Normen
AVG §56;
AVG §62;
BörseG 1989 §16 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs2;
BörseG 1989 §45 Abs1;
BörseG 1989 §49 Abs2;
BörseO 1990 §10;
BörseO 1990 §97 Abs2;
B-VG Art116 Abs1 impl;
B-VG Art118 Abs4 impl;
B-VG Art119a impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47 Abs5;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §62;
BörseG 1989 §16 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs1;
BörseG 1989 §2 Abs2;
BörseG 1989 §45 Abs1;
BörseG 1989 §49 Abs2;
BörseO 1990 §10;
BörseO 1990 §97 Abs2;
B-VG Art116 Abs1 impl;
B-VG Art118 Abs4 impl;
B-VG Art119a impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47 Abs5;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Wiener Börsekammer hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.550,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Oktober 1990 setzte die Wiener Börsekammer, Kartenausschuß der Wertpapierbörse, gemäß § 16 Abs. 1 des Börsegesetzes, BGBl. Nr. 555/1989, "bzw." § 10 der Börseordnung die Maklersicherheit der Beschwerdeführerin mit S 10 Mio fest. Weiters sprach die belangte Behörde aus, gemäß § 16 Abs. 2 Börsegesetz bzw. § 10 Abs. 6 der Börseordnung werde auf die halbe Maklersicherheit die von der Beschwerdeführerin erlegte Arrangementkaution angerechnet, sodaß die Beschwerdeführerin bis 31. Dezember 1990 einen Betrag von S 6,245.000,-- in näher genannter Form zu erlegen habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt des Beschwerdevorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht, die genannte Maklersicherheit nicht erlegen zu müssen, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 Börsegesetz idF. VOR der Novelle BGBl. Nr. 529/1993 haben Börsemitglieder nach § 15 Abs. 1 Z. 3 (Freie Makler) zur Gewährleistung der Erfüllung von Börsegeschäften Sicherheit in Form einer Kaution oder einer Bankgarantie zu leisten. Die Höhe der Sicherheit wird vom Kartenausschuß (§ 6 Abs. 2 Z. 1 leg. cit.) im angemessenen Verhältnis zu Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Börsemitglieds festgelegt ...
Nähere Vorschriften über diese Maklersicherheiten enthält § 10 des gemäß § 13 Abs. 1 Börsegesetz von der Vollversammlung am 13. Juni 1990 beschlossenen Statuts für die Wiener Börse, I. Teil, Börseordnung, verlautbart in der Beilage zum Verordnungsblatt der Wiener Börsekammer, 747/1990, vom 28. Juni 1990. Gemäß § 97 Abs. 2 dieser Börseordnung waren die Maklersicherheiten gemäß § 10 vom Kartenausschuß bis 30. September 1990 zu bestimmen und von den Freien Maklern bis 31. Dezember 1990 zu erlegen.
Die Beschwerdeführerin beruft sich zur Dartuung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter anderem darauf, daß ihr der angefochtene Bescheid entgegen der Vorschrift des § 97 Abs. 2 Börseordnung erst am 10. Oktober 1990 zugestellt worden sei. Letzteres wird von der belangten Behörde nicht bestritten und geht auch aus dem Verwaltungsakt hervor. Die belangte Behörde meint jedoch in ihrer Gegenschrift, der Beschluß über die Festlegung der Maklersicherheiten sei am 19. September 1990 gefaßt worden und somit innerhalb der Frist erfolgt. Auf die Ausfertigung und Zustellung des Bescheides komme es nicht an.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Bestimmung der Maklersicherheit gemäß § 97 Abs. 2 Börseordnung der bescheidmäßigen Konkretisierung gegenüber den einzelnen Maklern bedarf und daß nach ständiger Lehre und Rechtsprechung ein Bescheid erst mit seiner Erlassung rechtliche Existenz erlangt. Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung bzw. Ausfolgung zu erfolgen. Erlassen ist ein Bescheid diesfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung vorliegt (vgl. hiezu unter anderem Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Seite 163, und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Festsetzung der Maklersicherheit erfolgte daher im Beschwerdefall entgegen der ausdrücklichen Bestimmung des § 97 Abs. 2 Börseordnung - sie verfolgt erkennbar den Zweck, den Freien Maklern zumindest drei Monate Zeit zur Aufbringung der erforderlichen Mittel zu gewähren - erst nach dem 30. September 1990.
Ohne daß es noch erforderlich wäre, auf die weiteren Beschwerdegründe einzugehen, mußte somit der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Hiebei konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Verhandlung abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf dessen Art. III Abs. 2.
Als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG war hiebei die Wiener Börsekammer anzusehen. Gemäß § 2 Abs. 1 Börsegesetz obliegt die Leitung und Verwaltung einer Börse einer mit Bundesgesetz als juristische Person des öffentlichen Rechts einzurichtenden Börsekammer. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Börsekammer die ihr durch dieses Bundesgesetz übertragenen Aufgaben unter Bedachtnahme auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Börsewesen und auf die schutzwürdigen Interessen des anlagesuchenden Publikums zu besorgen.
Gemäß § 49 Abs. 2 leg. cit. ist die Wiener Börsekammer eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 1.
Die öffentliche Verwaltung wird entweder durch Organe besorgt, die unmittelbar als solche des Staates eingerichtet sind; vielfach aber sind Staatsaufgaben auch anderen - nämlich nichtstaatlichen - Rechtsträgern zur eigenverantwortlichen Besorgung (Selbstverwaltung) übertragen. Die Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit dieser nichtstaatlichen Rechtsträger bei Besorgung der ihnen übertragenen Staatsaufgaben zeigt sich in der Unabhängigkeit von Weisungen seitens staatlicher Organe.
Gemäß § 45 Abs. 1 erster Halbsatz Börsegesetz unterliegen die Wertpapierbörsen der Aufsicht des Bundesministers für Finanzen. Der Terminus "Aufsicht" indiziert nach dem üblichen Sprachgebrauch dann, wenn er im Verhältnis zwischen einer staatlichen Behörde und einem nichtstaatlichen Rechtsträger verwendet wird, daß Selbstverwaltung vorliegt, also ein Weisungsrecht der staatlichen Behörden ausgeschlossen ist (vgl. VfSlg. 8215/1977). Dazu kommt, daß gegen die Festsetzung der Maklersicherheit gemäß § 16 Abs. 1 Börsegesetz ein Rechtsmittel nicht zulässig ist (auch gegen die Entscheidungen des Kartenausschusses über die Nichtzulassung oder den Ausschluß von Börsemitgliedern ist gemäß § 6 Abs. 3 leg. cit. nur die Berufung an die Vollversammlung zulässig, deren Entscheidung nicht der Abänderung oder Aufhebung im Verwaltungsweg unterliegt). Daher handelte es sich auch hier um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches. Demgemäß hatte sich die vorliegende Beschwerde unmittelbar gegen den Bescheid eines Organes zu richten, das im eigenen Wirkungsbereich nicht im Namen des Bundes oder des Landes, sondern im Namen der Wiener Börsekammer handelnd auftritt, und hat dies auch getan. In diesem Fall ist der Selbstverwaltungskörper Rechtsträger iS. des § 47 Abs. 5 VwGG (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 23. September 1968, Zl. 696/68, betreffend den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde; weiters auch die Erkenntnisse vom 27. Februar 1978, Zl. 1915/1975, vom 19. Juni 1979, Zl. 318/78, und vom 12. März 1986, Zl. 84/03/0251, betreffend Bescheide des Landesjagdrates bzw. Beschwerdesenates der Salzburger Jägerschaft).
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