VwGH 92/03/0033

VwGH92/03/003324.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Jänner 1992, Zl. IIb2-V-8660/12-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §17;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs6;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §41;
VStG §44a Z1;
AVG §17;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs6;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §41;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 6. September 1990 wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO bestraft. Nach der Tatumschreibung im Spruch dieses Straferkenntnisses "lenkte der Beschwerdeführer am 29.04.1990

um 22.00 Uhr den Pkw ... in S auf der X-Straße und verursachte

auf der N-Brücke einen Verkehrsunfall, bei dem K. W. erheblich verletzt wurde, und weigerte sich um 22.30 Uhr des 29.04.1990 im Krankenhaus S, sich Blut abnehmen zu lassen, obwohl dies erforderlich und ärztlich unbedenklich gewesen wäre".

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. November 1990 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen und der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahin ergänzt, "daß nach dem Wort "verursachte" die Worte "bei bestehendem Verdacht, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden zu haben" eingefügt werden".

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 10. April 1991, Zl. 91/03/0008, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. In der Begründung heißt es, daß die Qualifikation des Beschuldigten als "vorgeführt" zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. c StVO gehört und demnach gemäß § 44a lit. a VStG im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Umschreibung der Tat im Spruch des Straferkenntnisses zum Ausdruck kommen muß. Diesem Erfordernis ist im Beschwerdefall nicht entsprochen worden. Hiefür reicht der Umstand, daß die Weigerung, sich Blut abnehmen zu lassen, in einem Krankenhaus erfolgt ist, auch bei nicht wörtlicher Auslegung des Begriffes "Vorführung" für sich allein nicht aus.

Nach ergänzend durchgeführtem Ermittlungsverfahren hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Jänner 1992 die Berufung gegen das Straferkenntnis erster Instanz abermals als unbegründet abgewiesen und den Spruch folgendermaßen präzisiert: "Der Beschwerdeführer hat sich am 29.04.1990 um 22.30 Uhr als Vorgeführter im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO 1960 im Krankenhaus S trotz Aufforderung eines Straßenaufsichtsorganes geweigert, sich Blut abnehmen zu lassen, obwohl dies erforderlich und ärztlich unbedenklich gewesen wäre, zumal der Beschuldigte am 29.04.1990 um 22.00 Uhr

beim Lenken des Pkws ... in S auf der N-Brücke der X-Straße,

bei bestehendem Verdacht, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden zu haben, einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem K. W. erheblich verletzt wurde."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattet eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 6 StVO hat die Untersuchung, wenn der Vorgeführte im Verdacht steht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, wenn dies erforderlich und ärztlich unbedenklich ist, eine Blutabnahme zu umfassen.

Gemäß § 99 Abs. 1 lit. c StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in bestimmter Weise zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 Abs. 6 StVO bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

Nach § 44a lit. a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß auch die mit dem angefochtenen Bescheid nunmehr modifizierte Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz weiterhin gegen das im § 44a lit. a VStG normierte Konkretisierungsgebot verstoße, kommt keine Berechtigung zu. Der modifizierte Spruch enthält nunmehr alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die für die Subsumtion des gegenständlichen Tatverhaltens unter die Verwaltungsvorschriften des § 5 Abs. 6 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. c StVO erforderlich sind und ist ausreichend konkretisiert. Wenn nun der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behauptet, daß diese "Spruchberichtigung gemäß § 66 Abs. 4 nicht berechtigt war, wie überhaupt Verfolgungsverjährung eingetreten ist", so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Berufungsbehörde, wenn der Bescheidspruch erster Instanz fehlerhaft ist, weil z.B. wie im vorliegenden Fall nicht alle Tatbestandsmerkmale genannt werden, verpflichtet ist, dies in ihrem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen, da sie sonst ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl. 1990, Anm. 8 zu § 44a VStG, S. 943). Die Berichtigung eines Tatbestandsmerkmales durch die Berufungsbehörde setzt voraus, daß innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmales erfolgt ist. Das war aber, wie die Aktenlage beweist, der Fall.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 4. September 1990 von der Behörde erster Instanz die Gelegenheit eingeräumt, Akteneinsicht zu nehmen und zum Ergebnis der Ermittlungen Stellung zu nehmen. Am 6. September 1990 hat der Vertreter des Beschwerdeführers in den Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen und eine Stellungnahme abgegeben. Dies stellte eine taugliche Verfolgungshandlung dar (vgl. abermals Hauer-Leukauf, a.a.O., Anm. 1 zu § 32 VStG, S. 882), zumal schon in der Anzeige samt Beilagen die Tat hinsichtlich aller, der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet weiters die "Erheblichkeit" der von K. W. bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen und damit das Vorliegen einer Voraussetzung zur obligatorischen Blutabnahme nach § 99 Abs. 1 lit. c StVO.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer erheblichen Verletzung im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO jede körperliche Schädigung zu verstehen, die nicht als ausgesprochen geringfügig anzusehen ist; unter Umständen können auch Prellungen und Hautabschürfungen erheblich sein (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1992, Zl. 92/02/0038, vom 14. Jänner 1987, Slg. Nr. 12.370/A, und vom 14. Mai 1991, Zl. 90/11/0210). Eine erhebliche Verletzung liegt insbesondere dann vor, wenn sie eine über die erste Hilfeleistung hinausgehende ärztliche Behandlung erfordert (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1991, Zl. 90/11/0210).

Aus dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. U. vom 1. August 1990 - auf welches sowohl die belangte Behörde als auch der Beschwerdeführer ihre Argumentation aufbauen - ergibt sich, daß K. W. beim gegenständlichen Verkehrsunfall eine Schädelprellung, eine Prellung des Brustkorbes sowie eine Prellung des rechten Knies mit einer 3 cm langen Rißquetschwunde über den Kniescheibe erlitten hat. Nach dem Verkehrsunfall wurde die Verletzte mit der Rettung in das Krankenhaus S transportiert, wo die Rißquetschwunde am Knie in örtlicher Betäubung mit Nähten versorgt werden mußte und der Verletzten auch eine Schutzimpfung gegen Wundstarrkrampf verabreicht wurde. Gegen die Beurteilung der belangten Behörde, die die vorliegenden Verletzungen als "erheblich" im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO qualifizierte, bestehen keine Bedenken, da das Nähen einer Wunde eine ärztliche Versorgungsmaßnahme darstellt, die über eine Maßnahme der ersten Hilfeleistung hinausgeht. Wenn nun der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einwendet, daß der medizinische Sachverständige die gegenständlichen Verletzungen "gerade noch als medizinisch an sich leicht" einstufte und daher im Hinblick darauf von erheblichen Verletzungen keine Rede sein könne, ist ihm entgegenzuhalten, daß einerseits der Begriff der "erheblichen" Körperverletzung nicht mit den Begriffen "leichte" oder "schwere" Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne gleichzusetzen ist - wie auch die belangte Behörde zutreffend anführte - und anderseits der medizinische Sachverständige die Verletzungen der K. W. als "hart an der Grenze zur medizinisch an sich schweren Körperverletzung" bezeichnete. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage bedurfte es daher nicht der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Verletzungen der K. W. im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO "erheblich" sind.

Auf sein Vorbringen, daß er im Zeitpunkt der Aufforderung zur Blutabnahme die Frage der Erheblichkeit der Verletzungen nicht beurteilen konnte, weil er die verletzte Person nicht sehen konnte, ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß auf Grund der Gegebenheiten bei dem in Rede stehenden Verkehrsunfall damit gerechnet werden mußte, daß die Verletzte, die nach dem Unfall über Schmerzen im Knie klagte und laut Anzeige gemeinsam mit dem Beschwerdeführer von der Rettung ins Krankenhaus S transportiert wurde, im Sinne des Gesetzes erheblich verletzt ist. Denn nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Anhaltspunkte für eine erhebliche Verletzung gegeben, wenn der Verletzte über starke Schmerzen klagt bzw. von der Rettung ins Krankenhaus transportiert wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1991, Zl. 90/11/0210).

Die belangte Behörde hat auch ausreichend und schlüssig dargelegt, warum sie zu der Feststellung gelangte, daß der Beschwerdeführer die Blutabnahme verweigert hat und ihm dies zurechenbar ist. Sie konnte sich dabei insbesondere auf die bei der Aufforderung zur Blutabnahme anwesenden Personen, die als Zeugen vernommen wurden, und das schon genannte Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr. U. stützen. Aus diesem Gutachten (im Zusammenhang mit den Zeugenaussagen) ergibt sich, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Verweigerung der Blutabnahme zurechnungsfähig und die Blutabnahme ärztlicherseits unbedenklich war. Gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde bestehen keine Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu finden, daß der belangten Behörde ein Verfahrensmangel unterlaufen ist.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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