VwGH 92/01/0832

VwGH92/01/083230.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der S in B, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Mai 1992, Zl. 4.298.138/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, reiste am 9. Juli 1990 in das österreichische Bundesgebiet ein, stellte am Tag danach einen Asylantrag und gab bei ihrer am 13. Juli 1990 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung im wesentlichen folgendes an:

Sie habe im Iran keiner politischen Organisation angehört. Ihre Familie habe eine enge Freundschaft zu fünf (namentlich bezeichneten) Personen unterhalten, die im April 1990 von "Revolutionshelfern" verhaftet worden seien. Man habe diesen Personen illegale politische Betätigung vorgeworfen. Sie könne nicht sagen, in welcher Weise sich die fünf Verhafteten politisch betätigt hätten, vermute aber, daß sie für die kommunistische Partei aktiv gewesen seien. Die Familie der Beschwerdeführerin jedenfalls habe damit nichts zu tun gehabt. Trotz der guten Freundschaft sei auch nicht über Politik gesprochen worden.

Wörtlich gab die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang folgendes an: "Kurz nach der Verhaftung dieser fünf Personen wurden unsere Bekannten auch verhaftet, obwohl diese nur sehr losen Kontakt zu den Verhafteten hatten. Es war von uns daher zu befürchten, daß auch wir verhaftet werden würden und ich habe es daher vorgezogen, mit meinen Schwestern ... den Iran zu verlassen. Bisher war ich im Iran keinerlei Verfolgungen ausgesetzt."

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1990 stellte daraufhin die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zuträfen.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin, wobei sie abweichend von ihren erstinstanzlichen Angaben folgendes vorbrachte:

Sie sei zusammen mit ihren Schwestern in verschiedenen Komitees tätig gewesen, die alle der TUDEH-Partei nahegestanden seien. Örtlich habe dies jene Bezirke Teherans betroffen, in denen die soziale Not besonders groß gewesen sei. Als die Behörden diese Aktivitäten der Beschwerdeführerin entdeckt hätten, sei sie unter zunehmendem politischen Druck gestanden. Sie habe schließlich ihre Arbeit als Friseuse aufgeben müssen und nicht mehr zu Hause wohnen können. Sie sei von den Behörden öfters vorgeladen und dabei bedroht worden. Man habe ihr zu verstehen gegeben, daß man auch ihrer Familie etwas antun werde. Da sie dem dauernden Druck nicht mehr standhalten habe können, habe sie sich zur Flucht entschlossen. Als Zeugen für ihre politische Verfolgung benannte die Beschwerdeführerin A in K, Deutschland.

Die belangte Behörde wies die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach ebenfalls aus, die Beschwerdeführerin sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes.

In ihrer Beweiswürdigung vertrat die belangte Behörde im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben der Beschwerdeführerin in erster Instanz und im Berufungsverfahren die Ansicht, daß die vorgenommenen Steigerungen unglaubwürdig seien. Erfahrungsgemäß machten nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Ausgehend davon gab die belangte Behörde im Ergebnis den erstinstanzlichen Angaben der Beschwerdeführerin gegenüber jenen in der Berufung den Vorrang und erachtete deshalb die Durchführung des beantragten Zeugenbeweises als entbehrlich. Unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Befragung im erstinstanzlichen Verfahren gelangte die belangte Behörde rechtlich zu dem Ergebnis, daß keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte für eine wohlbegründete Furcht der Beschwerdeführerin, in ihrer Heimat aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention verfolgt zu werden, vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in ihrem Recht auf Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeausführungen wenden sich in erster Linie gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung und behaupten, die Beschwerdeführerin sei der deutschen Sprache nicht mächtig, sodaß sie sowohl bei der erstinstanzlichen Vernehmung als auch bei der Abfassung der Berufung eines Dolmetschers bedurft habe. Dies habe zur Folge gehabt, daß ihre Aussagen "möglicherweise undeutlich erfolgt seien und gerade die Präzision, die für die Ermittlung von rechtserheblichen Tatsachen notwendig sei, vermissen lasse". Ausdrücklich bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe das Protokoll ihrer Aussage in erster Instanz erst 13 Tage nach Zustellung des Bescheides erster Instanz erhalten und dabei feststellen müssen, daß ihre Aussagen "nicht ganz korrekt wiedergegeben worden seien, was auf Übersetzungsfehler zurückzuführen sei."

Dazu ist zu sagen, daß die Beschwerdeführerin weder in ihrer Berufung noch jetzt in ihrer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde konkret darlegt, worin der behauptete Übersetzungsfehler gelegen sein soll und was in erster Instanz bei "richtiger Übersetzung" hätte protokolliert werden müssen. Schon aus diesem Grund muß daher dieser Teil der Verfahrensrüge scheitern.

Was die Bemühungen der Beschwerdeführerin anlangt, die Unterschiede zwischen ihren erstinstanzlichen Angaben und dem Inhalt ihrer Berufung nicht als Widerspruch bzw. Steigerung sondern nur als Präzisierung darzustellen, ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß angesichts des oben einleitend wiedergegebenen Sachverhaltes eklatante Widersprüche bzw. Steigerungen im Vorbringen der Beschwerdeführerin vorliegen. Ausgehend davon kann aber der belangten Behörde im Sinne der ständigen hg. Judikatur keine unschlüssige Beweiswürdigung vorgeworfen werden (vgl. dazu z.B. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht Seite 22 letzter Absatz und Seite 23 erster Absatz sowie in FN 50 referierte hg. Judikatur bzw. jüngst z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0068). Daran vermögen auch die von der Beschwerdeschrift zitierten, nicht das Asylverfahren betreffenden hg. Erkenntnisse nichts zu ändern. Der Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhang lediglich zuzugeben, daß es im Asylverfahren nach der bis 31. Mai 1992 geltenden Rechtslage kein Neuerungsverbot gab, jedoch vermag ihr dieser Unstand auch nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die belangte Behörde die Neuerungen im Berufungsverfahren ja nicht als unzulässig behandelt, sondern ihnen auf Grund einer keineswegs unschlüssigen Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit versagt hat. Aus diesem Grund war auch die belangte Behörde nicht gehalten, den in der Berufung angebotenen Zeugenbeweis durchzuführen.

Hinsichtlich der erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aufgestellten Behauptungen, die Beschwerdeführerin habe sich nach der Verhaftung ihrerFreunde durch "Untertauchen" einer persönlichen Verfolgung entzogen, ihr Vater sei über ihren Aufenthaltsort befragt worden, sodaß kein Zweifel daran bestehen könne, daß auch die Beschwerdeführerin hätte verhaftet werden sollen, sowie betreffend die der Beschwerdeschrift angeschlossene Kopie einer beglaubigten Übersetzung der schriftlichen Bestätigung einer Person namens M (also nicht des in der Berufung genannten Zeugen A) ist auf das gemäß § 41 VwGG bestehende Neuerungsverbot zu verweisen, welches ein Eingehen darauf entbehrlich macht.

Insoweit schließlich die Beschwerdeführerin ein Argument daraus zu gewinnen sucht, daß sie die belangte Behörde erst durch eine erfolgreiche Säumnisbeschwerde zur Erlassung des jetzt angefochtenen Bescheides bewegen konnte, ist ihr zu entgegnen, daß sich allein daraus noch keinerlei Anhaltspunkte für eine dem jetzt angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit gewinnen lassen.

Da sich schließlich ausgehend vom erstinstanzlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin der angefochtene Bescheid auch als frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit erweist, weil kein Sachverhalt erkennbar ist, der den weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin in ihrer Heimat wegen einer ihr dort drohenden Verfolgung aus Konventionsgründen objektiv betrachtet als unerträglich erscheinen ließe, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.

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