VwGH 91/11/0088

VwGH91/11/008826.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der M St, geschiedene S, in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. Mai 1991, Zl. VerkR-390.004/2-1991-Si, betreffend Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §64 Abs5;
KFG 1967 §64 Abs6;
KFG 1967 §79 Abs3;
KFG 1967 §64 Abs5;
KFG 1967 §64 Abs6;
KFG 1967 §79 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. September 1990 begehrte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B auf Grund der ihr am 21. August 1989 in Polen erteilten Lenkerberechtigung. Der Antrag wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wels vom 17. Jänner 1991 gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 16. Mai 1991 unter Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Ihrem gesamten Vorbringen nach erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht, gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 auf Grund ihrer polnischen Lenkerberechtigung eine österreichische zu erlangen, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging von den unbestritten gebliebenen Annahmen aus, die Beschwerdeführerin habe seit 8. August 1987 einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich, und es sei ihr am 21. August 1989 in Polen eine Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B erteilt worden. Da an diesem Tag bereits mehr als ein Jahr seit Begründung des ordentlichen Wohnsitzes in Österreich verstrichen gewesen sei, sei die Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 5 KFG 1967 nicht mehr zum Lenken von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet auf Grund ihrer polnischen Lenkerberechtigung berechtigt gewesen. Daher könne das Lenken von Kraftfahrzeugen durch die Beschwerdeführerin in Österreich bei der Ermittlung der erforderlichen Mindestfahrpraxis im Sinne des § 64 Abs. 6 zweiter Satz KFG 1967 nicht berücksichtigt werden (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1985, Zl. 84/11/0231). Ein bloß gelegentliches Lenken im Ausland bilde keine ausreichende Fahrpraxis; die Beschwerdeführerin habe "dies auch nicht ausdrücklich vorgebracht".

Die Beschwerdeführerin hält die Ansicht für verfehlt, die Jahresfrist nach § 64 Abs. 5 KFG 1967 beginne mit der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet auch dann zu laufen, wenn der Betreffende noch keine Lenkerberechtigung besitze. Diese Ansicht bedeute im Ergebnis, daß ausländischen Staatsbürgern mit Wohnsitz in Österreich nach Ablauf eines Jahres ab dessen Begründung die Möglichkeit genommen wäre, in ihrem Heimatland eine Lenkerberechtigung zu erwerben und in der Folge eine österreichische Lenkerberechtigung gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 zu erlangen. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb eine solche Vorgangsweise ausgeschlossen sein solle. Vielmehr ergebe bereits die grammatikalische Interpretation des § 64 Abs. 5 KFG 1967, daß vor dem Erwerb einer Lenkerberechtigung die Jahresfrist nach dieser Gesetzesstelle gar nicht zu laufen beginnen könne; andernfalls würde diese Frist "völlig in der Luft hängen".

Grundlage für die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. September 1990 war § 64 Abs. 6 KFG 1967. Danach ist Besitzern einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung auf Antrag insoweit ohne Ermittlungsverfahren eine Lenkerberechtigung mit dem gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, als auf Grund der Vorschriften des Staates, in dem die ausländische Lenkerberechtigung erteilt wurde, bei der Erteilung einer Lenkerberechtigung auf Grund einer österreichischen Lenkerberechtigung von der Feststellung der im Abs. 2 angeführten Voraussetzungen abzusehen ist. Diesem Antrag darf unter anderem nur dann stattgegeben werden, wenn der Antragsteller seit länger als sechs Monaten seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hat und glaubhaft macht, daß er auf Grund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung seit mindestens einem Jahr Kraftfahrzeuge der Gruppe gelenkt hat, für die die Lenkerberechtigung erteilt wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung erkennt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Mai 1991, Zl. 90/11/0162, mit weiteren Judikaturhinweisen), ist bei der Beurteilung der Frage einer ausreichenden Lenkpraxis auf Grund der ausländischen Lenkerberechtigung davon auszugehen, daß das glaubhaft zu machende Lenken im Zeitraum eines Jahres rückgerechnet vom Zeitpunkt der Antragstellung liegen muß und weiter zurückliegende Lenkzeiten nicht zu berücksichtigen sind. Weiters muß das glaubhaft gemachte Lenken innerhalb der in Rede stehenden Jahresfrist berechtigterweise erfolgt sein und ist ein bloß gelegentliches Lenken nicht als ausreichend anzusehen.

In der strittigen Frage der Anrechenbarkeit der inländischen Lenkpraxis der Beschwerdeführerin auf Grund ihrer polnischen Lenkerberechtigung ist im Hinblick auf Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde festzuhalten, daß das KFG 1967 keine Bestimmung enthält, die den Erwerb einer ausländischen Lenkerberechtigung durch österreichische Staatsbürger oder durch ausländische Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz in Österreich oder die Anrechenbarkeit einer darauf beruhenden Lenkpraxis im Bundesgebiet von vornherein ausschlösse. Anrechenbar ist eine solche Lenkpraxis aber nur, wenn sie - etwa auf Grund des § 64 Abs. 5 KFG 1967 - zulässig war. Nach dieser Bestimmung ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Grund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung durch Personen mit dem ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet zulässig, wenn seit der Begründung des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist; § 79 Abs. 3 bleibt unberührt. § 64 Abs. 5 KFG 1967 knüpft den Beginn der Jahresfrist einzig und allein an die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet. Daher ist auch beim Erwerb einer ausländischen Lenkerberechtigung nach der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich gemäß § 64 Abs. 5 KFG 1967 ein Lenken von Kraftfahrzeugen in Österreich auf Grund der ausländischen Lenkerberechtigung nur im Zeitraum eines Jahres, gerechnet ab der Begründung des Wohnsitzes, zulässig. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, es sei bei späterem Erwerb einer Lenkerberechtigung im Ausland dieser Zeitpunkt maßgebend, findet im Gesetz keine Stütze. Es kann entgegen ihrer Meinung auch keine Rede davon sein, daß die Jahresfrist nach § 64 Abs. 5 KFG 1967 andernfalls "völlig in der Luft hängen würde". Wird eine ausländische Lenkerberechtigung erst nach Ablauf eines Jahres ab der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet erworben, so kommt ein nach § 64 Abs. 5 KFG 1967 zulässiges Lenken von Kraftfahrzeugen in Österreich auf Grund der ausländischen Lenkerberechtigung nicht (mehr) in Betracht. In diesem Fall ist eine allfällige Lenkpraxis in Österreich unzulässig und daher bei der Ermittlung der Mindestlenkpraxis im Sinne des § 64 Abs. 6 zweiter Satz KFG 1967 nicht zu berücksichtigen. Dies ist bei der Beschwerdeführerin, die erst rund zwei Jahre nach der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet eine polnische Lenkerberechtigung erlangt hat, der Fall.

Im gegebenen Zusammenhang kann dahinstehen, ob im Hinblick auf ihre Behauptung im Verwaltungsverfahren, sie habe auch in Polen einen ordentlichen Wohnsitz (Niederschrift der Erstbehörde vom 21. Dezember 1990 und "Berufungsbeschwerde" vom 31. Jänner 1991), auf die Beschwerdeführerin der § 79 Abs. 3 KFG 1967 anwendbar ist. Denn ein danach zulässiges und damit anrechenbares Lenken hätte das Vorliegen einer Bestätigung nach dieser Gesetzesstelle voraussgesetzt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1991, Zl. 90/11/0133). Weder das Beschwerdevorbringen noch die Aktenlage bietet einen Anhaltspunkt dafür, daß die Beschwerdeführerin eine solche - antragsbedürftige - Bestätigung auch nur beantragt hätte, geschweige denn, daß sie ihr tatsächlich ausgestellt worden wäre.

Eine ausreichende Lenkpraxis im Ausland in dem maßgebenden Zeitraum eines Jahres vor der Antragstellung hat die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage nicht behauptet bzw. glaubhaft gemacht. Im Verwaltungsverfahren findet sich als einziger Hinweis auf eine solche Lenkpraxis die Äußerung der (nach der Aktenlage in Österreich als Krankenschwester beschäftigten) Beschwerdeführerin gegenüber der Erstbehörde, sie habe auch bei ihren Eltern in Polen einen ordentlichen Wohnsitz und kehre drei- bis viermal im Jahr dorthin zurück (Niederschrift vom 21. Dezember 1990). Dabei handelt es sich jedoch um ein bloß gelegentliches Lenken, welches nicht als ausreichende Lenkpraxis angesehen werden kann. Was das gerügte Fehlen einer Feststellung über das Ausmaß der Lenkpraxis der Beschwerdeführerin in Polen anlangt, hat die Beschwerde mangels eines konkreten Vorbringens dazu nicht dargetan, daß es sich hiebei um einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG handelt.

Die Beschwerdeführerin wurde somit durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 eine österreichische Lenkerberechtigung zu erlangen, nicht verletzt.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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