Normen
ASVG §67 Abs4;
ASVG §67 Abs5;
ASVG §67 Abs6;
VwRallg;
ASVG §67 Abs4;
ASVG §67 Abs5;
ASVG §67 Abs6;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über das Vermögen des Walter S. wurde am 6. März 1990 das Konkursverfahren eröffnet. Auf Grund des am 23. April 1990 mit dem Masseverwalter abgeschlossenen Kaufvertrages erwarb die Mitbeteiligte, die Ehegattin des Gemeinschuldners, das zur Konkursmasse gehörende Unternehmen.
Mit Bescheid vom 4. Jänner 1991 sprach die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse aus, daß die Mitbeteiligte als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 6 in Verbindung mit § 67 Abs. 4 und § 83 ASVG verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto des Betriebsvorgängers Walter S. rückständigen Sozialversicherungsbeiträge für März 1989 bis Juni 1989, August 1989, Oktober 1989 bis April 1990 samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 11. Dezember 1990) im Betrage von S 353.500,61 zuzüglich Verzugszinsen seit 12. Dezember 1990 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind derzeit 10,5 %, berechnet von S 317.415,69 zu bezahlen.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch vertrat die Mitbeteiligte (zusammengefaßt) die Auffassung, § 67 Abs. 5 ASVG, wonach Abs. 4 nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens gelte, schließe eine Haftung des Betriebsnachfolgers auch dann aus, wenn dieser dem Personenkreis des § 67 Abs. 6 ASVG angehöre.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch statt und stellte fest, daß die Mitbeteiligte nicht verpflichtet sei, die in Haftung gezogenen Beiträge zu bezahlen. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde begründend die Auffassung, der in § 67 Abs. 6 ASVG enthaltene Verweis des Gesetzgebers auf Abs. 4 enthalte indirekt auch einen Verweis auf Abs. 5. Im Falle des Erwerbes eines Betriebes aus einer Konkursmasse käme § 67 Abs. 6 ASVG daher nicht zur Anwendung.
Die gegen diesen Bescheid von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. November 1983, Slg. 11241/A, vertrat der Verwaltungsgerichtshof zu § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung vor der 41. ASVG-Novelle die Auffassung, daß als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (unter dem Gesichtspunkt der Nachfolge unter Lebenden) jene Person zu verstehen ist, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes (von Veräußerungsgeschäften) mit ihm erworben hatte (vgl. z.B. zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1985, Zl. 85/08/0125, und vom 27. September 1988, Zl. 86/08/0074).
Der Gerichtshof vertrat seit dem Erkenntnis vom 22. Dezember 1983, Slg. 11273/A, weiters in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 4 ASVG auf den Erwerb eines Betriebes (Teilbetriebes) aus einer Konkursmasse keine Anwendung findet (vgl. z.B. zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1985, Zl. 85/08/0125, und vom 19. November 1987, Zl. 86/08/0217).
§ 67 Abs. 4 bis 6 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. 1986/111, lautet:
"(4) Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409 a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.
(5) Abs. 4 gilt nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens.
(6) Geht der Betrieb auf
- 1. einen Angehörigen des Betriebsvorgängers gemäß Abs. 7,
- 2. eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person gemäß Abs. 8 oder
3. eine Person mit wesentlichem Einfluß auf die Geschäftsführung des Betriebsvorgängers (z.B. Geschäftsführer, leitender Angestellter, Prokurist),
über, so haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft wie ein Erwerber gemäß Abs. 4, solange er nicht nachweist, daß er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnte."
Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (774 Blg. NR. XVI. GP. 27 f) sollte mit der Neufassung durch die 41. ASVG-Novelle unter anderem der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen werden, wonach unter dem Betriebsnachfolger jene Person zu verstehen sei, die den Betrieb ... auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger erworben habe. Der neue Abs. 6 sollte die mißbräuchliche Umgehung der Erwerberhaftung nach Abs. 4 verhindern. Das Naheverhältnis der in Abs. 6 aufgezählten Personen zum Betriebsvorgänger erleichtere nämlich den Abschluß von anderen Rechtsgeschäften als Veräußerungsgeschäften (z.B. Pacht), die die Erwerberhaftung nach Abs. 4 nicht eintreten lassen. In manchen Fällen könnten derartige Rechtsgeschäfte auch nur zum Schein abgeschlossen werden, um ein tatsächlich vorliegendes Veräußerungsgeschäft zu verdecken. Die in Abs. 6 aufgezählten Personen sollten aber die Möglichkeit haben, sich durch den Nachweis, daß sie die Beitragsschulden nicht kannten bzw. trotz ihrer Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnten, von der Haftung zu befreien.
Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, daß die Mitbeteiligte (eine Angehörige des Betriebsvorgängers im Sinne des § 67 Abs. 6 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 7 Z. 1 ASVG) den Betrieb auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger erworben hat. Bevor auf die von den Parteien des Beschwerdeverfahrens in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellte Frage eingegangen werden kann, ob ein Betriebsübergang auf einen Angehörigen im Sinne des § 67 Abs. 6 Z. 1 ASVG im Hinblick auf Abs. 5 dieser Vorschrift keine Haftung für die Beitragsverbindlichkeiten des Betriebsvorgängers nach zieht, wenn der Betriebsübergang auf Grund eines Rechtsgeschäftes mit einer Konkursmasse erfolgte, ist zu prüfen, ob der im Beschwerdefall festgestellte Sachverhalt den haftungsbegründenden Tatbestand nach § 67 Abs. 4 ASVG oder jenen nach Abs. 6 dieser Gesetzesstelle herstellt. Dem Haftungsbescheid der Beschwerdeführerin liegt, wie auch die Ausführungen der Beschwerde zeigen, die Auffassung zugrunde, daß ein Betriebsübergang auf eine Person, die dem im § 67 Abs. 6 Z. 1 bis 3 ASVG umschriebenen Personenkreis angehört, auch dann nicht (unmittelbar) dem im § 67 Abs. 4 ASVG normierten Tatbestand zu unterstellen ist, wenn dem Betriebsübergang ein Erwerb auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger zugrunde liegt.
Für diese Auffassung bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Die Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 67 Abs. 4 ASVG tritt ein, wenn dieser den Betrieb auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger (Beitragsschuldner) erworben hat (vgl. zu § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung der 41. ASVG-Novelle das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0211). Das Gesetz enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sich der unmittelbare sachliche Anwendungsbereich von § 67 Abs. 4 ASVG auf Personen, die den Betrieb auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger erworben haben, deshalb nicht erstrecke, weil diese dem im § 67 Abs. 6 Z. 1 bis 3 ASVG umschriebenen Personenkreis angehören. § 67 Abs. 4 ASVG stellt somit die allgemeine Haftungsnorm für alle Betriebsnachfolger (unabhängig von einer Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 67 Abs. 6 Z. 1 bis 3 ASVG) dar, die den Betrieb auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger erworben haben. § 67 Abs. 6 ASVG bedeutet - soweit es den dort genannten Personenkreis betrifft - eine Erweiterung des Kreises der haftenden Betriebsnachfolger auf jene, auf die der Betrieb OHNE ein mit dem Betriebsvorgänger abgeschlossenes VERÄUSSERUNGSGESCHÄFT übergegangen ist. Dieses schon aus dem Wortlaut und der systematischen Anordnung der Vorschriften folgende Ergebnis wird auch durch die Überlegung gestützt, daß bei Zutreffen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin jener Betriebsnachfolger, der dem im § 67 Abs. 6 ASVG umschriebenen Personenkreis angehört, nach der in den beiden letzten Halbsätzen dieser Vorschrift getroffenen Anordnung in jedem Fall (auch bei Erwerb durch Veräußerungsgeschäft mit dem Betriebsvorgänger) die Möglichkeit hätte, seine Haftung durch den Beweis abzuwenden, daß er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. ... kennen konnte, ein nicht dem Personenkreis des Abs. 6 angehörender, nach Abs. 4 haftender Betriebsnachfolger hingegen nicht. Der Letztere haftet jedenfalls ohne Möglichkeit des "Entlastungsbeweises" und auch (anders als nach § 1409 ABGB) ohne Beschränkung auf die Schulden, die er kannte oder kennen mußte. Für eine solche Begünstigung von Betriebsnachfolgern, die dem in Abs. 6 umschriebenen Personenkreis angehören, bestünde keinerlei sachliche Rechtfertigung. Ein solches Ergebnis wäre auch mit dem Zweck der Vorschrift des Abs. 6, die mißbräuchliche Umgehung der Erwerberhaftung nach Abs. 4 zu verhindern (vgl. EB zur RV, aaO 27), nicht in Einklang zu bringen.
Der Erwerb eines Betriebes auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger verwirklicht somit unmittelbar den Haftungstatbestand nach § 67 Abs. 4 ASVG, auch wenn der Betriebsnachfolger dem Personenkreis des § 67 Abs. 6 ASVG angehört.
Im Beschwerdefall erwarb die Mitbeteiligte den Betrieb auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger; es ist somit an sich der Haftungstatbestand nach § 67 Abs. 4 ASVG verwirklicht. Im Hinblick darauf, daß der Erwerb "aus einer Konkursmasse" im Sinne des § 67 Abs. 5 ASVG erfolgte, ergibt sich aus der letztgenannten Vorschrift ohne weiteres, daß die Mitbeteiligte von der Beschwerdeführerin zu Unrecht zur Haftung herangezogen wurde. Zu diesem Ergebnis gelangte - allerdings auf Grund etwas anderer Auslegungserwägungen - auch die belangte Behörde; die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit schon deshalb nicht vor. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof auch die Auffassung der belangten Behörde teilt, wonach die Haftungsbefreiung nach § 67 Abs. 5 ASVG für den "Erwerb" aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens anders als durch Veräußerungsgeschäfte auch Betriebsnachfolgern zugute kommt, die dem Personenkreis des § 67 Abs. 6 ASVG angehören (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 91/08/0041, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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