VwGH 91/10/0102

VwGH91/10/010230.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der T in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in J, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Februar 1991, Zl. 8-31 Ha 19/4-91, betreffend einen Auftrag zur Vorauszahlung der Vollstreckungskosten, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs3;
VVG §1 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §42 Abs1;
AVG §42 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs3;
VVG §1 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land und Forstwirtschaft) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. September 1989 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Judenburg (im folgenden: Bezirkshauptmannschaft) der Beschwerdeführerin bezüglich des auf den Grundstücken Nr. nn1 und nn2 der KG S und auf dem Grundstück Nr. nn3 der KG O errichteten Forstweges folgende forstpolizeiliche Aufträge:

1. Die Trassenentwässerung hat so zu erfolgen, daß durch die Konzentration von Oberflächenwässern keine Schäden verursacht werden, und es sind bis spätestens 15. Oktober 1989 im Abstand von 15 m Erdabkehren anzulegen. Das Baumaterial an der talseitigen Böschungskante muß ebenfalls bis 15. Oktober 1989 entfernt werden, um dem Hohlwegcharakter entgegenzuwirken und ein breitflächiges Abfließen des Niederschlagwassers zu ermöglichen.

2. Die gesamte Wegtrasse ist mit Böschungsmischung einzusäen und nachhaltig zu begrünen.

3. Der Streifweg ist bis spätestens 30. Juni 1990 mit der Pionierbaumart Lärche wieder aufzuforsten und in weiterer Folge der Waldboden in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.

Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 15. November 1989 berichtete die Forstaufsichtsstation Niedere Tauern der Bezirkshauptmannschaft, bei einer Begehung am 14. November 1989 sei festgestellt worden, daß die forstpolizeilichen Aufträge großteils nicht erfüllt worden seien. Daraufhin drohte die Bezirkshauptmannschaft am 28. November 1989 der Beschwerdeführerin die Ersatzvornahme an, wobei als nicht erfüllte Auflagen lediglich die Punkte 1 und 2 des Bescheides vom 19. September 1989 angeführt wurden. Für die Erbringung dieser Leistung - abgesehen von der Begrünung - wurde eine Frist von zwei Wochen gesetzt.

Auf Grund einer Mitteilung der Bezirksforstinspektion vom 24. Jänner 1990, daß gegenüber dem Kontrollbericht vom 15. November 1989 keine Änderungen eingetreten seien, holte die Bezirkshauptmannschaft Kostenvoranschläge für die ausstehenden Sanierungsarbeiten ein und verpflichtete die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 6. April 1990 zur Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme in Höhe von S 70.000,--.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie insbesondere geltend machte, sie habe die im Bescheid vom 19. September 1989 vorgeschriebenen Auflagen erfüllt. Die Bezirkshauptmannschaft übermittelte der belangten Behörde im Nachhang zur Berufungsvorlage einen Bericht der Bezirksforstinspektion, vom 6. Juni 1990 in dem folgendes festgestellt wird:

"1. Erdabkehren wurden in einem Abstand von 20 m angelegt. Dieser Abstand kann trotz der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 19.9.1989 vorgeschriebenen 15 m als ausreichend angesehen werden.

2. Das Baumaterial an der talseitigen Böschungskante wurde nicht in die Fahrbahn eingebracht, sondern talseits abgeschoben und damit der Weg auf ca. 3,5 m verbreitert.

3. Die Begrünung des Weges wurde bis dato nicht durchgeführt.

4. Eine Aufforstung wurde mit Fichte und Lärche zwar durchgeführt, jedoch ist der Pflanzverband von 2 m x 3,5 m völlig unzureichend. Es wurden lediglich an der tal- und bergseitigen Böschungskante Pflanzen versetzt, sodaß der Streifweg selbst praktisch freibleibt.

Um möglichst rasch einen Erosionsschutz zu erreichen, ist die Aufforstung in einem Pflanzverband von max. 1,5 m x 1,5 m durchzuführen."

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der Fachabteilung für das Forstwesen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung ein. Diese führt - nach Wiedergabe der Berufungsausführungen der Beschwerdeführers - aus:

"Aus diesen Äußerungen kann die Behauptung entnommen werden, daß die Auflagen im obzitierten Bescheid wie Trassenentwässerung, Begrünung und Wiederbewaldung durch die Pionierholzart Lärche bereits erfolgt sei. Tatsache ist jedoch, daß die wenigen Erdabkehren völlig unzureichend sind, um das Abschwemmen des losen Mineralbodens verhindern zu können. Das vorwiegend humose Erdmaterial an der talseitigen Böschungskante liegt nach wie vor an dieser Stelle. Soferne an einigen Stellen im Mittelteil des bloßgelegten und schutzbedürftigen Streifens eingesät worden sein sollte, so sind zum größten Teil die ankeimenden Gräser wiederum ausgeschwemmt worden. Die "Wiederbewaldung" - vorwiegend mit Fichte - erfolgte dergestalt, daß entlang des linken und rechten Randes des rund drei Meter breiten ausgeschobenen Streifens Pflanzen versetzt worden sind. Gerade die letztgenannte Maßnahme läßt den berechtigten Schluß zu, daß die aufgerissene Fläche als "Schleifweg" weiterhin erhalten werden soll. Das Versetzen von Forstpflanzen mit einem Abstand von drei Metern kann keine Vorbeugung gegen die Erosionsgefahr des lose aufliegenden Erdmateriales bei einer Neigung von über 40 % (Steilheit eines normalen Hausdaches) darstellen.

Aus vorgenannten Gründen ist festzustellen, daß in keiner Weise den bescheidmäßigen Aufträgen nachgekommen wurde. Bis jetzt hat es seit den unbefugten Arbeiten in diesem Gebiete noch keine schweren Wolkenbrüche gegeben und es bestehen auch noch keine tiefen Erosionsrillen. Wenn die vorgeschriebene Rekultivierung nicht ehebaldig erfolgt und auf entsprechende Unwetter gewartet wird, so wird man mit den veranschlagten Kosten zur Ersatzvornahme kaum das Auslangen finden."

Der Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde weder der Bericht der Bezirksforstinspektion vom 6. Juni 1990 noch die Stellungnahme der Fachabteilung für das Forstwesen vom 25. Juli 1990 zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid vom 27. Februar 1991 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab, wobei sie sich insbesondere auf die angeführte Stellungnahme der Fachabteilung für das Forstwesen stützte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nicht zuzustimmen ist der Meinung der Beschwerdeführerin, die forstpolizeilichen Aufträge im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 19. September 1989 seien zu unbestimmt, um Grundlage für ein Vollstreckungsverfahren bilden zu können. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, im Punkt 1 der Auflagen sei nur der allgemeine Auftrag erteilt worden, die Trassenentwässerung so vorzunehmen, daß durch die Konzentration von Oberflächenwässern keine Schäden verursacht werden, ist unzutreffend. Dieser Teil des Punktes 1 findet sich nicht als isolierte Vorschreibung, sondern steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Anordnung, daß im Abstand von 15 m Erdabkehren anzulegen sind und daß das Baumaterial an der talseitigen Böschungskante entfernt werden muß, um dem Hohlwegcharakter entgegenzuwirken und ein breitflächiges Abfließen des Niederschlagswassers zu ermöglichen. Diese Anordnungen konkretisieren die allgemeine Vorschreibung, daß die Trassenentwässerung so zu erfolgen hat, daß durch die Konzentration von Oberflächenwässern keine Schäden verursacht werden. Im übrigen räumt die Beschwerdeführerin selbst ein, daß Art und und Umfang der Leistungen von einem Fachkundigen festgestellt werden können; das aber reicht für die Vollstreckungstauglichkeit eines Titelbescheides (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1987, Zl. 86/05/0136 u.a.). Soweit sich die Beschwerdeausführungen auf Punkt 3 des forstpolizeilichen Auftrages vom 19. September 1989 beziehen, gehen sie ins Leere, weil dieser Punkt nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

Hingegen kommt der Beschwerde insoweit Berechtigung zu, als sie eine Verletzung von Verfahrensvorschriften infolge Nichtgewährung des Parteiengehöres geltend macht.

Nach § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Nach § 4 Abs. 2 leg. cit. kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Falle dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag auf Vorauszahlung ist vollstreckbar.

Die Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages setzt lediglich das Vorliegen einer Androhung der Ersatzvornahme, nicht aber deren Anordnung voraus. Kostenvorauszahlungsaufträge sind keine Vollstreckungsverfügungen im Sinne des § 10 VVG (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Zl. 84/05/0035). Für sie gilt daher weder die Beschränkung auf die Berufungsgründe des § 10 Abs. 2 VVG noch die Einschränkung der Anwendbarkeit des AVG auf die Vorschriften des I. und IV. Teiles (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/09/0077).

Die Beschwerdeführerin hat bereits in ihrer Berufung vorgebracht, sie habe die ihr aufgetragenen Leistungen erfüllt. Die belangte Behörde hat sich bei der Auseinandersetzung mit diesem Einwand in der Begründung ihres Bescheides auf die Erhebungen der Fachabteilung für das Forstwesen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung gestützt, ohne deren Ergebnis vor Bescheiderlassung der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen, wozu die belangte Behörde umso mehr Veranlassung gehabt hätte, als der Bericht der Bezirksforstinspektion zumindest teilweise die Behauptungen der Beschwerdeführerin zu bestätigen scheint, was aber, wenn das zutreffen sollte, unter Umständen zumindest zu einer Minderung der Höhe der Kostenvorauszahlung hätte führen können. Dadurch wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, zu den Erhebungen Stellung zu nehmen und ihnen allenfalls auf der Ebene eines Gutachtens entgegenzutreten.

Die belangte Behörde beruft sich in ihrer Gegenschrift darauf, daß der Beschwerdeführerin anläßlich der örtlichen Erhebung durch den forsttechnischen Amtssachverständigen am 12. Juli 1990 Gelegenheit zur Teilnahme an den Ermittlungen und damit auch zur Äußerung gegeben worden sei, doch habe die Beschwerdeführerin dies abgelehnt. Außerdem habe das von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsgerichtshofverfahren vorgelegte Gutachten selbst ergeben, daß den einzelnen Punkten des forstpolizeilichen Auftrages nicht entsprochen worden sei.

Ein bloßes Angebot eines Amtssachverständigen an die Partei, an einer Begehung teilzunehmen, ersetzt nicht das in förmlicher Weise zu gewährende Parteiengehör (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Februar 1958, Slg. NF 4557/A, vom 7. September 1979, Zl. 1085/78, und vom 2. Mai 1980, Zl. 1118/79 u.a.). Insbesondere hat sich die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie der Einladung des forsttechnischen Amtssachverständigen, an der Erhebung teilzunehmen, nicht Folge leistete, nicht ihres Rechtes auf Parteiengehör begeben. Die Nichtteilnahme einer Partei an einer von der Behörde durchgeführten Sachverhaltserhebung führt nur dann zum Verlust des erfolgreichen Einwandes des mangelnden Parteiengehörs, wenn diese Sachverhaltserhebung im Zuge einer gemäß § 42 AVG anberaumten mündlichen Verhandlung stattfindet.

Die belangte Behörde schließt aus dem von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsgerichtshofverfahren zur Untermauerung der Relevanz der von ihr der belangten Behörde zur Last gelegten Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgelegten Gutachten, dieses bestätige, daß die Beschwerdeführerin den Vorschreibungen des forstpolizeilichen Auftrages nicht nachgekommen sei. Eine solche Aussage ist dem Gutachten nicht zu entnehmen. Zwar wird in der Zusammenfassung eingeräumt, daß die von der Beschwerdeführerin gesetzten Maßnahmen nicht ganz exakt den Punkten des forstpolizeilichen Auftrages entsprechen; sie seien jedoch so ausgeführt, daß Erosionen hintangehalten würden. Vor allem aber zeigt die Aufzählung der von der Beschwerdeführerin laut Gutachten durchgeführten Maßnahmen die Auffassung des Gutachters, daß der Punkt 2 vollständig und Punkt 1 im wesentlichen erfüllt worden sei. Aus dem Gutachten kann daher nicht abgeleitet werden, daß die belangte Behörde auch bei Gewährung des Parteiengehörs zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können, zumindest was die Höhe der Vorauszahlung betrifft.

Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde, wenn sie der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Erhebungen der Fachabteilung für das Forstwesen vom 25. Juli 1990 gegeben hätte, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Dies mußte gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu seiner Aufhebung führen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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