Normen
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3;
FrPolG 1954 §4;
FrPolG 1954 §8;
VwRallg;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3;
FrPolG 1954 §4;
FrPolG 1954 §8;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 14. Mai 1986 war gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen damals Staatenlosen, nunmehr tschechoslowakischen Staatsbürger, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 lit. b in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 (FrPolG), ein bis zum 30. Juni 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen und dieses damit begründet worden, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 10. Dezember 1985 wegen des Finanzvergehens nach § 35 Abs. 4 FinStrG (Schmuggel) zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Monaten, mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 25. Jänner 1984 wegen des Vergehens nach den §§ 28, 280 StGB (Ansammeln von Kampfmitteln) zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie wegen des Finanzvergehens nach § 35 Abs. 4 FinStrG zu einer Geldstrafe von S 100.000,-- und mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 30. März 1984 wegen der Vergehen nach den §§ 223 Abs. 1, 224, 227 Abs. 1 StGB (Urkundenfälschung, Fälschung besonders geschützter Urkunden, Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Urkunden oder Beglaubigungszeichen) zu einer Geldstrafe von S 3.600,-- rechtskräftig verurteilt worden sei.
Dieser Bescheid ist nach Ausweis der Akten in Rechtskraft erwachsen.
Das Aufenthaltsverbot wurde bisher nicht vollzogen, der Beschwerdeführer hält sich nach wie vor in Österreich auf.
Mit einer bei der Bundespolizeidirektion Wien am 31. August 1989 eingelangten Eingabe stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Aufhebung des über ihn verhängten befristeten Aufenthaltsverbotes. Begründet wurde dieser Antrag damit, daß seit dem Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine tiefgreifende Gesetzesänderung stattgefunden hätte. Unter Hinweis auf § 3 Abs. 3 FrPolG führte der Beschwerdeführer aus, er befinde sich bereits seit zehn Jahren in Österreich und sei Ende 1979 nach Österreich ausgewandert. Er habe auch heute noch Verwandte in Österreich, zu denen er Beziehungen aufrechterhalte. Die strafbaren Handlungen, derentwegen er bestraft worden sei, würden einen einmaligen "Ausrutscher" darstellen. Im übrigen habe er sich seither wohl verhalten und habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Er sei in Österreich voll integriert, und zwar nicht nur auf Grund seiner familiären Beziehungen, sondern auch beruflich. Er sei kaufmännisch tätig und darüber hinaus zu 76 Prozent Gesellschafter einer Ges.m.b.H., welche das Gastgewerbe aller Sparten und Altwarenhandel betreibe. Die Ges.m.b.H. betreibe in L. einen Gasthof, in welchem auf Grund eines mit dem österreichischen Innenministerium abgeschlossenen Vertrages Asylwerbern Unterkunft und Verpflegung gewährt werde. Durch die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes würden seine familiären und sonstigen Verbindungen zerrissen und seine berufliche Existenz vernichtet werden.
Mit Bescheid vom 5. Februar 1990 gab die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 8 FrPolG keine Folge. Begründend wies sie darauf hin, daß die dem Aufenthaltsverbot zugrundeliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen noch nicht getilgt seien. Daher seien die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht weggefallen. An den familiären und beruflichen Bindungen habe sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes, mit Ausnahme des Zeitfaktors, nichts geändert. Der Beschwerdeführer sei bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes an der genannten Ges.m.b.H. beteiligt gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, sich insbesondere ohne Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes in Österreich aufhalten zu dürfen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 FrPolG ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde hat die belangte Behörde schon deshalb nicht zu Unrecht darauf Bedacht genommen, daß die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer maßgebend gewesenen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht getilgt waren, steht doch damit fest, daß diese Verurteilungen nach wie vor aufrecht sind; dies mit der Folge, daß jedenfalls die Verurteilung wegen §§ 28, 280 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, aber auch die Verurteilungen wegen § 35 Abs. 4 FinStrG nach der derzeit geltenden Rechtslage, näherhin gemäß § 3 Abs. 2 Z. 1 und 3 FrPolG, in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987, als "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. zu werten wären und solcherart - vorbehaltlich einer zuungunsten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. - die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde. Die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen maßgeblichen Umstände haben sich demnach insoweit seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht zugunsten des Beschwerdeführers geändert.
Was die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, er habe sich in den seit Verbüßung der über ihn verhängten Strafen vergangenen vier Jahren wohl verhalten, so kann dahingestellt bleiben, ob dieses Vorbringen zutrifft. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, wäre damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Bei der Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes ist davon auszugehen, daß die Behörde das künftige Wohlverhalten des Betroffenen in ihre Überlegungen einbezogen und damit vorausgesetzt hat.
Hingegen ist der Beschwerdeführer mit seinem weiteren Einwand, die belangte Behörde habe der inzwischen durch die Novelle BGBl. Nr. 575/1987 zum Fremdenpolizeigesetz geänderten Rechtslage insofern nicht Rechnung getragen, als sie die von ihm in seinem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes geltend gemachten privaten (familiären und beruflichen) Interessen nicht mit den für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen gegeneinander abgewogen habe, im Recht.
Die hier maßgebliche Bestimmung des § 3 Abs. 3 FrPolG in der Fassung der genannten Novelle lautet wie folgt:
"Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
- 1) die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen:
- 2) die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
- 3) die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen."
In Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes war von der belangten Behörde, wenn im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wie im vorliegenden Fall auf Grund der seinerzeitigen Rechtslage eine Interessenabwägung nicht stattgefunden hat, anläßlich der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die Frage zu prüfen, ob die entsprechend der nunmehrigen, durch die Novelle BGBl. Nr. 575/1987 geschaffenen Rechtslage vorzunehmende Interessenabwägung das Weiterbestehen des Aufenthaltsverbotes rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0143).
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die im vorliegenden Fall gebotene Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig. Offen bleibt jedoch die Frage, welches Ergebnis die erst vorzunehmende Interessenabwägung zeitigen wird. Dies führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das auf den Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
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