Normen
ASVG §113 Abs1 idF 1986/111;
ASVG §113 idF 1986/111;
ASVG §59 idF 1986/111;
ASVG §113 Abs1 idF 1986/111;
ASVG §113 idF 1986/111;
ASVG §59 idF 1986/111;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Dezember 1990 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der Beschwerdeführerin auf Grund von Meldepflichtverletzungen und der sich daraus ergebenden Beitragsnachverrechnung einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG in der Höhe von S 108.000,-- vor.
Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch, wobei sie im wesentlichen die Richtigkeit der Beitragsnachverrechnung bestritt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der verhängte Beitragszuschlag als rechtens bestätigt. Nach der Begründung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vom 14. bis 19. November 1990 im Betrieb der Beschwerdeführerin eine Beitragsprüfung durchgeführt, die den Beitragszeitraum I/88 bis VIII/90 betroffen habe. Dabei sei festgestellt worden, daß für die überwiegende Mehrheit der Dienstnehmer unrichtige Lohnabrechnungen und Sonderzahlungsberechnungen erstellt worden seien. Ebenso seien Mehrleistungen von Kraftfahrern nicht gemeldet und verrechnet worden. Diese Differenzen hätten zu einer Nachbelastung im Ausmaß von S 540.048,62 geführt. Da die Beschwerdeführerin ihren Verpflichtungen gemäß § 33 Abs. 1 ASVG nicht nachgekommen sei und die vom Dienstgeber geforderte nötige Sorgfalt nicht angewendet habe, sei zusätzlich gemäß § 113 Abs. 1 ASVG wegen Säumnis ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 108.000,-- verhängt worden. Dieser Zuschlag habe nicht nur die Funktion eines Zinsenersatzes für die sonst nach § 59 Abs. 1 ASVG vorzuschreibenden Verzugszinsen, sondern sei auch wegen fehlerhafter und unterlassener Abrechnungsmeldungen verhängt worden. Nachdem im gegenständlichen Fall die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse von der vom Gesetz gebotenen Möglichkeit in nur sehr geringem Ausmaß Gebrauch gemacht habe und der Zuschlag sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gerechtfertigt sei, sei der Einspruch abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können Beitragszuschläge den in § 111 ASVG genannten Personen (Stellen) in den in § 113 Abs. 1 Z. 1 bis 3 näher umschriebenen Fällen vorgeschrieben werden, wobei als Höchstgrenze jeweils das Doppelte der Summe der überhaupt nicht, verspätet oder nicht zur Gänze entrichteten Beiträge normiert ist. Die beiden letzten Sätze dieser Gesetzbestimmung lauten:
"Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung aufgrund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären."
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist der Beitragszuschlag im Sinne des § 113 Abs. 1 ASVG eine (neben der Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe) weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäß Funktionieren der Sozialversicherung. Demgemäß darf er objektiv einerseits nicht das Ausmaß des durch die Säumigkeit des Beitragspflichtigen verursachten Verwaltungsmehraufwandes zuzüglich des Zinsenentganges infolge der verspäteten Beitragsentrichtung, andererseits aber auch nicht das Zweifache der nachzuzahlenden Beträge überschreiten. Der objektiv auf diese Weise nach oben hin zweifach begrenzte Beitragszuschlag kann bei der vorgesehenen Ermessensübung, bei der auch das Verschulden des Meldepflichtigen zu berücksichtigen ist, eine Reduzierung erfahren (vgl. die Erkenntnisse vom 26. März 1987, Zl. 86/08/0223, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0142).
Zu der Frage der Ermittlung des pauschalierten Mehraufwandes der Verwaltung einschließlich des Kapitalaufwandes (bzw. Zinsenentganges) infolge der verspäteten Beitragsentrichtung hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 27. April 1989, Zl. 87/08/0284, 0286, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0142, ausgesprochen, daß es sich dabei nicht schlechthin um jenen Verwaltungsaufwand handle, der zur Feststellung der Meldepflichtverletzung aufgewendet worden sei, sondern vielmehr um den dadurch verursachten (zusätzlichen) Aufwand, der nicht aufgelaufen wäre, wenn keine Meldeverstöße festgestellt worden wären, d.i. beispielsweise etwa der Verwaltungsaufwand, der dem Versicherungsträger durch die neue Feststellung und Vorschreibung von Beiträgen sowie für die Berechnung der Verzugszinsen erwachsen sei.
Als Untergrenze des Beitragszuschlages darf die Höhe der Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG nicht unterschritten werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. März 1992, Zl. 89/08/0360).
Bei der Ermessensübung innerhalb der solcherart gegebenen Unter- bzw. Obergrenzen des Beitragszuschlages kommt der Art des Meldeverstoßes, dem Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners Bedeutung zu (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 87/08/0140 das bereits erwähnte Erkenntnis vom 19. Februar 1991).
Die Behörde hat die nach der Rechtsprechung zu § 113 ASVG zu ermittelnde untere und obere Grenze ihre Ermessensbefugnis und sodann bei der konkreten Ausmessung des Beitragszuschlages die für die Ermessensausübung innerhalb dieser Grenzen maßgebenden Erwägungen in der Begründung ihres Bescheides anzuführen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0103).
Um beurteilen zu können, ob die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Festsetzung des Beitragszuschlages mit S 108.000,-- diesen Grundsätzen entspricht, genügt aber die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides nicht, zumal sich die belangte Behörde primär mit der Bestreitung der Meldepflichtverletzung hätte befassen müssen.
Hindert eine Begründungslücke die Nachprüfung des Bescheides auf die inhaltliche Gesetzmäßigkeit, dann hat die Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderem Bescheid hätte kommen können (vgl. etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 600 ff, wiedergegebene Rechtsprechung).
Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) konnte ein Stempelgebührenersatz nicht zugesprochen werden.
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