VwGH 90/18/0027

VwGH90/18/002727.6.1990

N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 18. Dezember 1989, Zl. I/7-St-V-8927, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960.

Normen

AVG §38;
AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom 18. Dezember 1989 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 für schuldig befunden und bestraft, weil er am 7. Februar 1989 um 20 Uhr im "Gemeindegebiet Kirchschlag/BW, LH 149, Strkm. n, Richtung Wiesmath" ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug gelenkt habe, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO 1960 darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber gilt der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt.

Zunächst ist dem gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichteten Vorbringen des Beschwerdeführers zu entgegnen, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d. h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034).

Der Gerichtshof kann der belangten Behörde weder unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung noch wegen unschlüssiger Beweiswürdigung entgegentreten, wenn sie den vom Beschwerdeführer ca. 2 Stunden nach der Tat anläßlich seiner niederschriftlich festgehaltenen Befragung durch die Gendarmerie und den kurz zuvor gegenüber dem untersuchenden Arzt gemachten übereinstimmenden Angaben über den Zeitpunkt und das Ausmaß des vor der Tat konsumierten Alkohols (vier "weiße Spritzer" in der Zeit zwischen 15 Uhr und 19.30 Uhr) gefolgt ist, und den erst während des Verwaltungsstrafverfahrens durch seinen Rechtsvertreter vorgebrachten diesbezüglichen Behauptungen ("drei Seidel Bier", das letzte davon 15 Minuten vor der Tat) keinen Glauben geschenkt hat, zumal auch der Beschwerdeführer nicht die geringsten Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Version aufzuzeigen vermochte, daß diese Diskrepanz in seinem Vorbringen auf einen "Unfallschock" zurückzuführen sein könnte. Wenn sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erstmals darauf beruft, in dem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren hätten Zeugen, die sich bei den Gasthausbesuchen am Tattag in seiner Begleitung befunden haben, den "Konsum von Bier" bestätigt, so muß darauf hingewiesen werden, daß der Gerichtshof darauf wegen des sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbotes nicht eingehen kann. Es kann daher dahingestellt bleiben, inwieweit die Blutalkoholwerte von Wein und Bier voneinander abweichen, und welche Auswirkungen sich in bezug auf die Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zur Tatzeit ergeben hätten, wenn sich die belangte Behörde der erst während des Verwaltungsstrafverfahrens gegebenen, bereits erwähnten diesbezüglichen Darstellung des Beschwerdeführers angeschlossen hätte.

Der Gerichtshof vermag im Unterbleiben der vom Beschwerdeführer für erforderlich erachteten Erhebung der "einzelnen Analysenwerte", welche im Zusammenhang mit der Untersuchung des ihm abgenommenen Blutes festgestellt worden sind, keine unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wesentliche, also zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu erblicken, weil der medizinische Sachverständige in seinem dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Gutachten vom 27. September 1989 schlüssig dargelegt hat, daß "die Blutanalysen in 3 oder 4 Einzelproben durchgeführt werden, welche dann gemittelt den tatsächlichen Blutalkoholwert ergeben". Dieses Verfahren werde von allen Behörden und Gerichten seit Jahrzehnten anerkannt. Die Frage der Analysengenauigkeit sei damit beantwortet.

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen wäre, dieser Ansicht des amtlichen Sachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Im übrigen ist der Sachverständige davon ausgegangen, daß der "gemittelte Meßwert 0,85 %o zwei Stunden nach dem Unfall" betragen habe, woraus sich, wenn man von diesem Wert mit nur 0,1 %o Abbau pro Stunde rückrechne, für den Unfallzeitpunkt ein Blutalkoholgehalt von 1,05 %o ergebe. Wenn der Beschwerdeführer dazu meint, daß "der im Einzelfall anwendbare Abbauwert für die Beurteilung der Alkoholbeeinträchtigung eine wesentliche Prämisse darstellt," weshalb "im Verfahren abzuklären gewesen wäre, ob medizinisch faßbare Umstände vorgelegen haben konnten, die ein Unterschreiten des stündlichen Abbauwertes von 0,1 %o bewirkten", dann muß darauf hingewiesen werden, daß auch bei Annahme eines noch so geringen Abbauwertes unter Außerachtlassung eines allfälligen sogenannten Sturz- oder Nachtrunkes von einem zur Tatzeit gegebenen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o auszugehen gewesen wäre, wenn dieser zwei Stunden nach der Tat noch immer darüber gelegen war. In bezug auf die Wirkung des nach den Angaben des Beschwerdeführers vor der Tat zuletzt konsumierten Alkohols hat der medizinische Sachverständige in seinem Gutachten vom 28. Juni 1989 zu Recht darauf hingewiesen, daß "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Teil des Getränkes zum Unfallzeitpunkt bereits resorbiert war und in der Anflutungsphase hauptsächlich in den Gehirnzellen aufgenommen wird", weshalb "die Alkoholisierung sicher höher lag. Entscheidend für die Alkoholbeeinträchtigung ist ja die negative Auswirkung auf das Gehirn und diese ist in der Anflutungsphase am stärksten". Diese Auffassung steht mit der hg. Rechtsprechung im Einklang, wonach die Ansicht, daß die schädlichen Wirkungen des Alkohols auf die Fahrtüchtigkeit unabhängig vom Grad der Alkoholresorption sofort, also bereits in der Anflutungsphase, eintreten, mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft im Einklang steht (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1985, Zl. 85/18/0197). Ferner muß in diesem Zusammenhang der schon vom Sachverständigen hervorgehobene Umstand berücksichtigt werden, daß die Diskrepanz zwischen dem Ergebnis der Blutuntersuchung und dem auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers ermittelten Wert "gewaltig ist und sich nur durch wesentlich größere Trinkmengen als die 4/8 Weißwein gespritzt erklären läßt".

Dem vom Beschwerdeführer relevierten Umstand, der Sachverständige sei einmal davon ausgegangen, der Konsum eines Achtelliters Weißwein bewirke einen Blutalkoholgehalt von 0,16 %o, und habe ein anderes Mal einen solchen von 0,17 bis 0,18 %o angenommen, kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil es angesichts des objektiv feststehenden Blutalkoholwertes, bezogen auf einen zwei Stunden nach der Tat gelegenen Zeitpunkt, nicht ins Gewicht fällt, ob hinsichtlich jenes Achtelliters Wein, den der Beschwerdeführer nach seinen dem angefochtenen Bescheid zutreffend zugrunde gelegten Angaben etwa eine halbe Stunde vor der Tat konsumiert hat, ein Blutalkoholgehalt von 0,16 oder 0,18 %o angenommen wird. Ob der Beschwerdeführer diese relativ geringe Alkoholmenge etwas mehr oder weniger als 30 Minuten vor der Tat getrunken hat, ist angesichts des zur Tatzeit deutlich über 0,8 %o gelegenen Blutalkoholgehaltes und des schon gegebenen Hinweises auf die Wirkung des Alkohols in der Anflutungsphase irrelevant, weshalb es auch dahingestellt bleiben kann, ob die Tat UM 20 Uhr (so die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Tatzeitangabe) oder, wie der Beschwerdeführer meint, "gegen 20 Uhr" begangen worden ist.

Der Rüge des Beschwerdeführers, daß die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren nicht bis zum rechtskräftigen Abschluß des strafgerichtlichen Verfahrens unterbrochen habe, ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Aussetzung des Verfahrens hatte (vgl. das zu § 38 AVG 1950 ergangene hg. Erkenntnis vom 3. März 1964, Slg. N. F. Nr. 6260/A), und die Verwaltungsbehörde unabhängig von den Ergebnissen eines vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens zu beurteilen hat, ob eine Alkoholbeeinträchtigung gegeben war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1966, Zl. 445/65, ZVR 1967/136). Im übrigen ist dem vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gegebenen Hinweis, in der mündlichen Begründung des erstinstanzlichen strafgerichtlichen Urteiles sei "rücksichtlich der Annahme einer unfallsaktuellen Alkoholbeeinträchtigung beweiswürdigend der Wahrnehmung von Alkoholisierungsmerkmalen durch einen am Unfallsort intervenierenden Gendarmeriebeamten Relevanz zugeordnet" worden, entgegenzuhalten, daß der Wahrnehmung von Alkoholisierungsmerkmalen durch den intervenierenden Gendarmeriebeamten angesichts des durch eine Blutuntersuchung objektivierten Beweisergebnisses keine Bedeutung zukommt.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß dem Beschwerdeführer zurecht eine Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 angelastet worden ist, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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