VwGH 91/09/0124

VwGH91/09/012430.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und

Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers ,

über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Oberösterreich gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. Mai 1991, Zl. SV-229/4-1991, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Ing. K in U, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;
AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
VStG §19 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;
AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
VStG §19 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird gemäß § 47 Abs. 4 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei mit Straferkenntnis vom 23. Oktober 1990 schuldig erkannt, sie sei als handelsrechtliches Organ der Ing. K Gesellschaft m.b.H. iSd § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich dafür verantwortlich, daß die genannte juristische Person mit Sitz in U, als Arbeitgeber auf der Baustelle der Firma R in S am 26. Juni 1989 um 15.00 Uhr zwei namentlich genannte polnische Staatsbürger, für die weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei, zum Zwecke der Reinigung eines Tanks beschäftigt hätte. Die mitbeteiligte Partei hätte hiedurch § 9 Abs. 1 VStG iVm § 3 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (BGBl. Nr. 218/1975 idF des BGBl. Nr. 231/1988, AuslBG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung war über die mitbeteiligte Partei eine Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe zwanzig Tage) verhängt worden.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich als Strafbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 1991 der Berufung der mitbeteiligten Partei, in der sie die Annahme einer Beschäftigung der beiden Ausländer als unrichtig qualifizierte, weil diesen nur aufgetragen worden sei, ein Meßgerät nach S zu bringen und die Strafbemessung bekämpfte, insoweit Folge, als die Geldstrafe unter Berufung auf § 20 VStG auf 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe auf zehn Tage) herabgesetzt wurde. Zur Begründung der für die vorliegende Beschwerde allein maßgeblichen Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 20 VStG komme es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an. Die beiden Ausländer hätten Arbeit gesucht. Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligte Partei sei von diesen zur nichtbewilligten Beschäftigung verleitet worden. Für Tankreinigungsarbeiten seien in der Regel kaum inländische Arbeitskräfte zu finden. Die mitbeteiligte Partei hätte vor allem wegen der kurzen Dauer der Reinigungsarbeit nicht ohne weiteres eine Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes erkennen können. Ihr Verschulden sei als geringfügig anzusehen. Durch die Übertretung sei kein Schaden herbeigeführt worden. Die Folgen der Übertretung seien unbedeutend. Die Übertretung sei vor beinahe zwei Jahren begangen worden. Daraus sei ersichtlich, daß im Beschwerdefall die Milderungsgründe beträchtlich überwögen. Die Voraussetzungen für ein Unterschreiten der Mindeststrafe seien daher gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 28a AuslBG gestützte Beschwerde des Landesarbeitsamtes Oberösterreich (beschwerdeführende Partei) an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben zur Beschwerde Gegenschriften mit dem Antrag erstattet, dieselbe kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wendet sich die beschwerdeführende Partei gegen die ihrer Meinung nach bei der Strafbemessung zu Unrecht erfolgte Anwendung der außerordentlichen Milderung der Strafe nach § 20 VStG.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit trägt die beschwerdeführende Partei vor, die Feststellungen der belangten Behörde, daß die beiden Ausländer Arbeit gesucht hätten und die mitbeteiligte Partei wegen der kurzen Dauer der Reinigungsarbeiten nicht ohne weiteres eine Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis iSd Ausländerbeschäftigungsgesetzes hätte erkennen können, stellten keine Milderungsgründe dar. Auf Grund einer einschlägigen Vorstrafe aus dem Jahre 1988 sei der mitbeteiligten Partei durchaus bewußt gewesen, daß sie Ausländer unter keinen Umständen ohne Beschäftigungsbewilligung, Befreiungsschein oder Arbeitserlaubnis beschäftigen dürfe. Das Verhalten der mitbeteiligten Partei sei daher als vorsätzlich zu qualifizieren und die Ableitung eines Milderungsgrundes aus diesem Verhalten sei ebenso wie die Annahme eines geringen Verschuldens rechtlich nicht vorstellbar. Was die nicht weiters ausgeführte Feststellung, die Folgen der Übertretung seien unbedeutend gewesen, betreffe, so sei dazu auszuführen, daß die illegale Beschäftigung von Ausländern der gesamten Gesellschaft tiefgreifende Schäden zufüge.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, sofern die Tat nicht dem Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde...., bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 5.000 S bis zu 60.000 S, im Wiederholungsfalle von 10.000 S bis 120.000 S.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, so kann im Grunde des § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.

Die Aufzählung der Erschwerungs- und Milderungsgründe in den §§ 33 und 34 StGB ist naturgemäß nur demonstrativ. Sie verweist die Rechtsprechung auf Umstände, die verhältnismäßig häufig vorliegen, und legt ihre Bedeutung für die Strafbemessung fest. Ist einer der im Gesetz angeführten Erschwerungs- oder Milderungsumstände gegeben, so muß er berücksichtigt werden. Über die Wertbedeutung anderer Umstände ist selbständig zu urteilen. Dabei weisen die aufgezählten Zumessungsgründe die Richtung. Schließlich bestimmt die Formulierung der genannten Gründe die näheren Voraussetzungen, unter denen sie in Betracht kommen (vgl. EBzRV 30 dB, XIII GP, Seite 121).

Durch § 20 VStG wird der Strafsatz (§ 10 leg. cit. 9 insofern geändert, als für die darin angeführten Fälle die Mindeststrafe die Hälfte der für die jeweilige Übertretung vorgesehenen Mindeststrafe beträgt. Diese Bestimmung räumt der Behörde ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" kein Ermessen ein. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, dann hat der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes. Die Behörde hat in diesem Falle der Strafbemessung einen Strafrahmen zu Grunde zu legen, dessen Untergrenze die Hälfte der (gesetzlichen) Mindeststrafe beträgt und ausgehend davon die Strafe innerhalb des solcherart (nach unten) geänderten Strafrahmens festzusetzen. Die Strafzumessung innerhalb dieses sich aus der Anwendung des § 20 VStG ergebenden Strafrahmens ist - wie in den Fällen, in denen das außerordentliche Milderungsrecht nicht zur Anwendung gelangt - in das Ermessen der Behörde gestellt, das sie nach den Kriterien des § 19 VStG auszuüben hat.

Die beschwerdeführende Partei verkennt das Wesen der verschiedenen bei der Bemessung einer Geldstrafe zu berücksichtigenden Erwägungen. Die Behörde hat einerseits die Milderungs- und Erschwerungsgründe zu beurteilen. Wie sich aus der Verweisung auf die §§ 32 bis 35 StGB im § 19 Abs. 2 VStG ergibt, geht es dabei darum, eine schuld- und tatangemesse Strafe zu verhängen. In diesem Zusammenhang ist primär auf das Verhalten des Beschuldigten vor, bei und nach der Tat, das Ausmaß des Verschuldens, die Verwerflichkeit u.a. abzustellen.

Zu Recht weist die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift darauf hin, daß der Hinweis der beschwerdeführenden Partei auf die einschlägige Vorstrafe aus dem Jahre 1981 deshalb rechtlich verfehlt ist, weil auch im Bereich des VStG das sogenannte "Doppelverwertungsverbot" gilt, welches besagt, daß Merkmale, die die Strafdrohung bestimmen bzw. Tatbestandsmerkmale sind, nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden dürfen (vgl. hiezu Leukauf-Steininger3, § 32 StGB RN 13).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde im Beschwerdefall die Beantwortung der gemäß dem § 19 Abs. 1 VStG rechtserheblichen Frage nach der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, zu Recht dahin beantwortet, daß das geschützte Rechtsgut - nämlich die Hintanhaltung der Gefährdung des österreichischen Arbeitsmarktes durch illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften - nur GERINGFÜGIG durch die inkriminierte Tätigkeit der beiden polnischen Staatsangehörigen (einmalige Reinigung eines Treibstofftanks) verletzt wurde. Sie hat neben dem objektiven Kriterium des Unrechtsgehaltes der Tat auch die subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat (§ 19 Abs. 2 VStG iVm § 32 StGB) - unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafe aus dem Jahre 1988 - erörtert.

In Ansehung des relativ geringen Unrechtsgehaltes der Tat und mit Rücksicht auf die einmalige "Gelegenheitsarbeit" der beiden polnischen Staatsangehörigen vermochte der Verwaltungsgerichtshof die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes nach § 20 VStG deshalb nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil den Milderungsgründen nicht gleichwertige Erschwerungsgründe im Beschwerdefall heranzuziehenden (pro beschäftigten Ausländer) gegenüber stehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

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