Normen
AsylG 1968 §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein äthiopischer Staatsangehöriger, reiste am 18. Februar 1988, aus Athen kommend, per Bahn nach Österreich ein und stellte am 19. Februar 1988 einen Asylantrag. Bei seiner am 29. Februar 1988 durch die Sicherheitsdirektion für Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab er im wesentlichen folgendes an:
Er habe in Äthiopien nach Absolvierung der Volks- und Grundschule sowie des Gymnasiums mit Jänner 1987 an der Universität Addis Abeba das Studium der Biologie begonnen. Er sei nicht Mitglied einer antikommunistischen Organisation gewesen. Am 27. Februar 1987 habe er spontan an einer friedlichen Demonstration auf dem Gelände der Universität teilgenommen, wobei gegen das pro-sowjetische Regime und den Hunger im Land demonstriert worden sei. Tags darauf sei er festgenommen und zur Polizeistation Sandafa (50 km von der Hauptstadt entfernt) gebracht worden. Er sei dort ohne Gerichtsurteil 7 Monate lang festgehalten worden. In dem Lager, das als Polizeischule diene, seien 15 Personen gefangen gewesen. Im Oktober 1987 sei ihm mit fünf Freunden die Flucht gelungen. Er habe sich nach Addis Abeba begeben, dort einen Freund aufgesucht und diesen gebeten, seine Mutter zu benachrichtigen. Diese habe ihn dann besucht und ihm Geld übergeben. Am 30. Oktober 1987 habe er Äthiopien verlassen und sich anschließend drei Monate lang in Saudi-Arabien aufgehalten. Dort habe er sich um 1.000 Rial einen gefälschten somalischen Paß besorgt. Am 14. Februar 1988 habe er Saudi-Arabien per Flugzeug in Richtung Griechenland verlassen, wobei die Ausreise durch Bestechung eines Beamten in Jeddah bewerkstelligt worden sei. In Athen habe er sich ein Visum für Österreich besorgt.
Nachdem eine Erledigung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. September 1988 durch die belangte Behörde als Nichtbescheid erkannt und eine dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 19. Juni 1991 als unzulässig zurückgewiesen worden war, stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 3. Juli 1991 fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, er habe hinreichend dargetan, in seinem Heimatstaat konkreter, politisch motivierter Verfolgung unterlegen zu sein, die er im Falle seiner Rückkehr wieder zu gewärtigen habe.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid nach Wiedergabe der Behauptungen des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und Darstellung der maßgeblichen Rechtslage damit, daß den Behauptungen des Beschwerdeführer kein Glauben geschenkt werden könne. In diesem Zusammenhang verwies die belangte Behörde vor allem darauf, daß der Beschwerdeführer nach seiner behaupteten Flucht aus dem Gefängnis wieder nach Addis Abeba zurückgekehrt sei, daß er Schwierigkeiten betreffend seine Ausreise aus Äthiopien nicht genannt habe und daß er sich schließlich drei Monate lang in Saudi-Arabien aufgehalten habe, ohne zu versuchen, dort Asyl zu erhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und Aufenthaltsberechtigung verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Was zunächst die Frage der behaupteten Unzuständigkeit der belangten Behörde anlangt, ist dem Beschwerdeführer, der vermeint, die Erledigung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom "19.2.1991" (gemeint wohl vom 3. Juli 1991, zugestellt am 19. Juli 1991; vgl. S 4 der Beschwerde) stelle wegen Verletzung des § 18 Abs. 4 AVG einen sogenannten Nichtbescheid dar, folgendes zu entgegnen:
Die in Rede stehende Erledigung weist folgende Fertigung auf:
"Für den Sicherheitsdirektor: gez. ORat Dr. S Vorstand" und trägt eine unleserliche Unterschrift.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müssen schriftliche Ausfertigungen unter anderem mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Daraus folgt, daß es sich bei der erstinstanzlichen Erledigung vom 3. Juli 1991 (weil auch alle sonstigen Erfordernisse eines Bescheides vorliegen), anders als es der Beschwerdeführer sehen will, um einen Bescheid handelt. Dies deshalb, weil nach ständiger hg. Judikatur eine Unterschrift keineswegs leserlich sein muß (vgl. z.B. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4 unter Nr. 20 und 21 referierte hg. Judikatur sowie Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5 Rz 193 Z. 1). Den von der Judikatur aufgestellten Erfordernissen eines individuellen Schriftzuges entspricht das auf der erstinstanzlichen Erledigung aufscheinende Schriftbild jedenfalls.
Da auch aus dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 17. April 1991, Zl. 91/01/0008, für den Standpunkt der Beschwerde nichts zu gewinnen ist, weil im vorliegenden Fall eine Unterschrift samt leserlicher Beifügung des Namens vorliegt und es daher einer Beglaubigung durch die Kanzlei gar nicht bedurfte, hat die belangte Behörde zu Recht die Kompetenz zur Sachentscheidung über die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid in Anspruch genommen.
Zur Verfahrensrüge in der Beschwerde ist folgendes zu sagen:
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde diverse Aktenwidrigkeiten vor. Von einer Aktenwidrigkeit kann nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seiten 593, 954 referierten hg. Erkenntnisse) nur die Rede sein, wenn der von der Behörde festgestellte Sachverhalt in der Aktenlage keine Deckung findet. Unter Sachverhalt sind jene Tatsachen zu verstehen, die als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die Entscheidungsgrundlage der Behörde bilden (aaO. 594 Abs. 2 bis 4). Da die belangte Behörde im vorliegenden Fall auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides die Angaben des Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Befragung vom 29. Februar 1988 (die nach der ständigen hg. Judikatur die wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden) vollkommen im Einklang mit dem Inhalt der Verwaltungsakten wiedergegeben hat, kann von einer Aktenwidrigkeit von vornherein nicht gesprochen werden.
Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf betrifft ausschließlich Argumente, die die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung gebrauchte, weshalb die Rüge der Aktenwidrigkeit in Wahrheit als Bekämpfung der Beweiswürdigung zu verstehen und zu behandeln ist.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Beweiswürdigung nur in der Richtung zukommt, ob sie den Denkgesetzen oder dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entspricht (vgl. Dolp aaO. 52 Anm. 2 Abs. 1 letzter Satz; ähnlich Oberndorfer, Die Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 137 Abs. 1 und die dort zitierte hg. Judikatur). Gemessen an diesen Maximen muß allerdings der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung entgegengetreten werden. Die von der belangten Behörde gebrauchten Argumente erscheinen in ihrer Gesamtheit nicht schlüssig: Es kann nämlich nicht gesagt werden, daß ein Verhalten, wie es der Beschwerdeführer gesetzt hat, atypisch für jemanden wäre, der sein Heimatland aus Konventionsgründen verläßt. Insbesondere ergibt sich aus dem relativ kurzen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Saudi-Arabien noch kein Argument, das die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ernsthaft erschüttern könnte. Es ist auch für den Verwaltungsgerichtshof kein Grund erkennbar, aus dem der Beschwerdeführer gehalten gewesen wäre, bereits in Saudi-Arabien einen Asylantrag zu stellen.
Da sohin nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Unschlüssigkeit ihrer Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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