Normen
AVG §56;
BehindertenG Wr 1986 §1 Abs2 Z3;
BehindertenG Wr 1986 §27 Abs1;
BehindertenG Wr 1986 §37 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
BehindertenG Wr 1986 §1 Abs2 Z3;
BehindertenG Wr 1986 §27 Abs1;
BehindertenG Wr 1986 §37 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien erließ gegen die Beschwerdeführerin den Bescheid vom 4. April 1990 mit folgendem Spruch:
"Das Frau A mit Bescheid vom 2.11.1982, Zahl MDR-K 41/82, zuerkannte Pflegegeld wird gemäß § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Z 3 Wiener Behindertengesetz 1986, LBGl. für Wien Nr. 16, mit 31.8.1983 eingestellt.
Durch die Weiterzahlung des Pflegegeldes in der Zeit vom 1.9.1983 - 30.4.1989 ist ein Übergenuß in der Höhe von S 135.966,- entstanden, welcher gemäß § 36 Abs. 1 Wiener Behindertengesetz dem Magistrat der Stadt Wien zurückzuzahlen ist.
Die Rückzahlung kann in monatlichen Raten zu S 1.000,-- erfolgen.
Die bis zur Rechtskraft dieses Bescheides fällig werdenden Raten sind binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Zahlungen sind am Ersten eines jeden Monats im voraus an die Magistratsabteilung 6 - BA IV mittels beiliegender Zahlscheine zu entrichten."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe "daß im Falle einer Ratenzahlung die Zahlungen jeweils am Ersten eines jeden Monates beginnend mit der Zustellung dieses Berufungsbescheides im voraus an die Magistratsabteilung 6 - BA V mittels beiliegender Zahlscheine zu erfolgen haben". In der Begründung wurde unter Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen der §§ 27 Abs. 1, 1 Abs. 2 Z. 3, 35 Abs. 1 und 36 Abs. 1, 2 und 3 des Wiener Behindertengesetzes 1986, LGBl. Nr. 16, (BG) ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die Beschwerdeführerin seit 1. September 1983 eine Witwenpension und einen Hilflosenzuschuß (nach dem ASVG) beziehe. Somit bestehe ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch mehr auf Pflegegeld nach dem Wiener Behindertengesetz. Das Pflegegeld sei jedoch in der Zeit vom 1. September 1983 bis 30. April 1989 zur Anweisung gelangt, da der Umstand der Pensionszuerkennung dem Magistrat der Stadt Wien erst nachträglich am 22. Juni 1989 bekanntgeworden sei. Die Beschwerdeführerin habe ihre Verpflichtung, etwaige Einkommensänderungen umgehend schriftlich bekanntzugeben, anläßlich der Stellung des Antrages auf Pflegegeld - wenn auch ohne Nennung der diesbezüglichen Gesetzesstelle - zur Kenntnis genommen. Sohin habe sie das Pflegegeld zu Unrecht empfangen und dies durch die Unterlassung der Meldung ihres Pensionsbezuges auch selbst verursacht. Folglich sei es ausgeschlossen, daß sie das Pflegegeld gutgläubig bezogen habe. Da die Rückforderung innerhalb der vorgeschriebenen Zweijahresfrist erfolgt sei, sei keine Verjährung eingetreten. Da die Pension im Jahr 1989 monatlich S 11.934,10 einschließlich S 2.784,-- an Hilflosenzuschuß betrage, sei die Rückforderung in der Höhe von monatlich S 1.000,-- zumutbar und habe keine besondere soziale Härte zur Folge. Insbesondere werde dadurch nicht der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin gefährdet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 erster Satz BG haben Personen, die eine Pension - unter anderem - nach dem ASVG beziehen, keinen Anspruch auf Pflegegeld.
§ 35 Abs. 1 erster Satz BG sieht vor, daß der Behinderte oder sein gesetzlicher Vertreter alle Umstände, die dazu führen könnten, daß die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Pflegegeld zu ändern oder einzustellen wären, binnen vier Wochen nach Kenntnis dem Magistrat anzuzeigen haben.
Gemäß § 36 Abs. 1 BG hat der Behinderte eine zu Unrecht empfangene Hilfe zum Lebensunterhalt oder ein zu Unrecht empfangenes Pflegegeld zurückzuzahlen. Die Leistung ist jedenfalls zu Unrecht empfangen, wenn der Anzeigepflicht (§ 35 Abs. 1) nicht entsprochen wurde. Von der Rückforderung ist gemäß Abs. 2 abzusehen, wenn 1. der Behinderte den ungebührlichen Bezug nicht durch sein Verschulden verursacht und die Leistung gutgläubig bezogen hat, 2. dies besondere soziale Härten für den Behinderten zur Folge hätte, insbesondere wenn der Lebensunterhalt des Behinderten und seiner Familie gefährdet wäre, oder 3. das Verfahren der Rückforderung mit Kosten oder Weiterungen verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zum Schadensbetrag stehen. Das Recht auf Rückforderung verjährt gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung binnen zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Magistrat bekanntgeworden ist, daß die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Pflegegeld zu Unrecht empfangen worden ist.
§ 37 Abs. 1 BG normiert, daß die Hilfe zum Lebensunterhalt und das Pflegegeld mit dem Ende des Monats einzustellen sind, in dem die Voraussetzungen hiefür weggefallen sind.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß sie ab 1. September 1983 eine Witwenpension und einen Hilflosenzuschuß nach dem ASVG bezieht und daß sie diesen Umstand nicht dem Magistrat angezeigt hat. Sie vertritt jedoch die Auffassung, daß sie den - gemäß § 27 Abs. 1 erster Satz BG - ungebührlichen Bezug des Pflegegeldes nicht schuldhaft verursacht und die Leistung gutgläubig bezogen habe. Dies deshalb, weil die belangte Behörde selbst der Beschwerdeführerin mit Verständigung vom 3. November 1989 mitgeteilt habe, daß sie aus dem amtlichen Antragsformular habe entnehmen können, daß Personen, die einen Anspruch auf eine gleichartige oder ähnliche Leistung nach anderen Gesetzen besäßen, keinen Anspruch nach dem Wiener Behindertengesetz hätten. Demzufolge räume die belangte Behörde selbst ein, daß auf dem Antragsformular kein Hinweis auf eine Rückerstattungspflicht im Falle der Nichtbekanntgabe von Bezügen gleichartiger Leistungen ausdrücklich angeführt worden sei. Auch der Bescheid vom 2. November 1982, mit dem der Beschwerdeführerin das Pflegegeld zuerkannt worden sei, enthalte keinen Hinweis darauf, daß der Bezug einer Witwenpension sofort bekanntzugeben sei. Es hätte daher festgestellt werden müssen, daß die Beschwerdeführerin gutgläubig Pflegegeld bezogen habe und daß sie jedenfalls auch kein Verschulden treffe.
Bei diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, daß das von ihr eigenhändig unterfertigte Formular für den Antrag auf Behindertenhilfe unmittelbar vor der Unterschrift folgenden Passus enthält:
"Schließlich verpflichte ich mich, eine etwaige Erhöhung meines Einkommens bzw. das meiner unterhaltspflichtigen Angehörigen umgehend schriftlich bekanntzugeben."
Damit wurde die Beschwerdeführerin aber jedenfalls auf die Verpflichtung zur Anzeige von Erhöhungen ihres Einkommens hingewiesen. Schon aus diesem Grunde kann sie sich nicht mit Erfolg auf eine unverschuldete Unkenntnis der diesbezüglichen Anzeigepflicht nach § 35 Abs. 1 BG berufen. Die belangte Behörde handelte demnach nicht rechtswidrig, wenn sie das Vorliegen des Tatbestandes nach § 36 Abs. 2 Z. 1 BG verneinte.
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, daß die Rückforderung eine besondere soziale Härte für sie darstelle, kann auf das entsprechende Vorbringen zufolge des Neuerungsverbotes des § 41 Abs. 1 VwGG nicht Bedacht genommen werden.
Wenn die Beschwerdeführerin meint, daß "die Rückforderung für die Monate 9/83 bis inkl. 9/87 jedenfalls gem. § 36 Abs. 3 Wiener Behindertengesetz 1986 verjährt sind", wenn dem Magistrat der "ungebührliche Bezug" am 22. Juni 1989 bekanntgeworden sei, so verkennt sie die Rechtslage. Das Rückforderungsrecht verjährt nämlich gemäß § 36 Abs. 3 BG, wenn die zu Unrecht empfangene Leistung nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Magistrat bekanntgeworden ist, daß die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Pflegegeld zu Unrecht empfangen worden ist, zurückgefordert wird. Da diese Frist im Beschwerdefall gewahrt wurde, ist keine Verjährung eingetreten.
Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0011, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist eine "rückwirkende Einstellung" bereits erbrachter Sozialhilfeleistungen schon begrifflich ausgeschlossen. Soweit daher mit dem angefochtenen Bescheid - durch die Bestätigung des entsprechenden Teiles des erstinstanzlichen Bescheides - die Einstellung bereits erbrachter Leistungen ausgesprochen wird, ist dieser Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid ist aber auch inhaltlich rechtswidrig, soweit damit die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung bezogener Leistungen verpflichtet wurde. Wenn die Beschwerdeführerin nämlich die Witwenpension und den Hilflosenzuschuß "seit 1. September 1983" bezieht, so sind die Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes erst mit Ende des Monates September 1983 im Grunde des § 37 Abs. 1 BG weggefallen. Dies bedeutet, daß die Beschwerdeführerin das Pflegegeld für den Monat September 1983 nicht zu Unrecht empfangen hat und daher auch nicht zur Rückzahlung dieser Leistung verpflichtet werden darf (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0011). Da die ziffernmäßige Höhe des für den Monat September 1983 gewährten Pflegegeldes aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervorgeht, muß der gesamte Ausspruch über die Rückzahlungsverpflichtung aufgehoben werden.
Der angefochtene Bescheid war somit zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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