VwGH 92/05/0029

VwGH92/05/002916.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerden 1.) des HN (Zl. 92/05/0029) und 2.) der EN (Zl. 92/05/0030), beide in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. Dezember 1991, Zl. MD-VfR-B XIII-21/91, betreffend eine Baueinstellung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
BauO Wr §127 Abs8 litb;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §73;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
BauO Wr §127 Abs8 litb;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §73;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von je S 2.782,50 (zusammen also S 5.565,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 15. Mai 1991 wurde dem Erstbeschwerdeführer "als Bauwerber" und der Zweitbeschwerdeführerin "als Bauwerber und Grundeigentümer" die "Fortführung der auf der Liegenschaft nn Bez., EZ 2884 der Kat.-Gem. X begonnenen Veränderung der Höhenlage des Geländes (Abgrabung) auf Grund des § 127 Abs. 8 der Bauordnung für Wien (BO) untersagt". Gleichzeitig wurde einer gegen diesen Bescheid einzubringenden Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen.

Die Baubehörde erster Instanz ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß eine Geländeveränderung begonnen worden sei, indem das bestehende, stark ansteigende Gelände hinter dem Rohbau bis zu einer Entfernung von ca. 14 m von der Außenmauer terrassenartig abgegraben worden sei, womit die Niveauveränderung entgegen den Bestimmungen des § 73 der Bauordnung für Wien abweichend vom genehmigten Bauplan in einem wesentlich größeren Ausmaß als bewilligt durchgeführt werde.

Auf Grund der dagegen eingebrachten Berufung der Beschwerdeführer wurde der erstinstanzliche Bescheid mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. Dezember 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahin geändert, daß der Ausspruch über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung zu entfallen habe. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

In Erwiderung auf die Rechtsmittelausführungen stellte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides fest, es sei richtig, daß die Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 22. Februar 1990 die Errichtung eines Kleinhauses auf der in Rede stehenden Liegenschaft bewilligt habe, an dessen im ersten Obergeschoß gelegenen Wohnraum gartenseitig eine 23,4 m2 große Terrasse anschließen sollte. Allerdings sollte diese Terrasse nicht, wie die Beschwerdeführer in ihrem Rechtsmittel nunmehr ausführen, eine Tiefe von etwa 7 m ab der Außenmauer des Hauses aufweisen, sondern bloß eine solche von 4,8 m. In Anbetracht des steilen Geländes sei der Abschluß der Terrasse durch eine Stützmauer vorgesehen, deren Oberkante in Geländehöhe verlaufen sollte. Der Abschluß der Terrasse sei unbestritten nicht in der am 22. Februar 1990 bewilligten Form hergestellt worden, sondern es sei eine von den Beschwerdeführern selbst näher beschriebene Geländeveränderung durchgeführt worden, die an die Stelle des im Einreichplan vorgesehenen Terrassenabschlusses treten soll. Wie die Beschwerdeführer richtig ausführen, sei die Geländeveränderung für sich allein betrachtet nur unter den im § 60 Abs. 1 lit. g der Bauordnung für Wien genannten Voraussetzungen bewilligungsbedürftig. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil ein Einfluß auf die widmungsgemäße Verwendung der eigenen Grundfläche und der Nachbargrundflächen nicht erkennbar sei und der im Berufungsverfahren gehörte bautechnische Sachverständige ausgeführt habe, daß Auswirkungen der Abgrabung auf Baulichkeiten auf der eigenen Liegenschaft oder auf Nachbarliegenschaften augenscheinlich nicht sichtbar seien. Daraus allein sei nicht abzuleiten, daß die Geländeveränderung im konkreten Fall nicht doch einer Baubewilligung bedürfe. Wie bereits ausgeführt worden sei, sei die Geländeveränderung ein Ersatz für die im Einreichplan zur Baubewilligung vom 22. Februar 1990 vorgesehene Ausgestaltung des Bereiches hinter dem Wohnhaus. Die dort ursprünglich vorgesehene Terrasse und ihr Abschluß würden eine gestalterische Einheit mit dem Wohngebäude bilden. Die Veränderung der Terrasse sei daher eine Abweichung von dem mit dem Bescheid vom 22. Februar 1990 bewilligten Bauvorhaben. Nach § 73 der Bauordnung für Wien seien beabsichtigte Abweichungen von rechtskräftigen, noch wirksamen Baubewilligungen nach den Bestimmungen des § 60 wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln. Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen seien aber gemäß § 60 Abs. 1 lit. c leg. cit. u.a. dann bewilligungsbedürftig, wenn durch sie das äußere Ansehen geändert werde. Eine derartige Änderung sei mit der abgeänderten Ausführung der Terrasse verbunden, sodaß die vorherige Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung erforderlich gewesen wäre. Zu Recht habe daher die Baubehörde erster Instanz die nicht bewilligte Bauführung gemäß § 127 Abs. 8 (zu ergänzen: lit. b) der Bauordnung eingestellt. Sie habe diese Baueinstellung gemäß § 127 Abs. 9 leg. cit. auf den Terrassenbereich beschränkt und somit keine überschießende Maßnahme gesetzt. Der Ausspruch über den Ausschluß einer aufschiebenden Wirkung der Berufung sei aufzuheben gewesen, weil auf Grund der bereits wiedergegebenen Feststellungen des bautechnischen Sachverständigen Gefahr im Verzug nicht anzunehmen gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach dem Beschluß, diese beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden, erwogen:

Gemäß § 127 Abs. 8 lit. b der Bauordnung für Wien ist die Bauführung einzustellen, wenn von den genehmigten Bauplänen in solcher Art oder in solchem Umfang abgewichen wird, daß für die Abweichung die Einholung einer Baubewilligung erforderlich ist (§ 73).

Beabsichtigte Abweichungen von rechtskräftigen, noch wirksamen Baubewilligungen sind gemäß § 73 leg. cit. nach den Bestimmungen des § 60 wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln. Durch derartige Ansuchen und durch deren Erledigung wird die Gültigkeitsdauer der ursprünglichen Baubewilligung nicht verlängert.

Bei Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen ist vor Beginn gemäß § 60 Abs. 1 lit. c leg. cit. die Bewilligung der Behörde zu erwirken, wenn u.a. durch sie das äußere Ansehen geändert wird.

Zu der einleitenden Rüge der Beschwerdeführer, der Spruch des von der belangten Behörde insoweit bestätigten erstinstanzlichen Bescheides enthalte keinen Hinweis auf die wiedergegebene lit. c des § 60 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, sondern zitiere lediglich § 127 Abs. 8 leg. cit, ist zu bemerken, daß der angefochtene Bescheid selbst dann nicht rechtswidrig wäre, wenn er die tragende Rechtsnorm nicht angeben würde, sondern nur dann, wenn eine solche überhaupt nicht vorhanden ist (vgl. dazu das bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, auf S. 434 unter ENr. 2b zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1959, Zl. 278/59). Im übrigen ergibt sich aus der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides der ausdrückliche Hinweis, daß das Zitat im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides "§ 127 Abs. 8" durch die Bezeichnung "lit. b" zu ergänzen sei. Es war daher nicht nur aus diesem Grunde nicht erforderlich, im Bescheidspruch auf § 60 Abs. 1 lit. c hinzuweisen, sondern auch deshalb, weil die verfügte Baueinstellung nach den klaren Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides gar nicht auf diese Bestimmung, sondern auf § 127 Abs. 8 lit. b i.V. m. § 73 und § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien gestützt worden ist. Daß die belangte Behörde spruchgemäß "die Fortführung der ... begonnenen Veränderung der Höhenlage des Geländes (Abgrabung)" untersagt hat, vermag daran nichts zu ändern, zumal sich ebenfalls aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt, daß die belangte Behörde die in Rede stehenden Geländeveränderungen, wie schon erwähnt, "für sich allein betrachtet" ausdrücklich als nicht bewilligungspflichtig angesehen, sondern die Auffassung vertreten hat, daß die Geländeveränderung ein Ersatz für die im Einreichplan zur Baubewilligung vom 22. Februar 1990 vorgesehene Ausgestaltung des Bereiches hinter dem Wohnhaus ist. Die dort ursprünglich vorgesehene Terrasse und ihr Abschluß bilden eine gestalterische Einheit mit dem Wohngebäude, weshalb die Veränderung der Terrasse eine Abweichung von dem mit dem Bescheid vom 22. Februar 1990 bewilligten Bauvorhaben ist. Die Befassung des bautechnischen Amtssachverständigen ist im übrigen offenbar deshalb erfolgt, um zu erheben, ob die Voraussetzungen für eine Bewilligungsbedürftigkeit der erfolgten Veränderung der Höhenlage im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. g der Bauordnung für Wien gegeben sind, wonach derartige Maßnahmen bewilligungspflichtig sind, soweit sie von Einfluß auf bestehende bauliche Anlagen auf eigenen oder benachbarten Grundflächen oder deren widmungsgemäße Verwendung sind. Da die belangte Behörde, wie schon erwähnt, eine Bewilligungspflicht der durchgeführten Veränderung der Höhenlage nicht angenommen hat, sondern davon ausgegangen ist, daß diese Veränderung im Bereich der geplanten Terrasse im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c leg. cit. als eine Änderung einer baulichen Anlage zu qualifizieren ist, durch welche das äußere Ansehen geändert wird, ist im vorliegenden Zusammenhang lediglich zu prüfen, ob eine derartige Annahme berechtigt ist. In dieser Hinsicht ist festzuhalten, daß nach dem baubehördlich bewilligten Einreichplan auf der Höhe des ersten Obergeschoßes eine Abgrabung hinter dem Haus bis zu einer Entfernung von 4,8 m ab der Außenmauer des Hauses vorgesehen ist, wobei diese Fläche als "Terrasse" bezeichnet ist und durch eine Stützmauer abgegrenzt wird. In den Sachverhaltsdarstellungen der vorliegenden Beschwerden wird ausgeführt, daß "im Anschluß an die Terrasse eine ca. 2 m höher gelegene ebene Fläche von einer Tiefe im Ausmaß von 6 m, verlaufend bis 50 cm hergestellt" worden sei, wobei diese Angaben in etwa mit der im Verwaltungsakt erliegenden Darstellung des im Berufungsverfahren befaßten bautechnischen Amtssachverständigen übereinstimmen. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes kann der belangten Behörde aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 lit. c leg. cit. ausgegangen ist, weil das äußere Ansehen des mit dem anschließenden Haus als gestalterische Einheit anzusehenden Terrassenbereiches damit in einer von der erteilten Baubewilligung nicht unwesentlich abweichenden Weise verändert wird, zumal die im bewilligten Einreichplan vorgesehene Stützmauer, welche die Terrasse abschließen sollte, nicht ausgeführt werden soll, sondern im Anschluß an die Terrasse, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend gemeint hat, "eine Böschung, eine weitere ebene Fläche und daran anschließend eine zweite Böschung" hergestellt werden soll. Ob diese Veränderung baubehördlich bewilligt werden kann, braucht im gegebenen Zusammenhang nicht untersucht zu werden, weil es für die Frage der Rechtmäßigkeit der verfügten Baueinstellung nicht auf die Bewilligungsfähigkeit, sondern darauf ankommt, daß die bauliche Maßnahme einer Bewilligung bedarf.

Die Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil die Verwaltungsakten nur einmal vorgelegt worden sind, sodaß der Vorlageaufwand nur einmal zugesprochen werden durfte.

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