VwGH 91/09/0238

VwGH91/09/023821.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 25. Oktober 1991, Zl. Präs 144-55/91/Wa/N, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
HKG 1946 §57b Abs1;
HKG 1946 §57b Abs2;
HKG 1946 §57b Abs4;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat am Standort Mistelbach eine weitere Betriebsstätte (Be- und Verarbeitung von Fleisch und Fleischwaren in industriemäßiger Form, eingeschränkt auf eine Verkaufsstelle) errichtet, wofür ihr eine Einverleibungsgebühr (EVG, gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991, nunmehr: Eintragungsgebühr) in der Höhe von S 3.000,-- vorgeschrieben wurde. Mit Schreiben vom 12. Juli 1990 ersuchte die Beschwerdeführerin um bescheidmäßige Vorschreibung.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 1990 der Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie NÖ wurde gemäß § 57b und § 57g HKG festgestellt, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, eine EVG von S 3.000,-- zu entrichten, die binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig sei.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Präsidenten der Handelskammer NÖ vom 16. April 1991 abgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt, die in erster Instanz eingeschrittene Fachgruppe sei ordnungsgemäß errichtet worden. Die EVG für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie seien mit S 1.000,-- für Einzelfirmen, S 2.000,-- für Personengesellschaften und S 3.000,-- für Kapitalgesellschaften gegliedert, was durchaus wirtschaftlich angemessen sei und keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Erwerbsfreiheit darstelle.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin neuerlich, daß die nach dem HKG und der dazu erlassenen Fachgruppenordnung errichteten Fachgremien, so auch die Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie der Handelskammer NÖ, Rechtspersönlichkeit besäßen. Außerdem sei § 57b Abs. 2 HKG verfassungswidrig.

Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Oktober 1991 die Berufung abgewiesen und den Bescheid der Kammer NÖ vom 16. April 1991 bestätigt. Begründend verwies die belangte Behörde darauf, daß sich die von der Beschwerdeführerin zur Rechtspersönlichkeit der Fachorganisationen der Kammer NÖ (insbesondere der Fachgruppe NÖ der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, die zur Beschlußfassung über die EVG gesetzlich verpflichtet sei) vorgebrachten Einwände letztlich gegen die von diesen Organisationen gefaßten, als Verordnungen zu qualifizierenden EVG-Beschlüsse richteten. Der belangten Behörde sei es aber verwehrt, über die Gesetzmäßigkeit solcher Verordnungen zu befinden. Sie sei vielmehr verhalten, diese anzuwenden und ihren Berufungsbescheiden zugrunde zu legen. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 57b Abs. 2 HKG verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der vorgeschriebenen EVG von S 3.000,-- zu verweigern.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Gesellschaften m.b.H. das Dreifache des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).

Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.

Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.

Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.

Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.

Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.

Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer gemäß § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.

Ähnliche Überlegungen sind hinsichtlich der Erlassung der unterinstanzlichen Bescheide anzustellen, weil eine von der belangten Behörde nicht aufgegriffene Unzuständigkeit der eingeschrittenen Behörden den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten würde (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 571 angeführte Judikatur). Im Beschwerdefall stammt der zweitinstanzliche Bescheid gemäß § 57g Abs. 1 HKG von der NÖ Landeskammer. Er ist ähnlich wie der angefochtene Bescheid nach seinem Inhalt und gemäß der Fertigungsklausel deren Präsidenten zuzurechnen, dessen Zuständigkeit zur Bescheiderlassung ebenfalls durch einen aktenkundigen, in den §§ 53a und 7 lit. a HKG gedeckten Delegierungsbeschluß des Vorstandes vom 7. November 1990 gegeben war.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Bescheides ist eine Delegation nicht aktenkundig, doch konnte der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich aus den nachstehenden Erwägungen von weiteren Erhebungen absehen und sich hiezu auf den abschließenden Hinweis beschränken.

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren besonderes Gewicht auf das Vorbringen gelegt, wonach das als Verordnungsgeber für den generellen EVG-Beschluß aufgetretene Fachgremium nicht gesetzmäßig errichtet worden sei, weshalb ihm die Rechtspersönlichkeit und damit die Fähigkeit gefehlt habe, rechtswirksam einen solchen EVG-Beschluß zu fassen. Dieses Vorbringen wird in der Beschwerde - offenbar unter dem Eindruck des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 1991, V 204,205/91-6, sowie der Bestimmungen der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991 - nur zum Teil aufrechterhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof ist indes der Beantwortung dieser Frage im vorliegenden Beschwerdefall deshalb enthoben, weil - wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde ferner aufzeigt - die eingeschrittenen Behörden es unterlassen haben, klarzustellen, welches Gremium überhaupt einen der konkreten EVG-Vorschreibung zugrunde liegenden generellen EVG-Beschluß gefaßt hat, wann dieser Beschluß zustandegekommen und ob, wann und wo diese Verordnung kundgemacht worden ist. Es ist daher völlig offen geblieben, wer gegebenenfalls überhaupt als Verordnungsgeber aufgetreten ist. Der bloße Hinweis, daß dafür die Fachgruppe der Nahrungs- und Genußmittelindustrie NÖ zuständig gewesen wäre, vermag nicht darüber hinwegzuhelfen, daß die Tatsache und die näheren Umstände der Erlassung der erforderlichen Verordnung weder den in dieser Sache ergangenen Bescheiden noch den vorgelegten Akten entnommen werden können.

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG hat der Spruch eines Bescheides die

in Verhandlung stehende Angelegenheit ... unter Anführung der

angewendeten Gesetzesbestimmungen ... zu erledigen. Gegen diese Verfahrensvorschrift hat die belangte Behörde verstoßen, indem sie die unterinstanzlichen Bescheide bestätigte, denen die angewendeten Bestimmungen nicht unmißverständlich zu entnehmen sind. Nun steht zwar die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG hinsichtlich der dort geforderten Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht schlechthin unter der Sanktion der Rechtswidrigkeit, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, daß auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die angewendeten Vorschriften (Gesetze oder auf solche gestützte Rechtsverordnungen) nicht beseitigt (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0008, und vom 10. Jänner 1967, Zl. 739/66 = Slg. 7051/A, u.a.). Läßt aber ein Bescheid eine taugliche Rechtsgrundlage nicht erkennen und ist diese auch weder aus dem vorangegangenen unterinstanzlichen Bescheid noch aus der Aktenlage zu erschließen, dann ist dieser Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift relevant, weil er den Beschwerdeführer an der zweckmäßigen Verfolgung seiner Rechte und den Verwaltungsgerichtshof an der Wahrnehmung seiner verfassungsgemäßen Kontrollbefugnis hindert (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1964, Zl. 1287/63 = Slg. 6407/A). Da die konkrete EVG-Vorschreibung im Beschwerdefall gesetzwidrig wäre, wenn sie nicht auf einer ordnungsgemäß zustande gekommenen und kundgemachten Verordnung des zuständigen Gremiums beruhte, ist somit das Verfahren durch Klarstellung der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ergänzungsbedürftig.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weil die belangte Behörde bei Einhaltung der außer acht gelassenen Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich im vorliegenden Beschwerdefall darüber hinaus zu dem Hinweis veranlaßt, daß aus den derzeit vorliegenden Akten nicht entnommen werden kann, welches Organ der Fachgruppe den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat und ob dieses Organ gegebenenfalls zur Bescheiderlassung gemäß § 53a HKG delegiert worden ist.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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