Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. März 1992 sprach der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über eine Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 31. Juli 1991 unter Bezugnahme auf § 66 Abs. 4 AVG 1950 wie folgt ab:
"Der angefochtene Bescheid und die Spruchteile des Bescheides des Bürgermeisters von Krems vom 26. 9. 1990, Zl. VI/1-L-22/89, betreffend die Abweisung des Begehrens vom 4. 6. 1990 "auf Offenhalten der Eingangstüre von 8.00 bis 20.00 Uhr" und die Aussetzung des Verfahrens zur Genehmigung der Aufstellung von zwei Tischen mit je zwei Stühlen werden im Grunde des § 78 Abs. 4 GewO 1973 und § 38 AVG 1950 behoben."
Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid vom 13. März 1990 habe der Bürgermeister der Stadt Krems/Donau für die Errichtung und den Betrieb der Betriebsanlage (Gastgewerbelokal) des Beschwerdeführers im Standort S-Straße nn, die gewerbebehördliche Genehmigung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Unter anderem sei vorgeschrieben worden, daß die Zugangstür zum Gastlokal nur für dessen Betreten und Verlassen geöffnet werden dürfe. Das Ende der Betriebszeit sei mit 20.00 Uhr festgelegt worden. Mit Schreiben vom 4. Juni 1990 habe der Beschwerdeführer um Genehmigung der Verlängerung der Betriebszeit bis 22.00 Uhr angesucht. Gleichzeitig habe er die Genehmigung für die Aufstellung von zwei Tischen außerhalb der Eingangstür der Anlage und deren Offenhalten in der Zeit von 8.00 bis 20.00 Uhr beantragt. Mit Schreiben vom 2. August 1990 habe er sein ursprüngliches Ansuchen insofern erweitert, als er eine Betriebszeit bis 24.00 Uhr beantragt habe. Mit Schreiben vom 5. September 1990 habe er um Aussetzung des Verfahrens betreffend die ursprünglich beantragte Aufstellung von zwei Tischen mit je zwei Stühlen angesucht. Mit Bescheid vom 26. September 1990 habe der Bürgermeister der Stadt Krems/Donau gemäß § 78 Abs. 4 GewO 1973 die gewerbebehördliche Genehmigung für die Erweiterung der Betriebszeiten bis 22.00 Uhr erteilt, nicht jedoch bis 24.00 Uhr und habe auch das Begehren des Beschwerdeführers auf Offenhalten der Eingangstüre von 8.00 bis 20.00 Uhr abgewiesen. Gleichzeitig habe er darin das Verfahren betreffend die Aufstellung von zwei Tischen samt Stühlen ausgesetzt. Dagegen habe der Beschwerdeführer an den Landeshauptmann von Niederösterreich berufen. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1990 habe er seine Berufung, soweit sich diese gegen die Abweisung des Ansuchens um Verlängerung der Betriebszeit bis 24.00 Uhr gerichtet habe, zurückgezogen. Mit Bescheid vom 31. Juli 1991 habe der Landeshauptmann von Niederösterreich die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Dagegen habe der Beschwerdeführer neuerlich Berufung eingebracht, über die folgendes zu erwägen sei: Gemäß § 78 Abs. 4 GewO 1973 habe die Behörde auf Antrag von der Verpflichtung zur Herstellung des den Genehmigungsbescheid oder den Betriebsbewilligungsbescheid entsprechenden Zustandes dann Abstand zu nehmen, wenn es außer Zweifel stehe, daß die Abweichungen, die durch den Genehmigungsbescheid oder den Betriebsbewilligungsbescheid getroffene Vorsorge nicht verringerten. Die Behörde habe die Zulässigkeit der Abweichungen mit Bescheid auszusprechen. Ein Verfahren nach § 78 Abs. 4 GewO 1973 diene nicht dazu, eine in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vom Inhaber der Betriebsanlage unbekämpft gebliebene oder erfolglos bekämpfte Auflage nachträglich zu beseitigen oder durch eine andere Vorschreibung zu ersetzen. Der Inhaber der Betriebsanlagengenehmigung habe keine rechtliche Möglichkeit, das von ihm im Genehmigungsverfahren allenfalls angestrebte, aber versagt gebliebene Ergebnis im Wege eines Verfahrens nach § 78 Abs. 4 GewO 1973 zu erreichen. Im gegenständlichen Fall hätten sich keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Antrages gemäß § 78 Abs. 4 GewO 1973 ergeben. Aus diesem Grund fehle dem auf diese Bestimmung gestützten Verfahren der Behörde erster und zweiter Instanz die Rechtsgrundlage. Das gegenständliche Ansuchen des Beschwerdeführers begehre, wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergebe, vielmehr die Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides, nämlich Offenhalten der Eingangstür bzw. die Genehmigung einer Änderung (Aufstellung von zwei Tischen). Für die Aussetzung eines Verfahrens biete ausschließlich § 38 AVG die Rechtsgrundlage. Die darin genannten Voraussetzungen, nämlich die Entscheidung einer Vorfrage, seien jedoch im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weshalb auch der Spruchteil des erstbehördlichen Bescheides betreffend die teilweise Aussetzung des Verfahrens zu beheben gewesen sei. Auf Grund der teilweisen Berufungszurückziehung des Beschwerdeführers gegen jenen Spruchteil des erstbehördlichen Bescheides, mit dem eine Verlängerung der Betriebszeit zwar nicht bis 24.00 Uhr, jedoch bis 22.00 Uhr genehmigt worden sei, sei dieser in Rechtskraft erwachsen. Ein untrennbarer sachlicher Zusammenhang dieses Spruchteiles mit dem Abspruch über das Offenhalten der Eingangstüre bis 20.00 Uhr liege nämlich nicht vor. Somit seien der zweitbehördliche Bescheid sowie die nicht in Rechtskraft erwachsenen Spruchteile des erstbehördlichen Bescheides zu beheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid "in den gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Anwendung des § 78 Abs. 4 GewO 1973 in eventu des § 81 GewO 1973 sowie auf Einhaltung der Bestimmung des § 13a AVG" verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, seines Erachtens seien auf Grund seiner Antragstellung die - von ihm nach den weiteren Beschwerdedarlegungen als relevant angesehenen - Tatbestandsvoraussetzungen des § 78 Abs. 4 GewO 1973 erfüllt. Unabhängig davon hätte aber die belangte Behörde bei Nichtzutreffen dieser Voraussetzungen seinen Antrag als einen solchen nach § 81 GewO 1973 zu werten und zu behandeln gehabt. Im Zusammenhalt damit hätten aber - bei Unklarheit seines Antrages - die verfahrensbeteiligten Behörden jedenfalls gegen die Verpflichtung zur Manuduktion nach § 13a AVG verstoßen.
Die Beschwerde ist im Hinblick auf folgende Überlegungen begründet:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat - außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall - die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Daraus folgt aber, daß die Berufungsbehörde, wenn der meritorischen Entscheidung der Vorinstanz ein Antrag der Partei zugrunde lag, sie - abgesehen vom Fall des § 66 Abs. 2 AVG - auch über diesen Antrag abzusprechen hat. Eine bloße - nicht auf § 66 Abs. 2 AVG gegründete - Behebung vorinstanzlicher Bescheide hätte nämlich zur Folge, daß die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf und daß somit der auf die Entscheidung der Vorinstanz bezughabende Parteienantrag unerledigt bliebe (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1986, Zl. 85/08/0044).
Da die belangte Behörde, die ihren Abspruch über ersatzlose Behebung der vorinstanzlichen Bescheide im bezeichneten Umfang sowohl nach der spruchmäßig bezogenen Gesetzesstelle als auch inhaltlich ausschließlich auf § 66 Abs. 4 AVG stützte, dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringen bedurft hätte.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991; die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den angesprochenen, nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.
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