen bei der Aufstellung des Flächenwidmungsplanes zu beachtenden Bestimmungen dieses Gesetzes;

b) bei Fehlen der Übereinstimmung des Flächenwidmungsplanes mit Entwicklungsprogrammen;

c) bei Fehlen der Übereinstimmung des Flächenwidmungsplanes mit Planungen der angrenzenden Gemeinde. Gemäß § 19 Abs. 1 ROG können Maßnahmen, die sich auf den Raum auswirken und die aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften einer Bewilligung der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich bedürfen, zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Flächennutzungsplanes nur in Übereinstimmung mit der Flächenwidmung bewilligt, genehmigt oder sonst zugelassen werden. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung können die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gemäß Abs. 1, wenn es sich nicht um Apartmenthäuser, Feriendörfer oder Wochendsiedlungen oder um Einkaufszentren handelt, für bestimmte Grundflächen von der Gemeindevertretung auf Ansuchen des Grundeigentümers durch Bescheid ausgeschlossen und ein genau bezeichnetes Vorhaben raumordnungsmäßig bewilligt werden, wenn dieses dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht und bei Bauvorhaben für Wohnbauten (ausgenommen bei überliegend landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Bauten) eine Gesamtgeschoßfläche von 200 m2 nicht überschreitet. Vor dieser im behördlichen Ermessen gelegenen Bewilligung sind die Anrainer zu hören und ist das Ansuchen sechs Wochen lang ortsüblich kundzumachen. Die im § 16 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen sind berechtigt, Anregungen vorzubringen. Anregungen und sonstige Vorbringen zum Ansuchen sind in die Beratungen zur bescheidmäßigen Erledigung einzubeziehen. Die Bewilligung bedarf der Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft, in der Stadt Salzburg der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Bewilligung gesetzwidrig ist oder einen Tatbestand des § 17 Abs. 3 bewirken würde. Über die Erteilung der Genehmigung ist binnen drei Monaten zu entscheiden. Genehmigungsbescheide der Bezirkshauptmannschaft sind auch der Landesregierung unter Anschluß der Planunterlagen unverzüglich zuzustellen; sie leiden, wenn sie entgegen den vorstehenden Bestimmungen erlassen wurden, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG). Eine Nichtigerklärung ist nur innerhalb von drei Monaten nach Zustellung an die Landesregierung zulässig. Wird ein die Genehmigung versagender Bescheid auf Grund eines hiegegen eingebrachten Rechtsmittels aufgehoben, so beginnt mit der Zustellung des betreffenden Bescheides oder Erkenntnisses die dreimonatige Frist neu zu laufen.

Gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG können Bescheide von Amtswegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Bei der Handhabung der Aufsichtmittel sind gemäß § 72a der Salzburger Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 56/1976 d.F. LGBl. Nr. 67/1988, erworbene Rechte Dritter insoweit zu schonen, als die Erreichung des Aufsichtszieles noch gewährleistet erscheint. Das der Aufsichtbehörde zustehende Ermessen darf daher nicht in der Weise geübt werden, daß wegen jeder auch noch so geringfügigen Rechtswidrigkeit in rechtskräftige Bescheide eingegriffen wird (vgl. das h.g. Erkenntnis vom 23. Jänner 1992,

Zlen. 91/06/0166, 0175, mit zahlreichen Judikatur- und Literaturhinweisen). Der Begründung ihres Bescheides zufolge ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß sie - da die Bezirkshauptmannschaft ihrer Ansicht nach zu unrecht mit Beschluß der Gemeindevertretung der beschwerdeführenden Gemeinde vom 15. November 1990 die aufsichtbehörliche Genehmigung erteilt habe - den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft gemäß § 68 Abs. 4 lit. d AVG als nichtig erklären MUSSTE. Schon damit belastete die belangte Behörde aber ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, da, wie bereits ausgeführt, die Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 68 Abs. 4 lit. d im Ermessen der Aufsichtsbehörde liegt. Wie bei jeder Ermessensentscheidung ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens vorliegen, erst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann die Behörde ihr Ermessen ausüben, wobei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Aufsichtsbehörde die Ermessensentscheidung hinreichend zu begründen hat und zwar in einem Ausmaß, das der Partei ermöglicht, ihre Rechte auch vor dem Verwaltungsgerichtshof zweckmäßig zu verfolgen, und dementsprechend der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, zu prüfen, ob die Behörde von ihrem Ermessen tatsächlich im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. das h.g. Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, Zl. 91/06/0167). Von der unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, daß ihr kein Ermessenspielraum zukomme, hat es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch unterlassen, die Ausübung ihres Ermessens hinreichend zu begründen. Auch deshalb ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid ist aber mit einer weiteren Rechtswidrigkeit belastet: Die Nichtigerklärung gründet sich im wesentlichen auf die von der belangte Behörde zu Unrecht getroffene Feststellung, daß der Standort des Vorhabens nach dem räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde in einer Vorrangzone für Erholung liege, weshalb alle Eingriffe in diesen Raum sorgfältig auf diese Zielsetzung hin überprüft werden müßten. Denn das Entwicklungskonzept der mitbeteiligten Gemeinde aus dem Jahre 1984 enthält eine detaillierte Beschreibung der als Vorrangzonen für die Erholung gewidmeten Teile des Gemeindegebietes, (S. 4 und 5 des Entwicklungskonzeptes); das Grundstück Nr. 955/4, KG N, liegt nicht in einer der beschriebenen Vorrangzonen für Erholung. Die nächstgelegene derartige Vorrangzone erstreckt sich vielmehr vom Seeufer des Fuschlsees in westlicher Richtung durch das Tal der Fuschler Arche und ist rund einen km vom vorgesehenen Standort der geplanten unterirdischen Halle entfernt.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Ersatz für Stempelmarken konnte der beschwerdeführenden Gemeinde nicht zugesprochen werden, da die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechtes im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957 von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit ist; diese Befreiung erstreckt sich auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1969, Slg. Nr. 7554/A, uva.)

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