VwGH 91/05/0071

VwGH91/05/007124.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der XX in N, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Februar 1991, Zl. R/1-V-9015/2, betreffend Feststellung der Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) AA,

2) BB, 3) CC, 4) DD, 5) EE, 6) FF, 7) GG, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in N) Stadtgemeinde N), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- und den Erst- bis Siebentmitbeteiligten zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Zuge einer Bauverhandlung am 7. März 1990 mündlich verkündeten Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführerin in dem auf Grund des Ansuchens der Erst- bis Siebentmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingeleiteten Verfahren um Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch von hofseitigen Nebengebäuden und Durchführung von Zu- und Umbauten zwecks Schaffung neuer Verkaufsflächen bzw. für den Einbau eines Gasthausbetriebes, einer Kaffee-Konditorei und eines Pubs auf der Liegenschaft in N, X-Platz, "Parteienstellung nicht zukommt".

Auf Grund der dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung wurde dieser Bescheid mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 29. Oktober 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt.

In dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlichen Teil der Begründung ihres Bescheides wies die Berufungsbehörde darauf hin, daß die Baubehörde erster Instanz eingehend geprüft habe, ob die Beschwerdeführerin als Anrainer anzusehen sei, ob sie also das geplante Bauvorhaben in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berühren könnte. Die in dieser Hinsicht eingeholten medizinischen und technischen Sachverständigengutachten seien klar, schlüssig begründet und widerspruchsfrei. Die Baubehörde erster Instanz habe "überhaupt keine Feststellungen treffen" können, "welche eine Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Rechte" der Beschwerdeführerin durch die geplante Bauführung "auch nur im entferntesten als möglich erscheinen ließen".

Mit Bescheid der NÖ. Landesregierung vom 8. Februar 1991 wurde die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Die Aufsichtsbehörde beschränkte sich nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen auf die Feststellung, daß sich die Berufungsbehörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ausführlich auseinandergesetzt und die Berufung zu Recht als unbegründet abgewiesen habe. Die Aufsichtsbehörde schließe sich dieser Begründung vollinhaltlich an und weise daher die Vorstellung als unbegründet ab.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die Erst- bis Siebentmitbeteiligten erwogen:

Zunächst ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen festzuhalten, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vor dessen Spruch ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß über die Vorstellung der Beschwerdeführerin "gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde N vom 29. 10. 1990, Zl. III/50/1/1990" entschieden werde, weshalb die Behauptung der Beschwerdeführerin, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu

entnehmen, "welcher Bescheid ... dadurch konkret bestätigt

wird", unverständlich ist. Im übrigen wurde der Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auf § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 gestützt, weshalb auch der von der Beschwerdeführerin gerügte Mangel, es sei nicht erkennbar, auf welche gesetzliche Grundlage der angefochtene Bescheid gestützt sei, nicht vorliegt. Ferner ist es nicht rechtswidrig, in der Begründung eines Bescheides auf jene eines anderen Bescheides zu verweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1986, Zl. 84/17/0218), weshalb der belangten Behörde nicht schon allein deshalb eine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden kann, wenn sie sich in der Begründung ihres Bescheides durch einen diesbezüglichen Hinweis den Ausführungen in der Begründung des an die Beschwerdeführerin gerichteten und ihr zugestellten Berufungsbescheides angeschlossen hat. Damit hat sie sich die Erwägungen der Berufungsbehörde zu eigen gemacht und zu erkennen gegeben, daß sie die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den erwähnten Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde aus den für zutreffend erachteten Erwägungen der Berufungsbehörde für unbegründet hält.

Gemäß § 118 Abs. 8 erster Satz der NÖ. Bauordnung 1976 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Zufolge Abs. 9 dieser Gesetzesstelle werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über 1. den Brandschutz; 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können; 3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Die im ersten Satz des § 118 Abs. 8 leg. cit. enthaltenen Worte "berührt werden" sind so zu verstehen, daß Grundstückseigentümer dann Parteistellung genießen, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten "verletzt werden können", sodaß es im Zusammenhang mit der Frage der Parteistellung auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1978, Slg. N. F. Nr. 9485/A). Für die Rechtmäßigkeit der von der Berufungsbehörde getroffenen bescheidmäßigen Feststellung, wonach der Beschwerdeführerin in dem in Rede stehenden Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme, ist daher entscheidend, ob davon auszugehen war, daß die Beschwerdeführerin durch das geplante Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerber nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt werden kann. Die Frage der TATSÄCHLICHEN Verletzung solcher Rechte der Beschwerdeführerin hatte daher nicht Gegenstand dieses Feststellungsverfahrens zu sein und bedarf sohin im gegebenen Zusammenhang keiner Erörterung.

Entsprechend der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung hat sich die Berufungsbehörde auf die durch entsprechende Sachverständigengutachten belegte Auffassung der Baubehörde erster Instanz gestützt, wonach diese "überhaupt keine Feststellungen treffen konnte, welche eine Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Rechte der Berufungswerberin durch die gegenständliche Bauführung auch nur im entferntesten als möglich erscheinen ließen". Im Zuge der von der Baubehörde erster Instanz abgehaltenen Bauverhandlung wurde darauf hingewiesen, daß sich der Bauplatz der mitbeteiligten Bauwerber in einem Gebiet mit der Flächenwidmung Bauland - Kerngebiet im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 2 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976, also in einem Bereich befindet, welcher vorwiegend für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten sowie für Betriebe des Handels, Gewerbes und Fremdenverkehrs bestimmt ist, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes (Stadtkernes) harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Der technische Amtssachverständige hat bei dieser Gelegenheit ausdrücklich festgehalten, daß das geplante Vorhaben dieser Widmung entspricht, weshalb "es auch daraus resultierend keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung geben kann". Dieser Auffassung ist die Beschwerdeführerin während des Verfahrens vor den Baubehörden nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, weshalb nicht zuletzt auch wegen der nicht unerheblichen Entfernung zwischen der Liegenschaft der Beschwerdeführerin und dem geplanten Bauvorhaben keine Anhaltspunkte für eine begründete Annahme bestehen, daß die Beschwerdeführerin durch Immissionen beeinträchtigt werden könnte, welche von diesem Bau ausgehen werden. Die Beschwerdeführerin kann daher auch mit ihrem bloßen Hinweis in der Beschwerde, dem Nachbarn stünde ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien dann zu, wenn sie einen Immissionsschutz gewährleisten, für ihren Standpunkt nichts gewinnen. Im übrigen fehlen nach der Aktenlage jegliche Anhaltspunkte dafür, daß das geplante Bauvorhaben als Einkaufszentrum im Sinne des § 17 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 zu qualifizieren sein könnte, weshalb auf das - übrigens als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung zu wertende - diesbezügliche Vorbringen nicht eingegangen zu werden braucht. Es ist auch nicht zu erkennen, daß die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt baurechtlicher Regelungen über die Tragfähigkeit des Baugrundes in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein könnte, zumal ihre Liegenschaft nicht unmittelbar an den Bauplatz der mitbeteiligten Bauwerber angrenzt. Ob die Beschwerdeführerin durch die geplante Errichtung eines zu dem Bauvorhaben gehörenden Parkplatzes in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt sein könnte, war im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil der Parkplatz nicht Gegenstand des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bauansuchens ist und die Beschwerdeführerin keinen aus baurechtlichen Normen ableitbaren Rechtsanspruch auf die Errichtung von Parkplätzen hat. Jedenfalls ist die Beschwerdeführerin nicht dadurch in ihren Rechten verletzt worden, daß der Parkplatz in einem gesonderten Verfahren baubehördlich bewilligt werden soll, zumal sie in diesem Verfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 sowie Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte