VwGH 91/07/0144

VwGH91/07/014418.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, in der Beschwerdesache der Gemeinde N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. September 1991, Zl. IIIa1-11.711/20, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §66 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
WRG 1959 §38;
WRG 1959 §41;
AVG §66 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs3;
WRG 1959 §38;
WRG 1959 §41;

 

Spruch:

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den Verfahrensparteien bekannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1991, 90/07/0090, und vom 26. November 1991, 91/07/0086, hingewiesen.

Mit dem erstzitierten Erkenntnis war der Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1990 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben worden, mit welchem die von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz der mitbeteiligten Gemeinde (MP) erteilte wasserrechtliche Bewilligung für die Verbauung des A.-Baches an der Grenze zum Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin im Instanzenzug bestätigt worden war. Die Aufhebung dieses Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof war im wesentlichen mit der Begründung erfolgt, daß die MP für die Ausführung ihres Vorhabens eine etwa 140 m2 große Grundfläche der Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen mußte, daß für diese Grundinanspruchnahme jedoch kein tauglicher Rechtstitel (Zwangsrecht, Übereinkommen) geschaffen worden sei und § 111 Abs. 4 WRG 1959 wegen Fehlens der dafür nach dem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen nicht zur Anwendung kommen könne.

Im fortgesetzten Verfahren hatte daraufhin die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte den Bescheid vom 15. Mai 1991 erlassen, mit welchem der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG Folge gegeben, dieser Bescheid behoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Wasserrechtsbehörde erster Instanz zurückverwiesen worden war. Dieser Bescheid bildete den Gegenstand des dem zweiten der oben zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde gelegenen Beschwerdeverfahrens. Mit Erkenntnis vom 26. November 1991, 91/07/0086, hat der Verwaltungsgerichtshof auch den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 1991 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und diese Aufhebung damit begründet, daß es nach Lage des Falles an den gesetzlichen Voraussetzungen fehle, welche der belangten Behörde ein Vorgehen nach § 66 Abs. 2 AVG anstelle der nach § 66 Abs. 4 AVG gebotenen Entscheidung in der Sache erlaubt hätten.

In Vollziehung des mit dem letztzitierten hg. Erkenntnis aufgehobenen Bescheides der belangten Behörde hatte die Wasserrechtsbehörde erster Instanz zwischenzeitig allerdings mit Bescheid vom 30. Juli 1991 der MP erneut die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Brücke über den H.-Bach und zur Regulierung dieses Baches erteilt und den Einwendungen der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Über die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied die belangte Behörde mit dem nunmehr in Anfechtung gezogenen Bescheid nach Zurückweisung eines in der Berufungsschrift gestellten Aussetzungsantrages als unzulässig in der Weise, daß sie in Abänderung des Spruches des vor ihr bekämpften erstbehördlichen Bescheides der MP die wasserrechtliche Bewilligung hinsichtlich der Verbauung des H.-Baches gemäß § 41 Abs. 1, 4 und 5 WRG 1959 und hinsichtlich der Errichtung der Brücke über den Bach unter Stützung auf § 38 Abs. 1 leg. cit. unter den im Erstbescheid genannten Auflagen erteilte und - nach einer mit Bescheid vom 26. September 1991 erfolgten Berichtigung des berufungsbehördlichen Bescheidspruches nach § 62 Abs. 4 AVG - die Berufung der Beschwerdeführerin im übrigen als unbegründet abwies.

Gegen diesen, zum Zeitpunkt der Fällung des

hg. Erkenntnisses vom 26. November 1991, 91/07/0086, bereits erlassenen Bescheid richtet sich die nunmehr zu erledigende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung dieses Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragt. Die MP hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet nicht nur, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des aufgehobenen Bescheides und seiner Aufhebung im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre, sondern hat auch zur Folge, daß allen Rechtsakten, die während der Geltung des sodann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde; solche Rechtsakte erweisen sich als rechtswidrig und gelten infolge der Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses mit diesem dann als beseitigt, wenn sie mit dem aufgehobenen Bescheid in einem unlösbaren rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 185, ferner die hg. Erkenntnisse vom 5. Juni 1956, Slg. Nr. 4084/A, und vom 29. November 1985, 85/17/0030, ebenso wie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1976, Slg. Nr. 7908, und den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1982, Slg. Nr. 9443).

Ein Vergleich des Beschwerdefalles mit den den zitierten Entscheidungen zugrunde gelegenen Verfahrenskonstellationen zeigt, daß die Verfahrenslage nicht mit der dem hg. Erkenntnis vom 29. November 1985, 85/17/0030, zugrunde gelegenen Fallkonstellation verglichen werden kann, in welcher der Gerichtshof das Vorliegen eines als untrennbar aufzufassenden Verfahrenszusammenhangs verneint hatte; der untrennbare Verfahrenszusammenhang zwischen dem im hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, 91/07/0086, aufgehobenen Bescheid mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid ist vielmehr aus jenen Gründen zu bejahen, aus denen der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 1976, Slg. Nr. 7908, in einer dem Beschwerdefall gleichgelagerten Verfahrenskonstellation den Durchgriff der Gestaltungswirkung des den Kassationsbescheid aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes auf jenen Bescheid bejaht hatte, der zwischenzeitig in Vollzug des behobenen Kassationsbescheides durch die Behörde erster Instanz erlassen worden war. Der einzige Unterschied des dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrunde gelegenen Falles zum Beschwerdefall besteht darin, daß im Beschwerdefall auch der den Folgebescheid der Behörde erster Instanz bestätigende - hier angefochtene - Berufungsbescheid schon vor Ergehen des den vorangegangenen Kassationsbescheid aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes erlassen worden war. Daraus folgt konsequenterweise, daß die Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses vom 26. November 1991, 91/07/0086, im vorliegenden Fall aber auch den nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid schon erfaßt haben mußte.

Es gehörte somit seit dem Eintritt der Wirksamkeit des hg. Erkenntnisses vom 26. November 1991, 91/07/0086, durch Zustellung an die Verfahrensparteien der nunmehr in Beschwerde gezogene Bescheid ebenso wie der ihm zugrunde gelegene Bescheid der Wasserrechtsbehörde erster Instanz zufolge der Gestaltungswirkung des zitierten hg. aufhebenden Erkenntnisses dem Rechtsbestand nicht mehr an. Die von der Beschwerdeführerin am 22. Dezember 1989 gegen den Bescheid der Wasserrechtsbehörde erster Instanz vom 4. Dezember 1989 erhobene Berufung harrt damit unverändert ihrer Erledigung.

Mit ihrer nunmehr vorliegenden Beschwerde ist die Beschwerdeführerin aber klaglos gestellt. Die dargestellte Gestaltungswirkung des aufhebenden hg. Erkenntnisses vom 26. November 1991, 91/07/0086, hat nämlich den hier angefochtenen Bescheid in unmittelbarer Weise aus dem Rechtsbestand eliminiert. Die solcherart bewirkte Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist einer Aufhebung des Bescheides durch die belangte Behörde, die Oberbehörde oder den Verfassungsgerichtshof (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 307, wiedergegebene hg. Judikatur) gleichzuhalten.

Das Beschwerdeverfahren war nach Anhörung der Beschwerdeführerin demnach nicht aus dem Grunde der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde, sondern aus dem der Klaglosstellung der Beschwerdeführerin nach § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen, was in einem nach § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat zu geschehen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf die §§ 56 und 59 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die von der hg. Judikatur entwickelten Überlegungen für den Fall der - gelegentlich auch als "Klaglosstellung" bezeichneten - Gegenstandslosigkeit der Beschwerde gegen den die Wiederaufnahme verweigenden Bescheid infolge Aufhebung des vorangegangenen verfahrensbeendenden Bescheides (vgl. die bei Dolp, a.a.O., 715, wiedergegebenen Nachweise) sind auf den hier vorliegenden Fall der Klaglosstellung durch unmittelbare Bescheidbehebung kraft Gestaltungswirkung nach § 42 Abs. 3 VwGG nicht anwendbar. Einer Anwendung von Art. I lit. A Z. 3 der Pauschalierungsverordnung steht der Umstand entgegen, daß die Bestimmung des zweiten Satzes des § 56 VwGG ihrem hervorleuchtenden Zweck nach auf eine Klaglosstellung durch ein Handeln der Behörde abstellt, welches hier nicht vorliegt. Gemäß § 59 VwGG war der Verwaltungsgerichtshof an den Aufwandsersatzantrag der Beschwerdeführerin gebunden, welche den Schriftsatzaufwand nur mit einem Pauschalbetrag beansprucht hat, der zum Zeitpunkt ihrer Beschwerdeerhebung durch die Verordnung des Bundeskanzlers vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104, bereits überholt war.

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