VwGH 92/04/0191

VwGH92/04/019112.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde 1. der Stadtgemeinde X, 2. des Dr. JW, 3. der IW,

4. des GW, 5. der EB, 6. der RH und 7. der JA, alle in S und vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. Februar 1992, Zl. 5/02-744/7-1992, betreffend Zurückweisung von Berufungen gegen die Genehmigung eines Versuchsbetriebes gemäß § 354 Gewerbeordnung (mitbeteiligte Partei: M in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in X), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
GewO 1973 §354 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AVG §8;
GewO 1973 §354 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft erteilte mit Bescheid vom 7. Jänner 1992 über Ansuchen der mitbeteiligten Partei gemäß § 354 GewO 1973 - in Abänderung des Bescheides vom 27. Juni 1991, Punkt E des Spruches, - die Genehmigung zur Verlängerung des derzeit laufenden Versuchsbetriebes zur Durchführung der Arbeiten für die weitere Projektserstellung und die erforderliche Begutachtung betreffend die Betriebsanlagenänderungen im Rahmen des Wiederaufbaues und der hinzukommenden Abluftreinigungsanlagen für die Holztrockner sowie die darüber hinaus vorgesehenen immissionsmindernden Änderungen im Abluftsystem der Betriebsanlage des Spanplattenwerkes im näher bezeichneten Standort, durch Verlängerung der Frist für die Inbetriebnahme der GSE-Filteranlage bis spätestens 30. April 1992 unter Aufrechterhaltung des übrigen Spruchinhaltes des zitierten Bescheides vom 27. Juni 1991.

Die gegen diesen Bescheid von den nunmehrigen Beschwerdeführern erhobenen Berufungen wurden mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 356 Abs. 3 und 4 GewO 1973 mangels Parteistellung zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Parteistellung von Nachbarn gewerblicher Betriebsanlagen in Genehmigungsverfahren sei im § 356 Abs. 3 und 4 GewO 1973 geregelt. Demnach stehe Nachbarn in Genehmigungsverfahren, die auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eingeleitet würden, unter den in Abs. 3 näher geregelten Voraussetzungen Parteistellung zu. Darüber hinaus enthalte § 356 Abs. 4 in einer taxativen Aufzählung jene Verfahren, in denen die im § 356 Abs. 3 leg. cit. genannten Nachbarn Parteistellung hätten. Zu keinem dieser im Gesetz taxativ angeführten Fälle zähle das im § 354 leg. cit. geregelte Verfahren. Es sei daher davon auszugehen, daß im Verfahren nach § 354 GewO 1973 den Nachbarn der Betriebsanlage keine Parteistellung zukomme. Wenn aber einem Nachbarn im Verfahren betreffend die Genehmigung eines Versuchsbetriebes nach § 354 GewO 1973 Parteistellung nicht zukomme, so könne er auch das ausschließlich Verfahrensparteien zustehende Berufungsrecht gegen einen gemäß § 354 leg. cit. erlassenen Bescheid nicht in Anspruch nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1992, B 422/92, nach Ablehnung an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene - Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich "in ihrem Recht auf Parteistellung im gewerbebehördlichen Verfahren betreffend die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage verletzt". In Ausführung des so formulierten Beschwerdpunktes tragen die Beschwerdeführer - im wesentlichen - vor, mit Erkenntnis vom 4. März 1992 habe der Verfassungsgerichtshof den Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichtshofes bestätigt, wonach im Verfahren zur Erteilung einer sogenannten Versuchsbetriebsgenehmigung nach § 354 GewO den Nachbarn keine Parteistellung zukomme und dagegen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Die gegenständliche Beschwerde richte sich nicht gegen diese Rechtsansicht, sondern laste dem angefochtenen Bescheid insofern inhaltliche Rechtswidrigkeit bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung der Bescheid einen anderen Inhalt hätte haben können, an, als er sich zu Unrecht auf § 354 GewO 1973 stütze. Beim angefochtenen Bescheid handle es sich um die letzte den Nachbarn zugestellte "Ausfertigung" einer Reihe von Bescheiden, mit denen unter Berufung auf § 354 GewO die Änderung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei in Wals, nämlich ihr Spanplattenwerk, genehmigt werde. Es werde damit der Inhalt der vorangegangenen Bescheide im wesentlichen fortgeschrieben. Das Werk werde nunmehr bereits über drei Jahre im Rahmen eines Versuchsbetriebes geführt. Sowohl nach den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, mit denen er die Parteistellung der Nachbarn in einem Verfahren zur Erteilung einer Versuchsbetriebsgenehmigung nach § 354 GewO abgelehnt habe, wie auch nach dem bereits zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1992 diene die Versuchsbetriebsgenehmigung einem ganz klar umschriebenen Zweck. Es solle damit im Zuge eines anhängigen Genehmigungsverfahrens das Ermittlungsverfahren rationell und effektiv durchgeführt werden können, um die tatsächlichen Beeinträchtigungen und die Möglichkeiten, diese hintanzuhalten, festzustellen. Die verfahrensgegenständlichen und die ihnen vorangegangenen Bescheide entsprächen jedoch in keiner Weise diesen Anforderungen. Der erste Bescheid, mit dem unter Berufung auf § 354 GewO 1973 für die gegenständliche Betriebsanlage eine Genehmigung erteilt worden sei, nämlich der mündlich verkündete Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 13. November 1989, habe einen Gegenstand gehabt, der sich von demjenigen, der nunmehr auf derselben Rechtsgrundlage genehmigt werden solle, wesentlich unterscheide. Beim Erstbescheid sei es darum gegangen, die - wie sich später herausgestellt habe - Erhöhung der Kapazität des O+A-Trockners um rund 30 % samt dem zum damaligen Zeitpunkt vorgesehenen Vorhaben einer Staubfilteranlage der Type EFB und schlechthin der "Wiedererrichtung der durch Brand zerstörten Betriebsanlagenteile in betriebs- und umwelttechnologisch verbesserter Form" einer Genehmigung zuzuführen. In den weiteren Genehmigungsbescheiden sei der Gegenstand durch Verweisung auf Vorbescheide und vage Umschreibungen bezeichnet worden, die keine Eingrenzung auf bestimmte Anlagen oder Anlageteile beinhaltet hätten. Nunmehr sei aber ein ganz anderes, nämlich neues und zusätzliches Projekt einer Staubabscheidungsanlage Gegenstand des Verfahrens, nämlich eine GSE-Filteranlage. Der vorzitierten Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei zu entnehmen, daß die Erteilung einer Versuchsbetriebsgenehmigung nach § 354 GewO 1973 immer nur auf ein ganz bestimmtes Genehmigungsverfahren abgestellt sei. Keine Grundlage in der zitierten Regelung finde im Lichte dieser Rechtsprechung die Annahme, es könne "in einem fort" mit jeweils sich ändernden Genehmigungsgegenständen eine Betriebsanlage im Versuchsbetrieb geführt werden. Aus tatsächlicher Sicht sei nämlich zu berücksichtigen, daß bereits die nächsten Schritte zur Änderung der Betriebsanlage absehbar seien, sodaß die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage auch weiterhin unter Heranziehung der Rechtsgrundlage nach § 354 GewO 1973 geändert und betrieben werde. Derartiges könne - insbesondere im Lichte der zitierten Rechtsprechung - dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Es werde mit dem gegenständlichen Bescheid "nicht die Genehmigung für den Versuchsbetrieb für ein bestimmtes, durch seinen Gegenstand von vornherein fixiertes Verfahren auf Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen für bestimmt bezeichnete Anlagen oder Anlagenteile erteilt", sondern infolge der Vagheit der Gegenstandsumschreibung für einen nicht näher bekannten Umfang der gesamten Betriebsanlage bzw. möglicherweise für die gesamte Betriebsanlage selbst mit jeweils wechselnden bzw. modifizierten Gegenständen je nach technischen Erfordernissen. Den Nachbarn sei im übrigen auch nicht bekannt, ob in der Zwischenzeit weitere Ansuchen eingebracht, oder ob das ursprüngliche Ansuchen bereits "zum x-tenmal" geändert worden sei. § 354 GewO 1973 biete jedenfalls nicht die Grundlage, um ohne nähere Eingrenzung des Gegenstandes, der von einem im Zuge eines gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens erforderlichen Ermittlungsverfahren erfaßt werden solle, eine Betriebsanlage als Ganzes durch Jahre hindurch betreiben zu können, ohne eine gewerbebehördliche Genehmigung nach den §§ 74 ff oder 81 GewO 1973 zu erwirken. Der angefochtene Bescheid stütze sich daher mißbräuchlich auf § 354 GewO und entspreche in keiner Weise den in der Rechtsprechung zu dieser Rechtsgrundlage entwickelten inhaltlichen Anforderungen eines solchen Bescheides. Es handle sich daher beim erstinstanzlichen Bescheid in Wahrheit um eine gewerbebehördliche Genehmigung gemäß § 81 GewO 1973 zur Änderung einer Betriebsanlage, die jedoch unter Außerachtlassung der einschlägigen Regelungen der Gewerbeordnung und insbesondere jener über die Parteistellung der Nachbarn ergangen sei. Dies habe die belangte Behörde verkannt. Möglicherweise wäre dieser Fehler der belangten Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Beurteilung der anhängigen Sache nicht unterlaufen und hätte der angefochtene Bescheid einen anderen Inhalt. Auch diesfalls handle es sich aber wohl eher um einen sekundären Verfahrensmangel, der primär auf einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit beruhe.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 354 GewO 1974 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, kann die Behörde, wenn sich das Ermittlungsverfahren wegen des außergewöhnlichen Umfanges oder der besonderen Beschaffenheit der Anlage voraussichtlich auf einen längeren Zeitraum erstrecken wird und anzunehmen ist, daß die Errichtung und der Betrieb der Anlage bei Vorschreibung bestimmter Auflagen zulässig sein wird, oder wenn zur Ausarbeitung des Projektes einer Anlage Vorarbeiten erforderlich sind oder wenn das Vorliegen des Ergebnisses bestimmter Vorarbeiten für die Entscheidung der Behörde (§§ 333, 334 und 335) von wesentlicher Bedeutung ist, mit Bescheid, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, schon vor der Genehmigung der Errichtung und des Betriebes der Anlage die Durchführung der erforderlichen Arbeiten (z.B. eines Versuchsbetriebes) genehmigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den, unbestrittenermaßen die Verlängerung des Versuchsbetriebes der mitbeteiligten Partei genehmigenden und sich auf § 354 GewO 1973 stützenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 7. Jänner 1992 zurückgewiesen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem in den hg. Erkenntnissen vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0153, sowie vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0323, näher dargetan hat, und was im übrigen von den Beschwerdeführern nicht (mehr) bestritten wird, kommt in einem Verfahren nach § 354 GewO 1973 (in der auch im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993) den Nachbarn keine Parteistellung zu.

Soweit die Beschwerdeführer behaupten, der Bescheid sei "mißbräuchlich" und rechtswidrig auf § 354 GewO 1973 gestützt worden und entspreche in keiner Weise den in der Rechtsprechung für einen Bescheid nach § 354 GewO 1973 entwickelten Anforderungen, vielmehr handle es sich um eine gewerbebehördliche Genehmigung nach § 81 GewO 1973, die jedoch unter Außerachtlassung der einschlägigen Regelungen der Gewerbeordnung, insbesondere jener über die Parteistellung der Nachbarn ergangen sei, sind die Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung dieser Behauptung im Hinblick auf die mangelnde Parteistellung der Beschwerdeführer im Verfahren nach § 354 GewO 1973 verwehrt ist. Ob die in Frage stehende Verlängerung des Versuchsbetriebes in inhaltlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht der Zwecksetzung des § 354 noch entspricht (oder nicht), kann im vorliegenden Verfahren, in dem lediglich die Parteistellung der Nachbarn im Verfahren zur Genehmigung eines Versuchsbetriebes Streitgegenstand ist, nicht geprüft werden (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1992, B 1208/90, 1288/90, 985/91, 1286/90, 1289/90).

Daß die Behörde bei der Verlängerung des Versuchsbetriebes - allenfalls - die Grenzen ihrer Ermächtigung überschritten und ihre Amtspflichten verletzt hat, ändert nichts am vordargestellten Beschwerdegegenstand und ändert auch nichts daran, daß mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 7. Jänner 1992 eine Genehmigung im Grunde des § 81 GewO 1973 - nach Durchführung des Verfahrens gemäß § 356 GewO 1973 - (im Sinne des Beschwerdevorbringens) nicht erteilt wurde.

Soweit die Beschwerdeführer vorweg in ihrer Beschwerde geltend machen, der angefochtene Bescheid weise keinen geeigneten Genehmigungsträger auf, zumal die "Holzindustrie M" als Antragstellerin und Trägerin der erteilten Genehmigung genannt werde und eine Rechtsperson dieser Bezeichnung im Firmenbuch nicht eingetragen sei, sondern vielmehr nur eine Kommanditgesellschaft unter der Firma "M", konnten die Beschwerdeführer - mangels Parteistellung - dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde erweist sich somit im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betraf im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes den als Streitgenossenzuschlag geltend gemachten Betrag sowie nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.

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