Normen
ASVG §101;
ASVG §354 Z1;
ASVG §354;
ASVG §355;
ASVG §412;
ASVG §101;
ASVG §354 Z1;
ASVG §354;
ASVG §355;
ASVG §412;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangte Behörde aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht im Bezug einer Berufsunfähigkeitspension. Mit Verständigung vom 22. Jänner 1988 wurde sie dahingehend informiert, daß die Zahlung eines Kinderzuschusses für ihren Sohn H wegen Vollendung seines 18. Lebensjahres mit Februar 1988 eingestellt werde. Am 29. Februar 1988 beantragte die Beschwerdeführerin die Weitergewährung des Kinderzuschusses über das vollendete
18. Lebensjahr des Sohnes Heribert hinaus, da ihr Sohn aufgrund körperlicher und geistiger Gebrechen "nicht arbeitsfähig" sei und in ärztlicher Behandlung stehe. Die daraufhin von der Mitbeteiligten veranlaßte Begutachtung des Sohnes der Beschwerdeführerin ergab jedoch, daß dieser nicht als erwerbsunfähig anzusehen sei, er damit die Kindeseigenschaft im Sinne des § 262 Abs. 1 in Verbindung mit § 252 Abs. 2 Z. 2 ASVG nicht erfülle. Mit Bescheid vom 13. Juli 1988 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 29. Februar 1988 unter Zugrundelegung dieser ärztlichen Stellungnahme abgelehnt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Am 30. August 1990 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, "in Anwendung des § 101 ASVG den gesetzlichen Zustand herzustellen und Frau M den Kinderzuschuß für ihren Sohn Heribert zu gewähren". Als Begründung wurde ausgeführt, die Steiermärkische Gebietskrankenkasse und das zuständige Finanzamt Graz-Stadt seien zum Ergebnis gekommen, daß der Sohn der Beschwerdeführerin auch nach Vollendung seines 18. Lebensjahres nicht in der Lage gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, er daher in den Kreis der anspruchsberechtigten Angehörigen im Sinne des § 123 ASVG einzubeziehen sei. Er sei als Angehöriger in der Krankenversicherung der Beschwerdeführerin mitversichert, für ihn werde vom Finanzamt Graz-Stadt auch nach wie vor Familienbeihilfe ausbezahlt.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 25. Oktober 1990 abgelehnt, weil sie sich bei Erlassung ihres Bescheides vom 13. Juli 1988 in keinem wesentlichen Irrtum über den Sachverhalt befunden habe und ihr auch kein offenkundiges Versehen unterlaufen sei.
Dem dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe zwar in ihrem Einspruch behauptet, daß sich die mitbeteiligte Partei bei Erlassung des ablehnenden Bescheides vom 13. Juli 1988 in einem wesentlichen Irrtum über den Sachverhalt befunden habe, doch habe sie hiefür keinerlei Beweise anbieten können. Die von der Beschwerdeführerin im Einspruch angebotenen Beweismittel, die sich ausschließlich auf das Jahr 1990 und nicht auf den zum Zeitpunkt der Erlassung des vorgenannten Bescheides vom 13. Juli 1988 von der Mitbeteiligten beurteilten Sachverhalt bezögen, seien nicht geeignet, einen wesentlichen Irrtum bei der Erlassung des vorgenannten Bescheides darzutun. Vielmehr habe die Mitbeteiligte vor Erlassung ihres Bescheides vom 13. Juli 1988 ein fachärztliches Gutachten eingeholt und darauf die Entscheidung gestützt, wonach dem Sohn der Beschwerdeführerin trotz der geringfügigen psychischen Störungen Erwerbstätigkeiten zumutbar seien. Der Mitbeteiligten hätten daher zum Zeitpunkt der Erlassung des vorgenannten Bescheides keine anderen Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung gestanden als nunmehr bekannt seien, weshalb bei der seinerzeitigen Bescheiderlassung auch kein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt hätte vorliegen können. Die von der Beschwerdeführerin nunmehr vorgelegten ärztlichen Atteste seien bei Erlassung des Bescheides noch nicht vorgelegen. Neue, bei der Erlassung des Bescheides vom 13. Juli 1988 nicht vorgelegene ärztliche Befunde seien aber nach Ansicht der belangten Behörde nicht geeignet, einen wesentlichen Irrtum im Sinne des § 101 ASVG zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vom 13. Juli 1988 zu untermauern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der § 101 ASVG in der Fassung des Art. I Z. 52 der 9. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 13/1962, lautet:
"Ergibt sich nachträglich, daß eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, so ist mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtumes oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen."
Gemäß § 354 Z. 1 ASVG sind (unter anderem) Leistungssachen jene Angelegenheiten, in denen es sich um die Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung einschließlich einer Feststellung nach § 367 Abs. 1, soweit nicht hiebei die Versicherungszugehörigkeit (§§ 13 bis 15), die Versicherungszuständigkeit (§§ 26 bis 30), die Leistungszugehörigkeit (§ 245) oder die Leistungszuständigkeit (§ 246) in Frage steht, handelt.
Gemäß § 355 ASVG sind alle nicht gemäß § 354 als Leistungssachen geltende Angelegenheiten, für die nach § 352 die Bestimmungen dieses Teiles gelten, Verwaltungssachen.
Die Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG wurde von der Rechtsprechung grundsätzlich als ein Begehren auf "Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung" angesehen und damit den Leistungssachen im Sinne des § 354 ASVG zugeordnet, und zwar unabhängig davon, ob eine stattgebende oder eine den Anspruch auf Richtigstellung verneinende Entscheidung getroffen wurde.
Die vom OGH in seinen Beschlüssen vom 20. Juni 1989, GZ. 10 Ob S 21/88 (=SSV-NF 3/117) und 10 Ob S 235/88, in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, in denen das Vorliegen einer Verwaltungssache und damit die Zuständigkeit des Landeshauptmannes als Einspruchsbehörde bejaht wurde, beziehen sich auf die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit des Richtigstellungsantrages: Wurde die Zulässigkeit des Antrages nach § 101 ASVG verneint und der Antrag damit zurückgewiesen, so wurde eine der eigentlichen Leistungssache vorgelagerte rein verfahrensrechtliche Hauptfrage entschieden, die den Verwaltungssachen im Sinne des § 355 ASVG zuzurechnen ist. Demgegenüber handelt es sich aber bei der - auch im Beschwerdefall vorliegenden - Frage der Begründetheit des Antrages um die Frage des "ob" eines Anspruches und damit um eine Leistungssache im Sinne des § 354 ASVG. Wie der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 89/08/0264, ausführlich darlegte, hält er an seiner Rechtsauffassung fest, daß zwar gegen Bescheide des Versicherungsträgers, mit denen die Unzulässigkeit eines Antrages nach § 101 ASVG ausgesprochen wurde, gemäß § 355 ASVG in Verbindung mit § 412 ASVG der Verwaltungsweg durch Einspruch an den Landeshauptmann eröffnet ist, Bescheide hingegen, mit denen im Sinne der Unbegründetheit des Antrages erkannt wird, zu den Leistungssachen im Sinne des § 354 Z. 1 ASVG gehören, gegen die Klage gemäß § 65 Abs. 1 ASGG zu erheben ist. Im übrigen kann auf die Ausführungen des bereits zitierten hg. Erkenntnisses vom 16. Juni 1992, Zl. 89/08/0264, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden.
Aufgrund dessen ergibt sich aber, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall über eine Leistungssache entschieden hat, zu der sie nicht zuständig war.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne daß auf die Sache selbst einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf das Kostenbegehren der Beschwerdeführerin sowie auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)