Normen
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
SHG Wr 1973 §8 Abs1;
VwGG §48 Abs1 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. September 1986 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, und gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.
Auf Grund des am 28. Oktober 1986 vom Beschwerdeführer gestellten "Grundantrages auf Gewährung von Geldaushilfen" wurde dem Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 12, Sozialreferat für den 16. Bezirk) vom 31. Oktober 1986 eine Geldaushilfe von S 4.194,-- mit der Beifügung "LB v. 31.10. - 30.11." bewilligt. In der Folge stellte der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, daß sich die im "Grundantrag" vom 28. Oktober 1986 enthaltenen Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert hätten, weitere Anträge auf Geldaushilfen, auf Grund deren dem Beschwerdeführer jeweils bescheidmäßig Geldaushilfen in bestimmter Höhe für bestimmte Zeiträume bewilligt wurden. Anläßlich eines Spitalsaufenthaltes des Beschwerdeführers vom 29. September 1987 bis 13. November 1987 liefen Kosten an Pflegegebühren in Höhe von S 185.196,-- auf. Mit Schreiben der oben genannten Behörde vom 21. Juli 1988 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß dem Antrag auf Übernahme dieser Pflegegebühren nicht stattgegeben werden könne, "da die von Herrn T" - vor der Fremdenpolizei - "abgegebene Verpflichtungserklärung (Bürgschaft) vom 3.12.84 noch aufrecht war". In der Folge stellte der Beschwerdeführer am 20. Oktober 1988 beim Sozialreferat für den 16. Bezirk und am 19. Jänner 1989 beim Sozialreferat für den 21. Bezirk weitere "Grundanträge auf Gewährung von Geldaushilfen", auf Grund deren ihm mit rechtskräftigen Bescheiden Geldaushilfen in bestimmter Höhe für bestimmte Zeiträume bewilligt wurden. Nach Stellung einer Reihe weiterer Anträge auf Geldaushilfen, die teils bewilligt, teils abgewiesen wurden, beantragte der Beschwerdeführer am 21. April 1989 unter Hinweis darauf, daß sich die im "Grundantrag DL-Akt vom 1/89" enthaltenen Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert hätten, eine Geldaushilfe für "LfB. 2 E/2 fK. 1 Monat + Krankenscheine".
Mit Bescheid vom 21. April 1989 wies der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 12, Sozialreferat für den 21. Bezirk) "auf Grund des § 57 AVG 1950" den Antrag des Beschwerdeführers vom 21. April 1989 "auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Krankenhilfe" ab. In der Begründung wurde nach Zitierung des § 8 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973, (WSHG) ausgeführt, daß sich laut Erklärung vom 3. Dezember 1984 T verpflichtet habe, als Bürge und Zahler für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen im Notfall aufzukommen und eine geeignete Unterkunft beizustellen.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 12) vom 2. Juni 1989 keine Folge gegeben und der angefochtene Mandatsbescheid gemäß § 57 Abs. 3 AVG 1950 bestätigt. In der Begründung heißt es, daß der Beschwerdeführer am 3. Dezember 1984 zu Gunsten aller österreichischen Fürsorgeverbände eine schriftliche Erklärung abgegeben habe, in der er sich für den Fall, daß ihm oder seinen ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Fürsorgeleistungen erbracht würden, verpflichte, die hiefür aufgelaufenen Kosten dem kostentragenden Fürsorgeverband über dessen Verlangen zu ersetzen. Dieser Verpflichtungserklärung sei T als Bürge und Zahler beigetreten. Mit seiner notariell beglaubigten Unterschrift habe sich T verpflichtet, unter anderem "in erster Linie für den Lebensunterhalt des (der) Obgenannten im Notfall aufzukommen". Unter Hinweis auf die umfassende Verpflichtungserklärung des T vom 3. Dezember 1984 sei daher die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch im Hinblick auf die beantragte Krankenhilfe zu Recht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen und der über die Vorstellung ergangene Bescheid bestätigt. In der Begründung wurde dem Beschwerdeführer entgegengehalten, daß er irre, wenn er behaupte, daß ihm auf Grund seines Antrages vom 28. Oktober 1986 mit Bescheid vom 31. Oktober 1986 die Sozialhilfe dem Grunde nach auch für künftige Zeiträume zuerkannt worden sei. Mit dem genannten Bescheid sei ihm vielmehr eine Geldaushilfe nur für die Zeit vom 31. Oktober 1986 bis 30. November 1986 zuerkannt worden. Ferner führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß anläßlich eines Spitalsaufenthaltes des Beschwerdeführers im Herbst 1986 Pflegegebührenkosten in der Höhe von S 185.196,-- entstanden seien. Da sich der Beschwerdeführer gegenüber der Pflegegebührenstelle des Krankenhauses als zahlungsunfähig ausgewiesen habe, sei offenbar über Anfrage bei der Bundespolizeidirektion Wien - fremdenpolizeiliches Büro - festgestellt worden, daß T für den Beschwerdeführer und dessen unterhaltsberechtigte Angehörige eine sogenannte "Verpflichtungserklärung" abgegeben habe, in der er sich verpflichtet habe, als Bürge und Zahler in erster Linie für den Lebensunterhalt der vorgenannten Personen im Notfall aufzukommen. Im Teil I der "Verpflichtungserklärung" vom 3. Dezember 1984 habe sich der Beschwerdeführer zunächst selbst verpflichtet, für den Fall, daß ihm und seinen ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Fürsorgeleistungen erbracht würden, die hiefür aufgelaufenen Kosten dem kostentragenden Fürsorgeverband über dessen Verlangen zu ersetzen. Dieser Verpflichtungserklärung sei T als Bürge und Zahler beigetreten. Mit seiner - notariell beglaubigten - Unterschrift habe sich T verpflichtet, als Bürge und Zahler in erster Linie für den Lebensunterhalt der vorgenannten Personen im Notfall aufzukommen und eine geeignete Unterkunft beizustellen. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, daß T seinen Beitritt als Bürge und Zahler am 31. Dezember 1985 schriftlich widerrufen habe, stellte die belangte Behörde fest, daß sich in den Verwaltungsakten tatsächlich die Ablichtung eines Schreibens befinde, aus dem hervorgehe, daß T seine Bürgschaftserklärung vom 3. Dezember 1984 per 31. Dezember 1985 widerrufen habe. Es liege jedoch im Wesen einer Bürgschaftserklärung, daß sie nicht einseitig widerrufen werden könne. Der Widerrufserklärung komme daher rechtlich keine Bedeutung zu. Da die Verpflichtungserklärung des T auch keine zeitliche Befristung enthalte, sei sie nach wie vor aufrecht. Die erstinstanzliche Behörde sei somit richtigerweise vom aufrechten Bestand der Bürgschaftserklärung des T vom 3. Dezember 1984 ausgegangen, weshalb die Abweisung des Antrages unter Hinweis auf § 8 Abs 1 WSHG zu Recht erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, daß die Behörde über seinen Antrag vom 21. April 1989 "gesetzmäßigerweise auf der Basis des rechtskräftigen 'Grundlagenbescheides' vom 31. Oktober 1986 maximal über die Höhe der Geldzuwendung" hätte entscheiden dürfen. Mit dem rechtskräftigen "Grundlagenbescheid" vom 31. Oktober 1986 sei sein Anspruch auf Gewährung einer Geldaushilfe "dem Grunde nach" rechtskräftig festgestellt worden. Dieser Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten. Aus dem Spruch des Bescheides vom 31. Oktober 1986 geht eindeutig hervor, daß dem Beschwerdeführer damit lediglich eine Geldaushilfe von S 4.194,-- zur Sicherung seines Lebensbedarfes für die Zeit vom 31. Oktober bis 30. November 1986 bewilligt wurde. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß mit diesem Bescheid ein Anspruch auf Geldaushilfe "dem Grunde nach" festgestellt worden sei, findet im klaren Inhalt des Bescheidspruches keine Grundlage.
Im Ergebnis berechtigt ist die Beschwerde jedoch, soweit sie die Rechtsansicht der belangten Behörde bekämpft, daß ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gemäß § 8 Abs. 1 WSHG allein auf Grund der "Bürgschaftserklärung" des T vom 3. Dezember 1984 ausgeschlossen sei.
§ 8 Abs. 1 WSHG sieht vor, daß Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen des zweiten Abschnittes des Gesetzes hat, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Die bereits mehrfach erwähnte "Verpflichtungserklärung" lautet wie folgt:
"Teil I
Verpflichtungserklärung
Ich A Diplom-Ingenieur Mechaniker
(Vor- und Nachname, Beruf)
28.04.1955, Krakow-Polen, 1010 Wien, X-Straße 22
(Geburtsdatum, Wohnort)
verpflichte mich für den Fall, daß mir oder meinen mir gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Fürsorgeleistungen erbracht werden, die hiefür aufgelaufenen Kosten dem kostentragenden Fürsorgeverband über dessen Verlangen zu ersetzen. Ich verpflichte mich weiters, gegen den Ersatzanspruch nicht Einrede zu erheben, daß ich kein hinreichendes Vermögen oder Einkommen habe oder daß das Verlangen auf Ersatzleistung unbillig sei.
Diese Verpflichtungserklärung habe ich zu Gunsten aller österreichischen Fürsorgeverbände abgegeben und soll diesen gegen mich ein unmittelbarer Rückforderungsanspruch für die aufgelaufenen Fürsorgekosten zustehen.
3.12.84 Wien A
(Ort, Datum) (Eigenhändige Unterschrift)
Teil II
Vorstehender Erklärung trete ich T Gesellschafter 28.11.42, Wien 1010, X-Straße 22
(Name, Beruf, Geburtsdatum, Wohnort)
als Bürge und Zahler bei, das heißt, ich verpflichte mich auch, in erster Linie für den Lebensunterhalt des (der) oben Genannten im Notfall aufzukommen und eine geeignete Unterkunft beizustellen, sodaß kein zusätzlicher Wohnraum geltend gemacht werden kann.
Wien, am 3. Dezember 1984 T
(Ort, Datum) (Eigenhändige Unterschrift)"
Aus dieser Urkunde ergibt sich zunächst, daß T der vom Beschwerdeführer abgegebenen Verpflichtungserklärung, die für Fürsorgeleistungen an ihn oder seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen einem "Fürsorgeverband" aufgelaufenen Kosten zu ersetzen, als Bürge und Zahler beigetreten ist. Da die Inanspruchnahme des Bürgen und Zahlers für die Rückforderung von Fürsorgeleistungen voraussetzt, daß Fürsorgeleistungen erbracht wurden, könnte selbst das aufrechte Bestehen einer solcher Bürgschaft entgegen der Ansicht der belangten Behörde keinesfalls einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gemäß § 8 Abs. 1 WSHG ausschließen.
Der Erklärung des T könnte jedoch auch entnommen werden, daß sich der Genannte auch dem Beschwerdeführer gegenüber zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verpflichtete, in welchem Fall dem Beschwerdeführer ein vertraglicher Anspruch auf Leistung des Lebensunterhaltes gegenüber dem Genannten zustehen könnte. Die Beurteilung, ob ein solcher Anspruch tatsächlich im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.319/A) bestanden hat, kann jedoch nicht bloß auf Grund der dem Wortlaut nach nicht eindeutigen "Verpflichtungserklärung" vorgenommen werden, sondern erfordert Feststellungen über den gesamten Inhalt der übereinstimmenden Willenserklärungen der Beteiligten. Daß T im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides tatsächlich Leistungen zur Bestreitung des Lebensbedarfes an den Beschwerdeführer erbracht hat, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt und geht auch aus der Aktenlage nicht hervor. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Hilfsbedürftigkeit nicht nur dann zu verneinen, wenn ein Hilfesuchender die für seinen Lebensbedarf erforderlichen Mittel tatsächlich von einem Dritten erhält; sie liegt auch dann nicht vor, wenn dem Hilfesuchenden die nach Lage des Falles erforderliche rechtzeitige Durchsetzung seines Unterhaltsanspruches mit Hilfe der Gerichte oder Verwaltungsbehörden möglich und auch zumutbar ist (vgl. das Erkenntnis vom 14. Juni 1988, Zl. 87/11/0244, und die dort zitierte Vorjudikatur). Ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat sich die belangte Behörde mit der Frage des Bestehens eines vertraglichen Unterhaltsanspruches des Beschwerdeführers gegenüber T sowie der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Durchsetzung eines solches Anspruches nicht auseinandergesetzt (vgl. zum Ganzen auch Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 413 ff).
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannte, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den geltend gemachten Schriftsatzaufwand für die Ergänzung der Beschwerde und die Replik zur Gegenschrift, weil Ersatz des Schriftsatzaufwandes nur für die Einbringung der Beschwerde gebührt, sowie nicht erforderliche Stempelgebühren.
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