VwGH 91/06/0098

VwGH91/06/009819.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Josef H in K, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 4. April 1991, Zl. 03-12 Ha 116-91/5, betreffend Nachbareinwendungen gegen die Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) Gemeinde D, 2) MX und 3) MY, beide in D), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Stmk 1968 §4 Abs2;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 idF 1989/014;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litd;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §4 Abs2;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 idF 1989/014;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litd;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer vom Beschwerdeführer beim Amt der Stmk. Landesregierung eingebrachten Aufsichtsbeschwerde, in welcher gerügt wurde, daß die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien auf dem Nachbargrundstück des Beschwerdeführers ohne baubehördliche Bewilligung eine Holzhütte errichtet hätten und der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dagegen nichts unternehme, stellten die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien das Ansuchen um nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung für dieses Bauwerk. Eingangs der über dieses Ansuchen durchgeführten mündlichen Verhandlung erhob der Beschwerdeführer (der als Nachbar zu dieser Verhandlung unter Hinweis auf die Säumnisfolgen des § 42 AVG geladen worden war) Einwendungen: Das aufgeführte Bauwerk sei unter Verletzung der Abstandsvorschriften des § 4 Abs. 1 der Stmk. Bauordnung (BO) errichtet worden. Der geringste Abstand des aufgehenden Mauerwerks zur Nachbargrundgrenze betrage 1,7 m, der größte Abstand 2,6 m. Dadurch fühle sich der Beschwerdeführer in seiner freien Aussicht sowie "durch den Verlust des einfallenden natürlichen Lichtes beeinträchtigt". Nach Ausweis des Verhandlungsprotokolles entfernte sich der Beschwerdeführer sodann, ohne die Niederschrift zu unterfertigen. Ferner wurde im Protokoll festgehalten, daß sich der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung mit dem Beschwerdevertreter fernmündlich in Verbindung gesetzt und dieser ihm von einer Unterschriftsleistung abgeraten habe.

Nach dem bei dieser Verhandlung vom bautechnischen Sachverständigen erstatteten Befund und Gutachten, handle es sich bei dem gegenständlichen Bauwerk um ein Holzlagergebäude mit einer Fläche von 29,30 m2 und einen umbauten Raum von 71,10 m3. Das Bauwerk sei eingeschoßig; es sei 6,5 m lang, 4,5 m breit und (im Sinne des § 5 BO) 2,2 m hoch. Es handle sich um ein Gebäude von untergeordneter Bedeutung und es sei objektiv betrachtet keine Beeinträchtigung der Nachbarliegenschaft zu erkennen (wobei der Sachverständige auf die geringe Gebäudehöhe von 2,2 m verwies). Auch führe das Bauwerk zu keiner Reichenbildung.

Mit Bescheid vom 7. Februar 1990 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde hinsichtlich des gegenständlichen Holzlagergebäudes die nachträgliche Baubewilligung unter mehreren Auflagen; in Punkt 3 dieser Auflagen wurden die Abstände zur Grundgrenze des Beschwerdeführers mit "geringster Abstand 1,70, größter Abstand 2,6 m" festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, welche mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Mai 1990 als unbegründet abgewiesen wurde. Der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Parteistellung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Sie besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u.v.a.).

Gemäß § 61 Abs. 2 der Stmk. Bauordnung 1968 (BO), LGBl. Nr. 149 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989, kann der Nachbar gegen die Erteilung einer Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen; diese - dem Interesse des Nachbarn dienenden - Rechtsvorschriften sind in der Folge TAXATIV (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1990, Zl. 90/06/0035) aufgezählt; dazu gehören u.a. die Vorschriften über die Abstände (§§ 4 und 53 BO).

Der Beschwerdeführer wurde zur mündlichen Bauverhandlung durch Zustellung einer "Kundmachung zur Bauverhandlung", die eine ausdrückliche Belehrung über die Säumnisfolgen im Sinne des § 42 AVG enthalten hat, geladen. Bei dieser Bauverhandlung hat der Beschwerdeführer lediglich eine Verletzung der Abstandsvorschriften des § 4 BO eingewendet. Er ist daher mit allen übrigen, von ihm in der Folge erhobenen Einwendungen präkludiert. Soweit sich die in der vorliegenden Beschwerde erhobenen Rechts- und Verfahrensrügen auf Einwendungen beziehen, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer präkludiert ist, bedürfen sie daher keiner weiteren Erörterung. Dies gilt insbesondere für die Einwendung, daß die Aufsichtsbeschwerde des Beschwerdeführers in der mündlichen Bauverhandlung nicht verlesen und der Beschwerdevertreter zu dieser Verhandlung nicht geladen worden sei, sowie auch für die erstmals in der Berufung behauptete Befangenheit des bautechnischen Sachverständigen (abgesehen davon, daß der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeauffassung, daß der Sachverständige, weil er sich als "Baumeister" bezeichnet habe, die Interessen der Bauwerber, d.h. der zweit- und drittmitbeteiligten Parteien, vertrete, logisch nicht nachzuvollziehen vermag), sowie für die - freilich unsubstantiierte - Bestreitung der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens.

Zu der vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobenen Einwendung betreffend die behauptete Verletzung der Abstandsvorschriften wird in der Beschwerde sinngemäß ausgeführt, daß die Voraussetzungen für die Festsetzung geringerer Abstände im Sinne des § 4 Abs. 2 BO nicht vorlägen.

Diese Bestimmung lautet:

"(2) Die Baubehörde kann bei Gebäuden auf einem und demselben Bauplatz auch geringere Abstände der Gebäude voneinander festsetzen. Bei kleineren, ebenerdigen, unbewohnten Bauten von untergeordneter Bedeutung, wie z.B. bei Geräteschuppen, Kleingaragen, Waschküchen, Holzlagen u.dgl., können geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden festgesetzt werden. Reichen, das sind Gebäudeabstände von weniger als 2 m sind verboten."

Wie der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht bestreitet, weist das Holzlagergebäude der zweit- und drittmitbeteiligten Parteien Ausmaße von 6,5 m x 4,5 m und eine Höhe von 2,2 m aus. Bei dieser Sachlage hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Annahme, daß es sich (noch) um ein kleineres Gebäude im Sinne des zweiten Satzes der zitierten Rechtsvorschrift handelt. Daß es sich im Hinblick auf die verwendeten Baumaterialien um keine "ausgesprochene Holzhütte" handelt, wie der Beschwerdeführer meint, ist im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 BO ohne Belang.

Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 BO vorliegen, durfte die Baubehörde geringere Abstände zur Grundgrenze des Beschwerdeführers festsetzen, ohne Rechte des Beschwerdeführers zu verletzen.

Unverständlich sind dem Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang die Beschwerdeausführungen hinsichtlich der an der Grundgrenze des Beschwerdeführers befindlichen Sträucher, zumal Sträucher weder Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens waren noch sein konnten. Ein über die Abstandsvorschriften hinausgehender oder daneben bestehender Anspruch auf einen bestimmten Lichteinfall ist dem Nachbarn nach den Bestimmungen der Stmk. Bauordnung nicht eingeräumt, sodaß die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen ebenfalls unerörtert bleiben können.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht gehen die Rechte des Nachbarn nicht weiter als seine materiellen Rechte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1989, Zl. 87/06/0051, u.v.a.). Die belangte Behörde hat Verwendungszweck und Ausmaße des Bauwerks zweifelsfrei festgestellt. Da schon daraus die Rechtsfrage, ob ein kleineres, unbewohntes Bauwerk von untergeordneter Bedeutung vorliegt, abschließend beantwortet werden kann, gehen die Beschwerdeausführungen, in denen der Behörde vorgeworfen ist, den Sachverhalt nicht genügend erhoben zu haben, ins Leere. Soweit sich Verfahrensrügen des Beschwerdeführers auf Umstände beziehen, hinsichtlich derer er entweder präkludiert ist oder ihm ein Nachbarrecht nicht zukommt, ist auf sie nicht weiter einzugehen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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