Normen
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §353 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 idF 1988/399;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §353 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 idF 1988/399;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 7. April 1989 suchte die Beschwerdeführerin "um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung einer Kfz-Einstellhalle auf dem Gst.Nr. 377/5, KG S, sowie um Errichtung eines daran anschließenden Schotterlagerplatzes auf dem Gst.Nr. 377/1, KG S," an.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 11. Juni 1990 wurde "gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 i.d.g.F" das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 7. April 1989 "um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung eines Schotterlagerplatzes und einer Kfz-Einstellhalle auf dem Gst.Nr. 377/1, KG. S in der Gemeinde X," abgewiesen.
Zur Begründung wurde - nach Wiedergabe der bei der Verhandlung am 22. Mai 1990 getroffenen Feststellungen - ausgeführt:
"Es ist noch darauf hinzuweisen, daß bei der Gewerberechtsverhandlung am 4.10.1989 Einwendungen von Nachbarn erhoben wurden. Eine Reihe von Einwendungen wurden in Schriftform einige Tage vor der Gewerberechtsverhandlung am 22.5.1990 von Nachbarn eingebracht und wurde in diesen Einwendungen eine unzumutbare Belästigung durch Lärm, Staub und andere Schadstoffe sowie teilweise sogar eine Gesundheitsgefährdung geltend gemacht.
Gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO darf eine gewerbliche Betriebsanlage für einen Standort nicht genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.
Zu diesen Rechtsvorschriften zählen auch die Bestimmungen des Stmk. Raumordnungsgesetzes (ROG) und der Verordnungen dazu.
Wie bereits oben ausgeführt, ist der Bereich, auf dem die gegenständliche Betriebsanlage errichtet werden soll, im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde X als "Dorfgebiet" im Sinne § 23 Abs. 5 lit. f Stmk. ROG ausgewiesen.
Dorfgebiete sind Flächen, die vornehmlich für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in verdichteter Anordnung bestimmt sind, wobei auch Wohngebäude und Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner dienen, errichtet werden können.
Gemäß Abs. 15 des § 23 Stmk. ROG sind bei bestehenden Betrieben in Wohngebieten bauliche Maßnahmen zulässig, wenn dadurch eine Verringerung der Emissionen erreicht wird.
Der Gewerberechtsverhandlung am 22.5.1990 waren Amtssachverständige beigezogen aus den Fachbereichen Bauwesen, Maschinenbau, Klimatologie, Lärmschutzangelegenheiten und Raumordnungsfragen.
Wie die gutachtlichen Stellungnahmen dieser Amtssachverständigen ergeben haben, ist bei Betrieb dieser Anlage mit einer Vermehrung der Emissionen und Immissionen für die Nachbarschaft zu rechnen, sodaß eine Verringerung der Emissionen im Sinne § 23 Abs. 15 Stmk. ROG naturgemäß ausgeschlossen ist.
"Dorfgebiet" im Sinne § 23 Abs. 5 lit. f Stmk. ROG sind Flächen, die vornehmlich für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in verdichteter Anordnung bestimmt sind, wobei Wohngebäude und Gebäude errichtet werden dürfen, die der Bedürfnisbefriedigung der Dorfbewohner dienen.
Da die Auswirkungen dieser Betriebsanlage geradezu diametral zu diesem Gebietscharakter "Dorfgebiet" stehen, war im Sinne § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO das Ansuchen um Erteilung der beantragten gewerbebehördlichen Genehmigung aus den zutreffenden Gründen abzuweisen.
Die durch dieses Gewerberechtsverfahren entstehenden Kosten werden in einem gesonderten Kostenbescheid vorgeschrieben werden.
Hinsichtlich eines allfälligen Erlöschens des mit Bescheid der BH Harterg vom 31.8.1983, GZ.: 4J23-1981, genehmigten Schotterlagerplatzes wird nach Durchführung gesonderter Ermittlungen ein Feststellungsbescheid zu erlassen sein."
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, sie habe um Erweiterung (Änderung) der ihr mit Bescheiden aus den Jahren 1981 und 1983 genehmigten Betriebsanlage angesucht. Sache des Verwaltungsverfahrens sei damit die "Erweiterung (Änderung) einer genehmigten Betriebsanlage gemäß § 81 GewO 1973 und nicht, wie die Behörde fälschlich meint, § 77 Abs. 1 GewO 1973".
Über diese Berufung entschied der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom 4. Dezember 1990 dahin, der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 11. Juni 1990 werde "insofern Folge gegeben, als die Abweisung des Ansuchens vom 7.4.1989 dem § 81 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 77 Abs. 1 Gewerbeordnung 1973 i.d.g.F subsumiert wird". Begründet wurde dies damit, daß das Ansuchen der Konsenswerberin vom 7. April 1989 ein Änderungsbegehren darstelle, "da auf dem gleichen Grundstück Anlagengenehmigungen aus den Jahren 1981 und 1983 vorliegen"; insofern könne "der Berufung Folge gegeben werden und § 81 Gewerbeordnung im Spruch dieses Bescheides Aufnahme finden".
Über die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin entschied der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 4. Juni 1991 dahin, daß der Berufung keine Folge gegeben werde. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die "Präzisierung des erstinstanzlichen Bescheides durch die Gewerbebehörde zweiter Instanz" sei zu Recht erfolgt. Wie sich aus den Verwaltungsakten ergebe, lägen nämlich "für die gegenständliche Betriebsanlage mehrere rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigungen vor"; in diesem Zusammenhang werde auf die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 27. Juli 1981, 7. August 1981 und 31. August 1983 hingewiesen. Wie sich aus den Verfahrensakten weiters ergebe, habe die Behörde erster Instanz auch tatsächlich ein Änderungsverfahren durchgeführt. So werde in der Kundmachung vom 22. September 1989 § 81 GewO 1973 als Rechtsgrundlage angeführt, und auch die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides lasse erkennen, daß die Behörde erster Instanz vom Vorliegen einer rechtskräftigen Grundgenehmigung ausgegangen sei. Lediglich der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides sei durch die mangelnde Aufnahme des § 81 als Rechtsgrundlage unvollständig gewesen. Durch den angefochtenen Bescheid liege daher kein im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "unzulässiger Austausch des Verfahrens" durch die Berufungsbehörde vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht "auf Genehmigung der Änderung (Erweiterung) unserer gewerblichen Betriebsanlage gemäß § 81 GewO 1973" verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unter anderem vor, es liege "ein unzulässiger Austausch des Verfahrens durch die Berufungsbehörde vor".
Schon dieses Vorbringen ist begründet:
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die in dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen hervorzurufen.
Nach § 81 Abs. 1 leg. cit. bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.
Gemäß § 353 GewO 1973 sind dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen und erforderlichenfalls Pläne und Skizzen in vierfacher Ausfertigung anzuschließen. Weiters sind unter anderem die sonst für die Beurteilung erforderlichen technischen Unterlagen anzuschließen.
Nach dieser Rechtslage setzt der Abspruch über die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage wie auch ein Abspruch über die Genehmigung der Änderung einer solchen Anlage ein Ansuchen voraus (antragsbedürftiger Verwaltungsakt).
Die Behörde ist daher in einem Verfahren eine Betriebsanlage betreffend an den Inhalt des Antrages des Konsenswerbers gebunden. Es steht ihr nicht frei, abweichend vom Inhalt des dem Verfahren zugrundeliegenden Antrages etwa je nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die Genehmigung zur Errichtung (zum Betrieb) einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 Abs. 2 und 77 GewO 1973 oder zur Änderung einer bereits genehmigten Anlage im Sinne des § 81 leg. cit. zu erteilen bzw. zu versagen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0011, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Zufolge § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, von dem - hier nicht in Betracht kommenden - im Abs. 2 erwähnten Fall abgesehen, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Im vorliegenden Fall wertete die Behörde erster Instanz das Ansuchen der Beschwerdeführerin - ob zu Recht, ist im gegebenen Zusammenhang nicht zu untersuchen - als ein solches um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage und erließ, wie sich aus dem Spruch (Abweisung des Antrages "um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung ..." unter Zitierung lediglich des § 77 Abs. 1 GewO 1973) des Bescheides vom 11. Juni 1990 ergibt, einen auf die Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage abstellenden Bescheid. Eine andere Sicht vermag auch nicht daraus gewonnen zu werden, daß Spruch und Begründung eines Bescheides eine Einheit bilden und in Zweifel aus dem Zusammenhalt beider der nähere Sinn und Inhalt der Entscheidung zu erschließen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1985, Zl. 85/05/0114). So stellt auch die Begründung dieses Bescheides in keiner Weise auf die Frage der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 GewO 1973 ab. Selbst aus dem - eine dahin gehende Bezugnahme allenfalls indizierenden - in der Begründung genannten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 31. August 1983 vermag nichts gewonnen zu werden, wird doch darauf verwiesen, daß "hinsichtlich eines allfälligen Erlöschens des mit Bescheid der BH Hartberg vom 31.8.1983, GZ: 4J23-1981, genehmigten Schotterlagerplatzes ... nach Durchführung gesonderter Ermittlungen ein Feststellungsbescheid zu erlassen sein" werde. Gegenstand dieses Bescheides und somit "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG war somit die (Abweisung der) Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage. Dadurch, daß die Behörde zweiter Instanz in der Folge auch § 81 GewO 1973 in den Spruch des Bescheides aufnahm und somit einen Bescheid in Ansehung der Genehmigung der Änderung der gewerblichen Betriebsanlage erließ, überschritt sie die Grenzen ihrer durch das im § 66 Abs. 4 AVG normierte Gebot der Entscheidung "in der Sache" bestimmten Zuständigkeit (vgl. nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. September 1990).
An den die "Sache" des Berufungsverfahrens begrenzenden Abspruch des erstinstanzlichen Bescheides vermag auch nichts zu ändern, wenn in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf das Vorliegen mehrerer rechtskräftiger gewerbebehördlicher Genehmigungen für die gegenständliche Betriebsanlage hingewiesen wird. In diesem Sinne geht auch das Begründungselement des angefochtenen Bescheides, in der Kundmachung vom 22. September 1989 werde § 81 GewO 1973 als Rechtsgrundlage angeführt, ins Leere.
Da die belangte Behörde, anstatt die Rechtswidrigkeit des zweitbehördlichen Bescheides aufzugreifen, eine Sachentscheidung fällte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil unter dem Begriff "Barauslagen" der Ersatz entrichteter Stempelgebühren nicht angesprochen werden kann (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1968, VwSlg. N.F. Nr. 7432/A).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)